JudikaturVfGH

G227/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2016

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Das Landesgericht Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht beantragt, "den Inhalt des §3 und insbesondere des §6 Religionsunterrichtsgesetz BGBI Nr 190/1949 zuletzt geändert durch BGBI Nr 243/1962 auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen und insbesondere die Wortfolgen des §6 Religionsunterrichtsgesetz in Absatz 1 'des Entlohnungsschemas II L (§44' und in Absatz 2 'soweit sie sich auf Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas II L beziehen' als verfassungswidrig aufzuheben".

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 13. Juli 1949, betreffend den Religionsunterricht in der Schule (Religionsunterrichtsgesetz), BGBI. 190/1949 idF BGBI. I 36/2012, lauten wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"§3. (1) Die Religionslehrer an den öffentlichen Schulen, an denen Religionsunterricht Pflichtgegenstand oder Freigegenstand ist, werden entweder

a) von der Gebietskörperschaft (Bund, Länder), die die Diensthoheit über die Lehrer der entsprechenden Schulen ausübt, angestellt oder

b) von der betreffenden gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bestellt.

(2) Die Anzahl der Lehrerstellen, die gemäß Abs1 lita besetzt werden, bestimmt die Gebietskörperschaft auf Antrag der zuständigen kirchlichen (religionsgesellschaftlichen) Behörde.

(3) Alle Religionslehrer unterstehen hinsichtlich der Vermittlung des Lehrgutes des Religionsunterrichtes den Vorschriften des Lehrplanes und den kirchlichen (religionsgesellschaftlichen) Vorschriften und Anordnungen; im übrigen unterstehen sie in der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit den allgemeinen staatlichen schulrechtlichen Vorschriften.

[…]

§6. (1) Die im §3 Abs1 litb genannten Religionslehrer erhalten für ihre Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen eine Vergütung nach den Ansätzen des Entlohnungsschemas II L (§44 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl Nr 86, in seiner jeweils geltenden Fassung) zuzüglich der jeweiligen Bezugszuschläge, nach den für die Lehrer der betreffenden Schularten dort festgesetzten Entlohnungsgruppen.

(2) Im übrigen finden hinsichtlich der Bemessung der Vergütung für die im §3 Abs1 litb genannten Religionslehrer die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl Nr 86, in seiner jeweils geltenden Fassung, soweit sie sich auf Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas II L beziehen , dem Sinne nach – insbesondere hinsichtlich Dauer des Dienstverhältnisses, Kündigung, Abfertigung, Entlassung, Erkrankung, Todesfall – Anwendung. Desgleichen haben diese Religionslehrer Anspruch auf Vergütung nach den für die Vertragsbediensteten des Bundes jeweils geltenden Reisegebührenvorschriften mit der Maßgabe, daß bei Religionslehrern, die Geistliche oder Ordensangehörige oder Angehörige von Diakonissenanstalten sind, der Wohnort als Dienstort gilt."

2. §91a des Bundesgesetzes vom 17. März 1948 über das Dienst- und Besoldungsrecht der Vertragsbediensteten des Bundes (Vertragsbedienstetengesetz 1948 – VBG), BGBl 86/1984 idF BGBl I 211/2013, lautet – auszugsweie – wie folgt:

"Ansprüche bei Dienstverhinderung

§91a. (1) Für die Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L treten folgende Bestimmungen an die Stelle des §24.

(2) Ist der Vertragslehrer nach Antritt des Dienstes durch Unfall oder Krankheit an der Dienstleistung verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er den Anspruch auf das Monatsentgelt bis zur Dauer von 42 Kalendertagen. In besonderen Ausnahmefällen kann dem Vertragslehrer über den angegebenen Zeitraum hinaus bis zur Dauer von weiteren 42 Kalendertagen das Monatsentgelt in voller Höhe zuerkannt werden, wenn seine weitere Verwendung infolge seiner besonderen Eignung für die ihm übertragenen Pflichten oder mangels eines anderen Bewerbers unbedingt nötig ist.

(3) Dauert die Dienstverhinderung über den im Abs2 bestimmten Zeitraum hinaus an, so gebührt dem Vertragslehrer für den gleichen Zeitraum 50 vH des Monatsentgeltes. Der zweite Satz des Abs2 findet mit der Abweichung Anwendung, daß an Stelle des vollen Monatsentgeltes 50 vH des Monatsentgeltes gewährt werden können.

(4) Die Leistungen des Dienstgebers nach den Abs2 und 3 sind in jedem Falle mit dem Ende des Dienstverhältnisses einzustellen.

(5) Tritt innerhalb von sechs Monaten nach Wiederantritt des Dienstes abermals eine Dienstverhinderung durch Krankheit oder infolge desselben Unfalles ein, so gilt sie als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung.

(6) Das Dienstverhältnis endet mit dem Ablauf des Zeitraumes, für welchen der Vertragslehrer auf Grund der Bestimmungen der Abs2 und 3 entlohnt wird, es sei denn, daß vorher seine Fortsetzung vereinbart wurde.

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt ein Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht zugrunde. Der Kläger ist Militärdekan und Beamter des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport. Zudem unterrichtet er seit 6. September 1993 als kirchlich bestellter Religionslehrer auf Grund der am 2. September 1993 (vorerst befristet) abgeschlossenen Vereinbarung mit dem "Erzbischöflichen Amt für Unterricht und Erziehung namens der Erzdiözese Wien" (beklagte Partei) im Bereich der Erzdiözese Wien an einem Gymnasium als Religionslehrer. Mit Vereinbarung vom 8. Februar 1995 wurde dieses Dienstverhältnis mit 1. September 1994 in ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Dauer umgewandelt.

Mit Ablauf des 3. Jänner 2016 war der Kläger 84 Kalendertage krankheitshalber dienstverhindert, weshalb die beklagte Partei dem Kläger (und dem Landesschulrat für Niederösterreich) mit Schreiben vom 4. Jänner 2016 mitteilte, dass auf Grund seiner krankheitsbedingten Dienstverhinderung von 84 Kalendertagen zum 3. Jänner 2016 und mangels einer Fortführungsvereinbarung das Dienstverhältnis ex lege unter Berufung auf §91a Abs6 VBG mit Ablauf dieses Tages beendet sei; eine Kündigung wurde gegenüber dem Kläger nicht ausgesprochen. Mit Februar wurde kein Gehalt mehr angewiesen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Dienstverhältnis zur beklagten Partei über den 3. Jänner 2016 hinaus aufrecht sei, wobei er insbesondere vorbringt, dass der Gesetzgeber in den §§3 bis 7 Religionsunterrichtsgesetz unsachlich und gleichheitswidrig zwischen Religionslehrern, die von einer Gebietskörperschaft angestellt (§3 Abs1 lita leg.cit.), und jenen, die von einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bestellt werden (§3 Abs1 litb leg.cit.), unterscheide.

2. Bei Behandlung dieser Klage sind beim antragstellenden Gericht Bedenken ob der Verfassungskonformität von Teilen des Religionsunterrichtsgesetzes entstanden.

2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt das antragstellende Gericht Folgendes aus:

"Für Religionslehrer ist das Religionsunterrichtsgesetz als Iex specialis vor dem VBG anzuwenden.

Als nach §3 Abs1 litb Religionsunterrichtsgesetz von einer gesetzlich anerkannten Kirche bestellter Religionslehrer ist für den Kläger §6 Religionsunterrichtsgesetz hinsichtlich der Vergütung und des Umfanges der Anwendbarkeit des VBG heranzuziehen und zwar soweit sie sich auf Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas II L des VBG beziehen, so auch hinsichtlich Dauer des Dienstverhältnisses, Kündigung, Abfertigung, Entlassung, Erkrankung, Todesfall.

Aufgrund der generellen Einstufung in Entlohnungsschema II L ordnet §91a VBG Abs6 (an Stelle des §24 VBG) an, dass das Dienstverhältnis mit Ende des Entlohungsanspruches nach Abs2 und 3 dieser Bestimmung (sohin [nach] maximal 84 Kalendertagen[)] endet, wenn keine Fortsetzung vereinbart wurde."

2.2. Die Bedenken, die das antragstellende Gericht zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es im Wesentlichen wie folgt dar:

"Der Gesetzgeber unterscheidet[, ob] Religionslehrer[,] die an öffentlichen Schulen, an denen Religionsunterricht Pflichtgegenstand oder Freigegenstand ist, unterrichten, […] von der Gebietskörperschaft (Bund, Länder), die die Diensthoheit über die Lehrer der entsprechenden Schulen ausübt, angestellt wurden oder […] von der betreffenden gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bestellt sind.

Für Letztere (§3 Abs1 litb) […] sollen dann unabhängig von deren Ausbildung, Befähigung und Verwendungsdauer, lediglich die Ansätze des Entlohnungsschemas II L (§44 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 BGBI Nr 86 in seiner jeweils geltenden Fassung […]), sowie auch die Bestimmungen dieses Schemas betreffend der Dauer des Dienstverhältnisses, Kündigung, Abfertigung, Entlassung, Erkrankung, Todesfall, zur Anwendung […] gelangen.

Anderes gilt für die gemäß §3 Abs1 lita Religionsunterrichtsgesetz von einer Gebietskörperschaft angestellten Religionslehrer, die mit derselben Ausbildung und Befähigung den Religionsunterricht an diesen Schulen abhalten, lediglich für die ersten 5 Jahre, da diese danach aufgrund der Bestimmungen der §§90 m, sowie 90 k Abs1 VBG in des Entlohnungsschema I L einzureihen sind und die damit verbundenen weiteren dienstrechtlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel gegenständlich die Auflösung des Dienstverhältnisses wegen langandauernder Krankheit gemäß §24 Abs9 VBG anzuwenden sind. Für diese Personengruppe gelten die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 ohne Einschränkung, ohne dass ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ersichtlich wäre.

Obwohl beide Religionslehrer (gemäß §3 Abs1 lita und litb Religionsunterrichtsgesetz) der Ermächtigung der jeweiligen gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft bedürfen (§4 Abs2ff Religionsunterrichtsgesetz), gleichermaßen den Vorschriften des Lehrplans und den kirchlichen (religionsgesellschaftlichen) Vorschriften und Anordnungen und in der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit den allgemeinen staatlichen schulrechtlichen Vorschriften (§3 Abs3 Religionsunterrichtsgesetz) sowie den selben besonderen Anstellungserfordernissen (§5 Religionsunterrichtsgesetz) unterliegen, dieselben Leistungen zu erbringen haben und durch dieselbe Stelle besoldet werden, soll hier aufgrund des Religionsunterrichtsgesetzes eine Ungleichbehandlung, welche dem verfassungsgemäß gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz eindeutig widerspricht, unter Zurückdrängung der Anwendung der generellen Gesetzesbestimmungen des VBG vorgenommen werden.

Die Wortfolgen des §6 Religionsunterrichtsgesetz in Absatz 1: 'des Entlohnungsschemas II L (§44' und in Absatz 2: 'soweit sie sich auf Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas II L beziehen' im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation nicht anzuwenden[,] scheidet angesichts des eindeutigen Wortlautes dieser Bestimmung aus. Ohne diesen Wortfolgen wären jedoch auch die von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgemeinschaften bestellten Religionslehrer nach einer Verwendungsdauer von fünf Jahren in die Entlohnungsgruppe I L einzustufen und hinsichtlich der Anwendbarkeit des §24 VBG und ihrer Besoldung nicht unsachlich und sohin verfassungswidrig[…] benachteiligt."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu die Behandlung des Antrages abzulehnen, in eventu auszusprechen, dass §§3 und 6 des Religionsunterrichtsgesetzes nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden, und für den Fall der Aufhebung eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen. Zur Zulässigkeit führt die Bundesregierung – im Wesentlichen – Folgendes aus:

"[…] Art89 Abs2 B VG sieht vor, dass das antragstellende ordentliche Gericht den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat.

Dagegen beantragt das antragstellende Gericht im Hinblick auf die §§3 und 6 des Religionsunterrichtsgesetzes in ihrer Gesamtheit die 'Prüfung' (jedoch nicht: Aufhebung) des Inhaltes durch den Verfassungsgerichtshof, führt jedoch zur Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen über die ausdrücklich genannten Textstellen in §6 des Religionsunterrichtsgesetzes hinaus nichts aus. Der Antrag ist hinsichtlich dieser Bestimmungen in ihrer Gesamtheit somit weder ausdrücklich gestellt noch wird er näher begründet.

Bereits aus diesem Grund ist der Antrag 'auf Prüfung' der §§3 und 6 des Religionsunterrichtsgesetzes zurückzuweisen.

[…] Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (zB VfSlg 17.099/2003, 17.102/2004, jeweils mwN).

Die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken betreffen jedoch die Bestimmungen bzw. einzelne Wortfolgen des §6 des Religionsunterrichtsgesetzes, nicht jedoch §3 des Religionsunterrichtsgesetzes ([…]. Entgegen §62 Abs1 VfGG hat das antragstellende Gericht keinerlei Bedenken im Einzelnen gegen §3 des Religionsunterrichtsgesetzes vorgebracht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2015, G224/2015 ua., mwN).

Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass der Antrag im Hinblick auf §3 des Religionsunterrichtsgesetzes auch aus diesem Grund unzulässig ist.

[…] Des Weiteren verweist die Bundesregierung auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. zB VfSlg 19.824/2013 und 19.833/2013). Dies ist hier der Fall, und zwar aus folgenden Gründen:

[…] §6 des Religionsunterrichtsgesetzes ist im anlassgebenden Verfahren durch das antragstellende Gericht nicht anzuwenden:

[…] Verfahrensgegenständlich vor dem antragstellenden Gericht ist das Begehren des Klägers, dass festgestellt werden möge, dass das Dienstverhältnis zwischen ihm und der beklagten Partei über den 3. Jänner 2016 hinaus als aufrecht zu betrachten sei. Einer Aufhebung zugänglich können somit nur jene Bestimmungen sein, die für die Begründung der ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses heranzuziehen wären, nicht aber jene Bestimmungen wie §6 Abs1 des Religionsunterrichtsgesetzes, die auf die Vergütung im aufrechten Dienstverhältnis abzielen.

[…] Auch gemäß §6 Abs2 erster Satz des Religionsunterrichtsgesetzes sind für Religionslehrkräfte nach §3 Abs1 litb des Religionsunterrichtsgesetzes die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, soweit sie sich auf Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas II L beziehen, dem Sinne nach nicht allgemein, sondern lediglich hinsichtlich der Bemessung der Vergütung anzuwenden. Dem Antragsbeschluss zufolge ist die Vergütung aber gerade nicht Verfahrensgegenstand, da nur beantragt wird, festzustellen, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht ist.

[…] Im Übrigen ist §6 Abs2 zweiter Satz des Religionsunterrichtsgesetzes ebenso nicht präjudiziell, da im vorliegenden zivilgerichtlichen Verfahren der Anspruch auf Reisegebühren eindeutig nicht Verfahrensgegenstand ist. In einem Verfahren über das Aufrechtbestehen eines Dienstverhältnisses ist die Anwendung einer Vorschrift über Reisegebühren denkunmöglich (vgl. zur Frage der denkunmöglichen Anwendung etwa VfSlg 15.199/1998 mwN).

[…] Damit geht die Anfechtung, soweit sie sich auf §6 des Religionsunterrichtsgesetzes in seiner Gesamtheit bzw. auf die ausdrücklich bezeichneten Wortfolgen richtet, ins Leere, da diese Bestimmung keinen Einfluss auf die Beendigung des Dienstverhältnisses hat, sondern bloß die Vergütung während des aufrechten Dienstverhältnisses regelt.

[…] Denkbar wäre, dass die in Frage stehenden Bestimmungen des Vertrags-bedienstetengesetzes 1948 als lex contractus Teil des zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages sind, wobei dies nicht expressis verbis vereinbart sein muss, sondern auch konkludent erfolgt sein kann. Die anzuwendende Norm wäre daher nicht §6 Abs2 des Religionsunterrichtsgesetzes (in Verbindung mit §91a Abs6 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948), sondern ein Vertragsbestandteil des Arbeitsvertrages des Klägers im Anlassverfahren, welcher denselben Inhalt wie die genannte Bestimmung hat. Ein Vertragsbestandteil kann aber nicht Gegenstand eines Verfahrens nach Art89 Abs1 iVm Art140 Abs1 Z1 lita B VG sein.

[…] Aus diesen Gründen ist der Antrag in Hinsicht auf §6 des Religionsunterrichtsgesetzes, auch soweit er sich nur auf die angefochtenen Wortfolgen bezieht, ebenfalls unzulässig.

[…] Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Antrag des Landesgerichts Wiener Neustadt zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen ist." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Die im Verfahren beteiligten Parteien erstatteten jeweils eine Äußerung.

IV. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß §62 Abs1 VfGG muss der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, begehren, dass das Gesetz seinem ganzen Inhalte nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Dabei handelt es sich um ein Essentiale des Gesetzesprüfungsantrages (vgl. VfSlg 11.969/1989, 12.593/1990, 13.472/1993, 16.530/2002, 19.489/2011).

2. Das antragstellende Gericht beantragt zum einen, "den Inhalt des §3 und insbesondere des §6 Religionsunterrichtsgesetz […] auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen", wobei aber kein Aufhebungsbegehren gestellt wird. Ein Prüfungsantrag, dem ein spezifiziertes Aufhebungsbegehren fehlt, leidet jedoch an einem nicht behebbaren inhaltlichen Mangel (vgl. abermals VfSlg 16.530/2002 mwN). Soweit sich der Antrag auf die "Überprüfung" der §§3 und 6 Religionsunterrichtsgesetz jeweils zur Gänze bezieht, ist er daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

3. Das antragstellende Gericht beantragt zum anderen, "insbesondere die Wortfolgen des §6 Religionsunterrichtsgesetz in Absatz 1 'des Entlohnungsschemas II L (§44' und in Absatz 2 'soweit sie sich auf Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas II L beziehen' als verfassungswidrig aufzuheben". Der Verfassungsgerichtshof wertet dies als einen selbständigen Antrag, der auch ein spezifiziertes Aufhebungsbegehren enthält.

3.1. Das antragstellende Gericht begründet die Zulässigkeit des Antrages damit, dass auf den Kläger, als nach §3 Abs1 litb Religionsunterrichtsgesetz von einer gesetzlich anerkannten Kirche bestellten Religionslehrer, "hinsichtlich der Vergütung und des Umfanges der Anwendbarkeit des VBG" §6 Religionsunterrichtsgesetz Anwendung finde. Auf Grund der generellen Einstufung in das Entlohnungsschema II L ordne §91a Abs6 VBG (an Stelle des §24 VBG) an, dass das Dienstverhältnis mit Ende des Entlohungsanspruches nach Abs2 und 3 dieser Bestimmung ende, wenn keine Fortsetzung vereinbart worden sei.

3.2. Die Bundesregierung zieht in ihrer Äußerung die Zulässigkeit des Antrages insofern in Zweifel, als sie die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolgen verneint.

3.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Die diesbezügliche Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004 und 19.933/2014).

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011 und 19.933/2014).

3.4. Unter Zugrundelegung des vorliegenden Sachverhaltes – der die Frage des Bestehens des Dienstverhältnisses betrifft – und nach der vom antragstellenden Gericht vertretenen Auffassung, wonach §91a Abs6 VBG Anwendung findet, hat das antragstellende Gericht den Anfechtungsumfang insofern zu eng gewählt, als es jedenfalls auch der Anfechtung der Wortfolge "Dauer des Dienstverhältnisses," in §6 Abs2 Religionsunterrichtsgesetz sowie des §91a Abs6 VBG bedurft hätte.

3.5. Es ist nämlich Sache des Verfassungsgerichtshofes, im Gesetzesprüfungsverfahren zu entscheiden, wie der Aufhebungsumfang im konkreten Fall abzugrenzen ist. Das Gericht muss daher all jene Bestimmungen mitanfechten, die in diese Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges miteinzubeziehen sind, und darf nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorwegnehmen (vgl. VfGH 7.10.2015, G315/2015 ua.; 10.3.2015, G201/2014; 13.10.2016, G640/2015 ua.).

4. Somit erweist sich der Antrag als zu eng gefasst; er ist daher schon aus diesem Grund unzulässig

V. Ergebnis

1. Der Antrag des Landesgerichtes Wiener Neustadt ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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