JudikaturVfGH

A10/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
24. November 2016

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Vorbringen und Gegenschrift

1. In ihrer auf Art137 B VG gestützten Klage gegen den Bund begehrt die klagende Partei die Zahlung von € 2.819,85 samt Anhang auf Grund "der mangelhaften Umsetzung bzw. 'Nicht-Anwendung' von EU-Recht in Form einer Entscheidung des EuGH." §6a NoVAG 1991 sei von der beklagten Partei "gemeinschaftswidrig angewandt" worden, obwohl ihr seit 2011 bewusst gewesen sei, dass sie dies "in gemeinschaftswidriger Form" getan habe.

2. Die klagende Partei bringt vor, sie habe am 2. Februar 2012 ein Fahrzeug der Marke BMW M6 mit Erstzulassung 4. Oktober 2005 in Deutschland erworben und nach Österreich importiert. Der Kaufpreis habe € 28.000,– betragen. Gemessen an diesem Kaufpreis habe die klagende Partei am 15. Februar 2012 Normverbrauchsabgabe (NoVA) in Höhe von € 3.764,70, einen "CO2-Malus" gemäß §6a NoVAG 1991 in Höhe von € 2.120,41 sowie den Erhöhungsbetrag gemäß §6 Abs6 NoVAG 1991 in Höhe von € 1.177,30, wovon ein anteiliger Betrag in Höhe von € 424,10 auf den CO2-Malus entfallen sei, bezahlt. Ende Juni 2013 habe die klagende Partei erfahren, dass der CO2-Malus gemäß §6a NoVAG 1991 zu Unrecht eingehoben worden sei bzw. das Bundesministerium für Finanzen davon ausgehe, dass dieser auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union aus dem Jahr 2011 (EuGH 7.4.2011, Rs. C-402/09, Ioan Tatu ) für bestimmte Fahrzeuge – wie das der klagenden Partei – nicht mehr eingehoben werden könne. Zur Verjährungsfrist führt die klagende Partei wörtlich Folgendes aus:

"Kenntnis davon, dass der CO2-Malus daher zu Unrecht eingehoben wurde, hatte die klagende Partei frühestens Ende Juni 2013. An den Beginn de[s] Lauf[es] der Verjährungsfrist können jedoch keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Selbst das Gerechtshof´s-Hertogenbosch (Niederlande) legte eine ähnliche Frage noch am 27.9.2012 dem EuGH zur Prüfung vor. Erst im dortigen Verfahren sprach der EuGH sodann definitiv aus, dass Art110 AEUV einer Steuer wie der niederländischen BPM (vergleichbar mit dem österreichischen NoVAG) entgegensteht, wenn und soweit der Betrag dieser Steuer, die auf eingeführte Gebrauchtfahrzeuge bei ihrer Zulassung in den Niederlanden erhoben wird, den geringsten Wert gleichartiger in diesem Mitgliedstaat bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert dieser Steuer übersteigt (C-437/12, Entscheidung vom 19.12.2013).

[…]

Grundsätzlich hat dies auch die beklagte Partei erkannt. Dies allerdings viel zu spät, nämlich erst am 29.5.2013. Mittels Erlass von diesem Tag des Bundesministeriums für Finanzen zur Zahl BMF-010220/0133/IV/9/2013 änderte die beklagte Partei in Hinblick auf die Entscheidung aus dem Jahr 2011 des EuGH seine Rechtsansicht […]

Anträgen auf Festsetzung gemäß §201 BAO wurde daher nach Ablauf der Jahresfrist – soweit bekannt – in keinem einzigen Fall stattgegeben. Die vorgesehene Jahresfrist ist jedenfalls nicht ausreichend, um Ansprüche auf Rückerstattung geltend machen zu können. Die klagende Partei importierte ihr Fahrzeug nämlich im Januar 2012 und bezahlte den unzulässigen, da gemeinschaftswidrigen CO2-Malusbetrag dafür am 02.03.2012. Davon, dass dieser Betrag rechtswidrig, nämlich entgegen der klaren Judikatur des EuGH und daher Gemeinschaftsrecht widersprechend eingehoben wurde, erfuhr die klagende Partei jedoch erst Ende Juni 2013. Zu diesem Zeitpunkt war die Jahresfrist jedoch schon längst abgelaufen."

3. Die beklagte Partei, der Bund, erstattete eine Gegenschrift, in der dem Vorbringen der klagenden Partei entgegengetreten und die Zurückweisung der Klage, in eventu deren Abweisung beantragt wird.

II. Erwägungen

1. Gemäß Art137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche nicht bereits dann zuständig, wenn der Gesetzgeber gegen Unionsrecht verstoßen hat. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Akt, der die unionsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (VfSlg 16.107/2001, 17.002/2003 ua.).

1.2. Voraussetzung einer Staatshaftung ist es, dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaates zur Verletzung einer unionsrechtlichen Norm gekommen ist, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden besteht, der dem Einzelnen entstanden ist (vgl. EuGH 5.3.1996, Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pecheur , Slg. 1996, I-1029, Rz 51; 23.5.1996, Rs. C-5/94, Hedley Lomas , Slg. 1996, I-2553, Rz 32; 30.9.2003, Rs. C-224/01, Köbler , Rz 51). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union besteht dabei aber keine reine Unrechtshaftung; vielmehr ist ein Verstoß gegen Unionsrecht nur dann haftungsbegründend, wenn er "hinreichend qualifiziert" ist (EuGH 5.3.1996, Brasserie du Pecheur , Slg. 1996, I-1029, Rz 55; 8.10.1996, Rs. C-178/94 ua., Dillenkofer , Slg. 1996, I-4845, Rz 21 ff; 17.10.1996, Rs. C-283/94 ua., Denkavit , Slg. 1996, I-5063, Rz 48, 50 ff; uva.).

2. Die klagende Partei stützt ihren Anspruch aus dem Grunde der Staatshaftung auf eine "mangelhafte Umsetzung bzw. 'Nicht-Anwendung'" von Unionsrecht und beruft sich dabei insbesondere auf die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 7. April 2011, Rs. C-402/09, Ioan Tatu , aus der sie die unionsrechtswidrige Anwendung des §6a NoVAG 1991 ableitet. Um ihr Vorbringen zu unterstreichen, gibt die klagende Partei wörtlich zudem den in Reaktion auf diese Entscheidung ergangenen Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 29. Mai 2013, BMF-010220/0133/IV/9/2013, wieder, der zu einer "Änderung der Rechtsauslegung" im Hinblick auf den Malus gemäß §6a NoVAG 1991 geführt habe und behauptet, die Jahresfrist zur Stellung von Anträgen auf Festsetzung gemäß §201 BAO sei nicht ausreichend gewesen, um Ansprüche auf Rückerstattung geltend machen zu können, da die klagende Partei ihr Fahrzeug im Februar 2012 importiert und den "unzulässigen, da gemeinschaftsrechtswidrigen CO2-Malus" am 15. Februar 2012 bezahlt habe.

2.1. Mit diesem Vorbringen ist es der klagenden Partei aber nicht gelungen, näher darzutun, worin der qualifizierte Verstoß gegen das Unionsrecht besteht, der so offenkundig wäre, dass er im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union eine Staatshaftung und im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Zulässigkeit eines Verfahrens nach Art137 B VG auslöst: Die bloße Wiedergabe des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vermag die in der Klage fehlende Auseinandersetzung mit der Frage, worin der qualifizierte Verstoß gegen das Unionsrecht besteht, nicht zu ersetzen. Der geforderte Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem Schaden kann aus den Klagsausführungen, die vermeinen, die "mangelhafte Umsetzung bzw. 'Nicht-Anwendung'" von Unionsrecht auf Grund der eingangs zitierten Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union führe zu einem die Staatshaftung auslösenden Anspruch, nicht erkannt werden.

2.2. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, jene Kriterien, zu denen ein substantiiertes Vorbringen fehlt, durch eigene Vermutungen und Spekulationen darüber, was die klagende Partei gemeint haben könnte, zu ersetzen.

2.3. Soweit die klagende Partei sich auf einen aus dem Unionsrecht erfließenden Rückzahlungsanspruch für unionsrechtswidrig erhobene Abgaben beruft, ist ihr zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof – unabhängig davon, ob die von der klagenden Partei geltend gemachten Ansprüche im Unionsrecht wurzeln (vgl. VfSlg 16.107/2001) – nicht zuständig ist, über den (behaupteten) Anspruch auf Rückerstattung entrichteter Abgabenbeträge im Verfahren nach Art137 B VG zu entscheiden, zumal es der klagenden Partei – wie auch die Bundesregierung zutreffend ausführt – auf Grundlage des §201 BAO offen gestanden wäre, eine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe zu erwirken, ist doch die einschlägige Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union aus dem Jahr 2011 (Rs. C-402/09, Ioan Tatu ) weit vor dem Sachverhalt ergangen, auf den sich die Klage bezieht.

III. Ergebnis

1. Die Klage ist daher schon aus diesen Gründen zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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