G69/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 bewilligte das Bezirksgericht Graz-Ost, 240 E 867/16a, die Fahrnisexekution auf Antrag der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei, welche antragstellende Partei vor dem Verfassungsgerichtshof ist.
Aus Anlass des Rekurses gegen die Bewilligung der Fahrnisexekution stellt die einschreitende Partei den Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG auf Aufhebung des §35 EO wegen Verfassungswidrigkeit.
2. Die angefochtene Bestimmung des §35 Exekutionsordnung – EO, RGBl. 79/1896, idF BGBl I 69/2014, lautet:
"Einwendungen gegen den Anspruch.
§. 35.
(1) Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Execution bewilligt wurde, können im Zuge des Executionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Thatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Executionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Executionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Thatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte.
(2) Diese Einwendungen sind, unbeschadet eines allfälligen Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung, im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, das die Exekution in erster Instanz bewilligt hat. Ist der Exekutionstitel in einer Arbeitsrechtssache nach §50 ASGG ergangen, so sind die Einwendungen bei dem Gericht geltend zu machen, bei dem der Prozeß in erster Instanz anhängig war. Ist der Exekutionstitel in einer Unterhaltssache ergangen, so sind die Einwendungen bei dem für diese Sache zuständigen Gericht in der dafür vorgesehenen Verfahrensart geltend zu machen. Ist für die Unterhaltssache kein österreichisches Gericht zuständig, so ist für solche Einwendungen, wenn sich aus Unions- oder Völkerrecht nichts Abweichendes ergibt, das Gericht zuständig, das die Exekution in erster Instanz bewilligt hat. Einwendungen gegen einen Anspruch, der sich auf einen der im §. 1 Z10 und 12 bis 14 angeführten Executionstitel stützt, sind bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Executionstitel ausgegangen ist.
(3) Alle Einwendungen, die die verpflichtete Partei zur Zeit der Geltendmachung bei Gericht oder zur Zeit des Einschreitens bei einer der in Abs2 bezeichneten Behörden vorzubringen imstande war, müssen bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für Unterhaltssachen, soweit die zum Unterhalt verpflichtete Person eine Änderung der Verhältnisse einwendet, aufgrund derer der Anspruch ganz oder teilweise erloschen oder gehemmt ist.
(4) Wenn den Einwendungen rechtskräftig stattgegeben wird, ist die Execution einzustellen."
3. §62a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl 85/1953, idF BGBl I 78/2016, lautet:
"§62a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (Art140 Abs1 Z1 litd B VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:
1. im Verfahren zur Anordnung oder Durchsetzung der Rückstellung widerrechtlich verbrachter oder zurückgehaltener Kinder (§111a AußStrG);
2. im Besitzstörungsverfahren (§§454 bis 459 ZPO);
3. im Beweissicherungsverfahren (§§384 bis 389 ZPO);
4. im Verfahren gemäß §22 Abs1 WGG;
6. im Verfahren betreffend mittlerweilige Vorkehrungen gemäß §180 NO;
7. im Verfahren gemäß den Bestimmungen des UVG;
8. im Insolvenzverfahren;
9. im Exekutionsverfahren und im Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO, einschließlich des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung;
(2) Der gesetzliche Vertreter eines jugendlichen Beschuldigten (§38 JGG) hat das Recht, auch gegen den Willen des Beschuldigten zu dessen Gunsten einen Antrag zu stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
(3) Der Antrag hat über die Erfordernisse des §62 hinaus zu enthalten:
1. die Bezeichnung der Entscheidung und des ordentlichen Gerichtes, das sie erlassen hat;
2. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht ist.
(4) Dem Antrag sind eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie der Entscheidung sowie eine Abschrift oder Kopie dieses Rechtsmittels anzuschließen.
(5) Der Verfassungsgerichtshof hat das ordentliche Gericht erster Instanz von der Stellung eines Antrages gemäß Abs1 unverzüglich zu verständigen. Dieses hat dem Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels mitzuteilen.
(6) In dem beim Rechtsmittelgericht anhängigen Verfahren dürfen bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten."
4. Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis vom 8. März 2016, G537, 538/2015 aus, dass die Wortfolge "im Exekutionsverfahren und" in §62a Abs1 Z9 VfGG idF BGBl I 92/2014 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis ausgeführt, dass unter anderem das mit einer Oppositionsklage gemäß §35 EO eingeleitete Verfahren nicht als Exekutionsverfahren iSd §62a Abs1 Z9 VfGG, sondern als Zivilprozess anzusehen ist, aus Anlass dessen ein Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG grundsätzlich zulässig ist.
Der vorliegende Antrag auf Aufhebung des §35 EO wird jedoch nicht aus Anlass eines mit Oppositionsklage gemäß §35 EO eingeleiteten Verfahrens, sondern aus Anlass eines Exekutionsverfahrens iSd §62a Abs1 Z9 VfGG (vgl. dazu näher VfGH 8.3.2016, G537, 538/2015) gestellt, was zur Unzulässigkeit des Antrags führt.
Bei diesem Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.
5. Der Antrag ist somit gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.