G267/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
I. Anträge
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Hauptantrag begehrt der Antragsteller, in §26 Abs2 Z1 Vertragsbedienstetengesetz (VBG) im Wort "Gemeindeverband" den Wortteil "Gemeinde" als verfassungswidrig aufzuheben. Eventualiter begehrt der Antragsteller, in §26 Abs2 Z1 VBG denjenigen Teil, der auf das Wort "Dienstverhältnis" folgt bzw. §26 Abs2 Z2 VBG zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
§26 des Bundesgesetzes vom 17. März 1948 über das Dienst- und Besoldungsrecht der Vertragsbediensteten des Bundes (Vertragsbedienstetengesetz 1948 – VBG), BGBl 86/1948, lautet in der angefochtenen Fassung BGBl I 32/2015 wie folgt (der mit dem Hauptantrag angefochtene Wortteil ist hervorgehoben):
"Besoldungsdienstalter
§26. (1) Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten.
(2) Als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen sind die zurückgelegten Zeiten
1. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeinde verband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft;
2. in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört;
3. in denen die oder der Vertragsbedienstete auf Grund des Heeresversorgungsgesetzes Anspruch auf eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 90% hatte, sowie
4. der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes nach dem Wehrgesetz 2001 – WG 2001, BGBl I Nr 146/2001, und des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986 – ZDG, BGBl Nr 679/1986, bis zum Ausmaß von sechs Monaten.
(3) Über die in Abs2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit ist einschlägig, wenn sie eine fachliche Erfahrung vermittelt, durch die
1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder
2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.
(4) Ausgeschlossen von einer Anrechnung sind die Zeiten
1. die nach Abs2 Z1 und 2 zu berücksichtigen wären, wenn die oder der Vertragsbedienstete aufgrund einer solchen Beschäftigung einen Ruhegenuss bezieht, es sei denn, dass der Ruhegenuss nach den hiefür geltenden Bestimmungen wegen des bestehenden vertraglichen Dienstverhältnisses zum Bund zur Gänze ruht oder infolge der Berücksichtigung der Dienstzeit für die Ermittlung des Besoldungsdienstalters ruhen würde,
2. in einem Dienstverhältnis nach Abs2 Z1 und 2, soweit sie nach den Vorschriften, die für dieses Dienstverhältnis gegolten haben, für die Vorrückung in höhere Bezüge nicht wirksam gewesen sind, oder
3. welche im Zustand der Ämterunfähigkeit zurückgelegt wurden.
Die Einschränkung der Z2 gilt nicht für Zeiten, die nur deshalb nicht voll für die Vorrückung in höhere Bezüge wirksam waren, weil sie in einem Beschäftigungsausmaß zurückgelegt wurden, das unter der Hälfte des für eine Vollbeschäftigung vorgeschriebenen Beschäftigungsausmaßes lag. Waren solche Zeiten aus anderen Gründen für die Vorrückung nicht oder nicht voll wirksam (zB wegen eines Karenzurlaubes), ist die Z2 hingegen anzuwenden.
(5) Die oder der Vertragsbedienstete ist bei Dienstantritt von der Personalstelle nachweislich über die Bestimmungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten zu belehren. Sie oder er hat sodann alle vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückgelegten Vordienstzeiten nach Abs2 oder 3 mitzuteilen. Die Personalstelle hat aufgrund dieser Mitteilung und bei Vorliegen entsprechender Nachweise die Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten festzustellen, um welche die für die Aufstufung wirksame Dienstzeit bei der Ermittlung der Einstufung zu verlängern ist.
(6) Teilt die oder der Vertragsbedienstete eine Vordienstzeit nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Tag der in Abs5 genannten Belehrung mit, ist ein späterer Antrag auf Anrechnung dieser Vordienstzeit unzulässig. Der Nachweis über eine Vordienstzeit ist spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Belehrung zu erbringen. Wird der Nachweis nicht fristgerecht erbracht, ist die Vordienstzeit nicht anrechenbar.
(7) Vordienstzeiten sind jedenfalls anzurechnen, wenn sie bereits im unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis angerechnet worden sind. Wurde beim unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis das Besoldungsdienstalter infolge einer Überleitung nach den Bestimmungen des §94a pauschal bemessen, so unterbleibt eine Ermittlung und die Einstufung hat auf Grundlage des bisherigen pauschal bemessenen Besoldungsdienstalters zu erfolgen.
(8) Die mehrfache Anrechnung ein und desselben Zeitraumes ist nicht zulässig."
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Der Antragsteller war ursprünglich von 1. Oktober 1994 bis 12. August 2010 als Sachbearbeiter bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (im Folgenden: AUVA) angestellt. Ab 10. September 2012 wurde er bei der beteiligten Partei, dem Land Oberösterreich, als Vertragslehrer in einem befristeten Dienstverhältnis beschäftigt, das am 1. September 2015 in ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit umgewandelt worden ist.
2. Die beteiligte Partei teilte dem Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 28. Jänner 2016 mit, dass gemäß §26 VBG die Zeiten als Gemeindearbeiter in Weyer, die Zeiten des Präsenzdienstes sowie die Zeiten beim Landesschulrat Oberösterreich zur Gänze als Vordienstzeiten angerechnet worden seien. Es ergebe sich daher ab 1. September 2015 die besoldungsrechtliche Stellung in der Entlohnungsgruppe 1 2a 2, Entlohnungsstufe 2, wobei die nächste Vorrückung am 1. März 2016 stattfinden werde.
3. Der Antragsteller begehrte daraufhin mit Schriftsatz vom 2. März 2016 eine Anrechnung auch der Vordienstzeiten bei der AUVA. Begründend führte er aus, dass §26 VBG unions- und verfassungsrechtskonform derart auszulegen sei, dass die genannten Vordienstzeiten zu berücksichtigen seien. Demnach sei der Antragsteller richtigerweise in die Entlohnungsstufe 10 zu übernehmen.
4. Mit Klage vom April 2016 begehrte der Antragsteller beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht die Feststellung, dass ein Anspruch auf Entlohnung zumindest nach der Entlohnungsgruppe 1 2a 2, Entlohnungsstufe 10, bestehe. Dieses Begehren wurde mit Urteil vom 23. Juni 2016 als unbegründet abgewiesen.
5. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller Berufung an das Oberlandesgericht Linz und stellte unter einem den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag. Er begehrt darin, das Wort "Gemeinde" in §26 Abs2 Z1 VBG, in eventu die Wortfolge nach dem Wort "Dienstverhältnis", in eventu §26 Abs2 Z2 VBG zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben. Begründend führt der Antragsteller aus, dass Gemeindeverbände und Selbstverwaltungskörper (wie hier ein Sozialversicherungsträger) gleich zu behandeln seien. Durch die Nichtaufnahme der Sozialversicherungsträger in §26 Abs2 Z1 VBG liege deshalb eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vor. Auch sei die AUVA eine Körperschaft öffentlichen Rechts und dürfe als solche nicht schlechter gestellt werden als Einrichtungen der Europäischen Union (unter Hinweis auf §26 Abs2 Z2 VBG).
IV. Erwägungen
1. Die Anträge sind unzulässig.
1.1. Dem mit BGBl I 114/2013 in das B VG eingefügten, mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Art140 Abs1 Z1 litd B VG zufolge erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.3. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002).
1.4. Ein Gesetzesprüfungsantrag ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sowohl dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn im Falle einer Aufhebung im begehrten Umfang der verbleibende Rest der Gesetzesvorschrift als inhaltsleerer und unanwendbarer Torso verbliebe, als auch dann, wenn durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl. VfSlg 14.895/1997 mwN). Unzulässig ist ein Antrag auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 19.517/2011, 19.674/2012).
2. Gemäß §26 Abs2 Z1 VBG sind als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter die zurückgelegten Zeiten in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem "Gemeindeverband" eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft anzurechnen. Ferner sind gemäß §26 Abs2 Z2 VBG solche Zeiten zu berücksichtigen, die in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, zurückgelegt worden sind.
2.1. Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass Beschäftigungszeiten bei einem Sozialversicherungsträger – hier: der AUVA – in verfassungswidriger Weise von der Aufzählung des §26 Abs2 leg.cit. nicht erfasst seien. Würde – wie dies der Antragsteller begehrt – in §26 Abs2 Z1 leg.cit. der Wortteil "Gemeinde" im Wort "Gemeindeverband" aufgehoben, so hätte dies zur Konsequenz, dass der Anwendungsbereich des §26 Abs2 VBG auf jegliche Entität auf welcher Rechtsgrundlage immer erweitert würde, die sich als Verband bezeichnet oder zumindest als "Verband" verstanden werden kann. Dies wäre aber ein vor dem Hintergrund der behaupteten Verfassungswidrigkeit weit überschießendes, einem positiven Akt der Gesetzgebung gleichkommendes Ergebnis.
2.2. Der Hauptantrag ist aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.
2.3. Der Antragsteller begehrt mit seinem Eventualantrag, hilfsweise denjenigen Teil in §26 Abs2 Z1 VBG aufzuheben, der auf das Wort "Dienstverhältnis" folgt. Diese Aufhebung hätte die zwingende Anrechnung von Dienstzeiten in jeglichem Dienstverhältnis zur Folge. Sie würde aber zugleich §26 Abs3 VBG in seinem Sinn insofern wesentlich verändern, als von der im Ermessen des Dienstgebers stehenden Anrechnung nach Abs3 (weil von der zwingenden Anrechnung in Abs2 Z1 bereits erfasst) Dienstverhältnisse zur Gänze ausgeschlossen wären. Eine Aufhebung nur der angegriffenen Wortfolge in §26 Abs2 Z1 VBG würde daher den Sinn der von der Aufhebung betroffenen Normen ebenfalls in einer Weise verändern, die einem Akt der Gesetzgebung gleichkäme.
2.4. Würde schließlich – wie ebenso vom Antragsteller in eventu begehrt – §26 Abs2 Z2 VBG, der auf Dienstverhältnisse zu Einrichtungen der Europäischen Union abzielt, als verfassungswidrig aufgehoben, so würde dies nichts daran ändern, dass Dienstzeiten bei der AUVA nicht als Vordienstzeiten anzurechnen sind. Die behauptete Verfassungswidrigkeit würde im Falle eines Erfolges der Anfechtung daher gar nicht beseitigt werden. Auch dieser Antrag ist somit als unzulässig zurückzuweisen.
V. Ergebnis
1. Die Anträge sind daher zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.