JudikaturVfGH

SV3/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2016

Spruch

I. Das Verfahren wird, soweit es Art10 Abs3 litc des Auslieferungsvertrages zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl III Nr 216/1999, zum Gegenstand hat, eingestellt.

II. Im Übrigen wird die Behandlung des Antrages abgelehnt.

Begründung

1. Mit seinem auf Art140a "iVm Art140 Abs1 Z1 litd bzw 139 Abs1 Z4" B VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller aus Anlass einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien gegen einen Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, mit dem einem ihn betreffenden Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten von Amerika nicht stattgegeben wurde, die Feststellung, dass Art10 Abs3 litb und c des Auslieferungsvertrages zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl III 216/1999, (im Folgenden: Auslieferungsvertrag Ö – USA) verfassungswidrig ist.

2. Zu Spruchpunkt I.:

Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2016 zog der Antragsteller diesen Antrag, soweit er Art10 Abs3 litc des Auslieferungsvertrages Ö – USA zum Gegenstand hatte, zurück.

Das Staatsvertragsprüfungsverfahren ist daher in Ansehung dieser Bestimmung einzustellen (§19 Abs3 Z3 VfGG).

3. Zu Spruchpunkt II.:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140a iVm Art140 Abs1b B VG).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Staatsvertrages gemäß Art140a iVm Art140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 19.750/2013). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 19.809/2013, 19.889/2014).

Der Wortlaut des durch Art140a B VG verwiesenen Ablehnungstatbestandes des Art140 Abs1b B VG gleicht jenem des Art144 Abs2 erster Fall B VG. Aus den Materialien zu Art140 Abs1b B VG und dessen Entstehungsgeschichte ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verfassungsgesetzgeber den in dieser Bestimmung enthaltenen Ablehnungstatbestand grundsätzlich anders verstanden haben wissen wollte als jenen des Art144 Abs2 erster Fall B VG (vgl. AB 2380 BlgNR 24. GP; StenProtNR 24. GP, 207. Sitzung, 121 ff.). Die bisherige Praxis zu Art144 Abs2 erster Fall B VG kann daher jedenfalls dem Grunde nach auf den Ablehnungstatbestand des Art140 Abs1b B VG übertragen werden (vgl. VfGH 24.2.2015, G13/2015).

Der Antragsteller behauptet die Verfassungswidrigkeit des Art10 Abs3 litb des Auslieferungsvertrages Ö – USA im Wesentlichen mit der Begründung, dass diese Bestimmung gegen die durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Garantie auf rechtliches Gehör verstoße.

Damit verkennt der Antragsteller aber den Gehalt der in Rede stehenden staatsvertraglichen Bestimmung: Diese sieht lediglich vor, dass einem Auslieferungsersuchen zur Strafverfolgung die Kopie einer vorhandenen Anklageschrift beizufügen ist; die angefochtene Bestimmung bewirkt daher – anders als der Antragsteller offenbar vermeint – nicht, dass eine Auslieferung von den österreichischen Gerichten unter Außerachtlassung der Grundsätze der EMRK zu bewilligen wäre (vgl. zur Aufgabe der Gerichte VfSlg 16.772/2002). Angesichts dessen kann der Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit jedenfalls nicht in der angefochtenen Vorschrift liegen, sodass der Antrag die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen lässt, dass er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozessvoraussetzungen hin geprüften Antrages abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

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