E2530/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen An-wendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Pro-zesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Am 24. November 2015 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) über den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, einen Festnahmeauftrag gemäß §34 Abs3 Z3 BFA-VG, nachdem dieser von Organen der Finanzpolizei auf einer Baustelle ohne Identitätsdokumente angetroffen worden war. In der Folge erließ das BFA mit Bescheid vom 25. November 2015 gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach §52 Abs1 Z2 FPG und stellte gemäß §52 Abs9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina zulässig sei. Mit Bescheid vom 26. November 2015 ordnete das BFA über den Beschwerdeführer gemäß §76 Abs1 leg.cit. iVm §57 Abs1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Mit Verfahrensanordnung vom 26. November 2015 stellte das BFA dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die "ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe […] als Rechtsberater amtswegig zur Seite".
2. Nach gegen den Bescheid des BFA vom 26. November 2015 vom Beschwerdeführer erhobener Beschwerde, in der dieser u.a. den Antrag stellt, ihm "unentgeltlich einen Verfahrenshelfer bei[zu]geben", stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2015 gemäß §22a Abs3 BFA-VG iVm §76 FPG fest, dass "zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen" (Spruchpunkt I.) und leistete dem Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht Folge (Spruchpunkt II.). Betreffend den Ausspruch, dem Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht Folge zu leisten, führte das Bundesverwaltungsgericht u.a. aus, dass die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht komme. Selbst bei Anwendbarkeit des §40 VwGVG wäre dem Antrag nicht zu entsprechen, weil die Bestellung eines Verteidigers nicht erforderlich sei, wenn der Antrag bereits von einem Bevollmächtigten gestellt worden sei (möge dieser auch kein berufsmäßiger Parteienvertreter sein).
3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art144 B VG erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte unter näherer Begründung geltend und beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
4. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es den in der Beschwerde dargelegten Ausführungen entgegentritt.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde ist begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht hätte im Rahmen des Abspruchs über den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers die mit Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 2016, G447/2015 ua., aufgehobene Wortfolge "gegen eine Rückkehrentscheidung, eine Entscheidung gemäß §2 Abs4 bis 5 oder §3 GVG-B 2005 oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung" in §52 Abs2 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 70/2015, anzuwenden gehabt (vgl. VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032).
Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass die Anwendung dieser Bestimmung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war (vgl. VfGH 9.3.2016, E1845/2015).
2. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
3. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerde-vorbringen einzugehen ist.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhand-lung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
6. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die auf-schiebende Wirkung zuzuerkennen.