JudikaturVfGH

G432/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. März 2016

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, "[…] im §358 Abs2 EO die Wortfolge 'zu den Strafzumessungsgründen' […]" als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. §3 des Gesetzes vom 27. Mai 1896, über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO), RGBl. 79/1896, lautet:

"Bewilligung der Execution.

§. 3.

(1) Zur Bewilligung der Execution auf Grund der in §§1 und 2 angeführten Executionstitel sind die Civilgerichte berufen.

(2) Die Bewilligung erfolgt auf Antrag der anspruchsberechtigten Partei (betreibender Gläubiger). Über den Antrag auf Bewilligung der Execution ist, sofern im gegenwärtigen Gesetze nicht etwas anderes angeordnet ist, ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners Beschluss zu fassen."

2. §355 und §358 Exekutionsordnung – EO, RGBl. 79/1896, idF BGBl I 37/2008, lauten (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen.

§355. (1) Die Exekution gegen den zur Unterlassung einer Handlung oder zur Duldung der Vornahme einer Handlung Verpflichteten geschieht dadurch, dass wegen eines jeden Zuwiderhandelns nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels auf Antrag vom Exekutionsgericht anlässlich der Bewilligung der Exekution eine Geldstrafe verhängt wird. Wegen eines jeden weiteren Zuwiderhandelns hat das Exekutionsgericht auf Antrag eine weitere Geldstrafe oder eine Haft bis zur Gesamtdauer eines Jahres zu verhängen. Diese sind nach Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns, unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auszumessen. In einem Beschluss, mit dem eine Geldstrafe oder eine Haft verhängt wird, sind auch die Gründe anzuführen, die für die Festsetzung der Höhe der Strafe maßgeblich sind.

(2) Auf Antrag des betreibenden Gläubigers kann dem Verpflichteten vom Executionsgerichte die Bestellung einer Sicherheit für den durch ferneres Zuwiderhandeln entstehenden Schaden aufgetragen werden. Hiebei ist die Höhe und Art der zu leistenden Sicherheit, sowie die Zeit zu bestimmen, für welche sie zu haften hat. In Ansehung der Vollstreckung dieses Beschlusses gelten die Bestimmungen des §353 Absatz 2.

[…]

§358. (1) Der betreibende Gläubiger hat den Antrag auf Bewilligung der Exekution und jeden Strafantrag zugleich dem Verpflichteten direkt zu übersenden; diese Übersendung ist auf dem dem Gericht überreichten Stück des Schriftsatzes zu vermerken. Bei unrichtigen Angaben hat das Gericht dem betreibenden Gläubiger eine mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls zu bemessende Mutwillensstrafe aufzuerlegen.

(2) Sofern nicht Gefahr im Verzug ist, hat das Gericht vor der Verhängung von Geldstrafen dem Verpflichteten Gelegenheit zu einer Äußerung zu den Strafzumessungsgründen zu geben, wenn nicht bereits eine Äußerung zu einem im Wesentlichen gleichen Antrag notorisch ist. Gegen die Höhe einer Strafe kann der Verpflichtete, falls er nicht bereits vor der Beschlussfassung einvernommen wurde, Widerspruch erheben. Auf den Widerspruch sind die §§397 f sinngemäß anzuwenden."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Auf Grund einer einstweiligen Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 15. Dezember 2014 bewilligte das Bezirksgericht Bregenz mit Beschluss vom 28. August 2015 die Exekution gegen die antragstellende Gesellschaft zur Erwirkung des Verbots, im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Republik Österreich die Bezeichnung "Coyote" oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Bar oder der Ankündigung und der Durchführung von gleichartigen Dienstleistungen kennzeichenmäßig zu verwenden. Die antragstellende Gesellschaft habe am 7. Juli 2015 – nach Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung vom 15. Dezember 2014 – durch eine im Internet veröffentlichte Einschaltung, welche auf die Internetseite "www.nachtschicht-hard.at" und auf dort geschaltete Bilder sowie die Ankündigung "coyote ugly-shows and other surprises" verweise, gegen das ihr auferlegte Unterlassungsgebot verstoßen.

1.2. Gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bregenz erhob die antragstellende Gesellschaft am 15. September 2015, am selben Tag, an dem sie auch den (Partei-)Antrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG stellte, Rekurs an das Landesgericht Feldkirch.

2. Die antragstellende Gesellschaft behauptet in ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag, in ihren Rechten wegen Anwendung des §358 Abs2 EO verletzt zu sein, weil dieser gegen Art6 EMRK verstoße.

2.1. Zur Zulässigkeit ihres Antrags bringt die antragstellende Gesellschaft insbesondere vor, dass es sich um eine in erster Instanz entschiedene Rechtssache handle und die Antragstellung gleichzeitig mit der Rekurserhebung erfolgt sei. Das Bezirksgericht Bregenz ziehe §358 Abs2 EO in der Beschlussbegründung mehrfach heran, weshalb die Bestimmung auch präjudiziell sei.

2.2. Die antragstellende Gesellschaft legt die Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"6 Normbedenken

Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluss vom 02.07.2015, G206/2015-13, aus Anlass eines Parteienantrags auf Normprüfung ein übergeordnetes amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet.

Diese Eingabe fokussiert auf das zentrale Problem, ersucht aber den Verfassungsgerichtshof, gegebenenfalls die Hintergrundproblematik im Wege einer amtswegigen Normprüfung aufzugreifen.

Die Antragstellerin verkennt nicht, dass es Fälle geben wird, in denen eine Unterlassungsexekution tatsächlich ein technischer Vorgang ist, der zu einem Exekutionsgericht gehört.

Andererseits zeigt der vorliegende Fall, dass es auch Fälle gibt, in denen der Sachverhalt für ein Exekutionsgericht zu komplex ist und daher beim Fachgericht geklärt werden müsste.

Mit anderen Worten, richtig wäre, dass jenes Gericht, das eine einstweilige Verfügung erlassen hat, im Regelfall am besten prädestiniert sein müsste, dann auch Verstöße dagegen zu beurteilen und festzustellen. Die Zuweisung einer Strafbefugnis an ein Exekutionsgericht scheint mehr als zweifelhaft.

Allenfalls könnte die Lösung darin bestehen, für handelsrechtliche Sachverhalte eine Spezialregelung zu treffen, da das Erstgericht mit der Fragestellung offenkundig überfordert war.

Die Antragstellerin regt daher an, von Amts wegen zu prüfen, ob derartige Strafverfahren überhaupt vor das Exekutionsgericht oder nicht doch vor ein Straf- oder Handelsgericht gehören. Diesfalls wären die §§355 und 358 EO wohl in toto aufzuheben.

Wenn aber andernfalls schon ein Exekutionsgericht, das mit einer Problematik nicht vertraut ist, über Verstöße gegen komplexe einstweilige Verfügungen zu entscheiden hat, dann müsste das Verfahren entsprechend qualifiziert und rechtsstaatlich sein.

Das Erstgericht entnimmt der Wortfolge 'zu den Strafzumessungsgründen' im §358 Abs2 erster Satz EO, dass die verpflichtete Partei nur zu den Strafzumessungsgründen eine Äußerung abgeben darf und nicht zum Faktum des Verstoßes an sich.

Jede andere Auslegung des §358 Abs2 EO und insbesondere der konkreten Wortfolge würde auch bedeuten, dass der Gesetzgeber eine völlig unsinnige Einschränkung im Gesetz getroffen hat, die er nicht so meinte, und das scheint der Verpflichteten doch ausgeschlossen zu argumentieren. Mit anderen Worten, der Gesetzgeber hat die Wortfolge 'zu den Strafzumessungsgründen' bewusst ins Gesetz aufgenommen, also so gewollt.

Dann sind sie aber jedenfalls verfassungswidrig, denn es gibt überhaupt keine sachliche Rechtfertigung dafür, warum nicht über den Antrag in kontradiktorischer mündlicher Verhandlung oder zumindest in kontradiktorischer Anhörung entschieden werden kann.

Artikel 6 EMRK verlangt für jede Strafe ein reguläres Verfahren, und inzwischen sind in allen sonstigen Verfahren ordentliche Rechtsmittel zu Gerichten vorgesehen, nur im Exekutionsverfahren scheint dies nicht so.

Es gibt auch keine sachlichen Gründe dafür, etwa Gründe der Beschleunigung. Das Erstgericht hat der Verpflichteten zwei Wochen Gelegenheit gegeben, sich 'zu den Strafzumessungsgründen' zu äußern.

In dieser Zeit hätte ein Verwaltungsgericht bereits zweimal über eine Schubhaft nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden gehabt, und haben 25 Jahre Spruchpraxis zur Schubhaft gezeigt, dass die Einwochenfrist problemlos einzuhalten ist.

Mit anderen Worten, der Beschleunigung des Verfahrens dient die Wortfolge 'zu den Strafzumessungsgründen' nicht, denn die schnellste Art der Erledigung in der Sache wäre eine fundierte Entscheidung über den Strafantrag selbst.

Dass es allenfalls die Möglichkeit der Impugnationsklage gegen eine Strafverhängung geben kann, mit nachfolgendem zweitinstanzlichem Verfahren und einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von ein bis zwei Jahren, zeigt die ganze Unsinnigkeit der Regelung.

Richtigerweise hat ein betreibender Gläubiger das Recht, eine schnelle Entscheidung über Verstöße gegen einstweilige Verfügungen zu bekommen, damit aber selbstverständlich auch die Pflicht, diesbezüglich ein reguläres Ermittlungsverfahren mit kontradiktorischer mündlicher Verhandlung zu akzeptieren.

Mit der Aufhebung der Wortfolge 'zu den Strafzumessungsgründen' wäre zwar noch immer keine mündliche Verhandlung gewährleistet, bei einer entsprechenden Begründung des Verfassungsgerichtshofs aus Anlass der Aufhebung der inkriminierten Wortfolge wäre diese aber dann auch vom Gesetz nicht ausgeschlossen und daher in verfassungskonformer (grundrechtskonformer) Interpretation durchzuführen, wie diese auch bei der Schubhaft inzwischen regelmäßig geschieht. Das Gericht wäre aber jedenfalls verpflichtet, vor Verhängung einer Strafe begründete Einwände gegen die Exekutionsbewilligung zu prüfen und zu berücksichtigen.

[...]"

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zu den Prozessvoraussetzungen des Antrags und zu den im Antrag erhobenen Bedenken Folgendes ausführt:

"I.

Zur Rechtslage:

[…]

2.3. §§355 Abs1 und 358 Abs1 und 2 EO gehen auf die Exekutionsordnungs-Novelle 2008 – EO-Nov. 2008, BGBl I Nr 37/2008 zurück.

Bis zur EO-Nov. 2008 sah §358 EO idF BGBl Nr 222/1929 lediglich vor, dass der Verpflichtete vor Erlassung bestimmter näher bezeichneter Entscheidungen und Verfügungen einvernommen werden kann, sofern nicht Gefahr im Verzug ist. Für die Höhe der Geldstrafe sah §355 Abs1 EO idF BGBI. I Nr 53/2000 zwar mehrere Strafzumessungsgründe, aber keine ausdrückliche Begründungspflicht vor.

Durch die EO-Nov. 2008 wurde zum einen im angefochtenen §358 Abs2 EO vorgesehen, dass dem Verpflichteten im Verfahren zur Bewilligung der Exekution Gelegenheit zur Äußerung zu den Strafzumessungsgründen eingeräumt werden muss, und zum anderen in §355 Abs1 EO eine Begründungspflicht für die Höhe einer verhängten Geldstrafe oder Haft angeordnet. In den Erläuterungen wird zu diesen Änderungen Folgendes ausgeführt (RV 295 BIgNR 23. GP, 27):

'Zu §355:

Diese Bestimmung normiert ausdrücklich eine Begründungspflicht für Beschlüsse im Rahmen der Unterlassungsexekution, mit denen eine Geldstrafe oder eine Haft verhängt wird. Nach §§63 und 78 EO iVm §428 Abs1 ZPO wären lediglich Beschlüsse über widerstreitende Anträge und Beschlüsse, durch welche ein Antrag abgewiesen wird, zu begründen. Zwar ergibt sich die Notwendigkeit einer Begründung in verfassungskonformer Interpretation aus dem Strafcharakter der Entscheidung; dies soll aber in einer jeden Zweifel ausschließenden Art klargestellt werden. Dies ist Teil des erhöhten Augenmerks, den die Frage der Strafzumessungsgründe in einem zweiten Schritt, nachdem mit der EO-Novelle 2000 in §355 ausdrücklich mehrere Strafzumessungsgründe eingefügt wurden, nun erhalten soll.'

'Zu §358:

[…]

Die mit der EO-Novelle 2000 eingeführten, explizit aufgezählten Strafzumessungsgründe hätten eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesen sowohl im Rahmen der Entscheidungsfindung als auch bei der Entscheidungsbegründung mit sich bringen sollen. Rückmeldungen aus der Praxis der Unterlassungsexekution haben gezeigt, dass neben der ausdrücklichen Normierung der Begründungspflicht auch eine Umwandlung der bislang in das pflichtgemäße Ermessen gestellten 'Kann'-Bestimmung über die Äußerung der Verpflichteten in eine 'Muss'-Bestimmung angezeigt ist. Dabei war freilich – so wie es bisher auch bei der Einräumung von Ermessen gedacht war – vorzusehen, dass gerade in den Fällen einer im Rahmen der Unterlassungsexekution nicht selten anzutreffenden täglichen Antragstellung einer Möglichkeit zur Äußerung nur für den Fall geänderter Verhältnisse bedarf. Um diese ins Verfahren einbringen zu können, wurde nach dem Vorbild der ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei erlassenen Einstweiligen Verfügung eine Widerspruchsmöglichkeit geschaffen.'

[…]

II.

Zu den Prozessvoraussetzungen:

1. Die Antragstellerin ist verpflichtete Partei in einem Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Bezirksgericht Bregenz, in dem die betreibende Partei zur Erwirkung der Unterlassung des Gebrauchs der Bezeichnung 'Coyote' durch die Antragstellerin die Bewilligung der Exekution beantragt hatte. Mit Beschluss vom 28. August 2015 hat das Bezirksgericht Bregenz die Exekution bewilligt und über die Antragstellerin eine Geldstrafe von EUR 500,-- verhängt. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Rekurs an das Landesgericht Feldkirch erhoben und aus Anlass dieses Rekurses den vorliegenden Parteiantrag auf Normenkontrolle erhoben.

2. Gemäß §62a Abs1 Z9 VfGG ist ein Parteiantrag auf Normenkontrolle im Exekutionsverfahren unzulässig. Der vorliegende Parteiantrag auf Normenkontrolle wurde in einem Zwangsversteigerungsverfahren gestellt. Der Antrag ist somit gemäß §62a Abs1 Z9 VfGG unzulässig und wäre zurückzuweisen.

3. Die Bundesregierung weist auch auf Folgendes hin:

Auf S 10 des Antrages heißt es:

'Die Antragstellerin regt daher an, von Amts wegen zu prüfen, ob derartige Strafverfahren überhaupt vor das Exekutionsgericht oder nicht doch vor ein Straf- oder Handelsgericht gehören. Diesfalls wären die §§355 und 358 EO wohl in toto aufzuheben.'

Bei dieser Anregung handelt es sich aber nicht um einen Antrag iSd. §15 VfGG, sodass sich ein Eingehen darauf schon aus diesem Grund erübrigt.

Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass sich die Zuständigkeit zur Exekutionsbewilligung und – mangels ausdrücklicher Zuständigkeitsanordnung in §355 Abs1 EO – auch jene zur Verhängung von Geldstrafen im Rahmen der Duldungs- und Unterlassungsexekution nicht aus den genannten Bestimmungen, sondern aus §3 Abs1 EO ergibt. Die Zuständigkeit der Exekutionsgerichte erstreckt sich neben der Bewilligung der Exekution und der Verhängung von Geldstrafen auch auf weitaus komplexere Verfahren, wie etwa die in der Exekutionsordnung vorgesehene lmpugnations-, Aussonderungs- oder Oppositionsverfahren. Die Bundesregierung kann daher die Behauptung, dass die Zuweisung einer 'Strafbefugnis' das Exekutionsgericht 'überfordern' würde (Antrag S 10), nicht nachvollziehen.

III.

In der Sache:

Vorbemerkung:

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

1. Die Antragstellerin behauptet, dass es keine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, dass 'über den Antrag' – gemeint ist wohl der Exekutionsantrag der betreibenden Partei – 'nicht in kontradiktorischer mündlicher Verhandlung oder zumindest nach kontradiktorischer Anhörung' entschieden werden könne, obwohl Art6 EMRK 'für jede Strafe ein reguläres Verfahren' verlange (Antrag S 10 f).

2. Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist Art6 EMRK auf das Verfahren zur Bewilligung einer Duldungs- oder Unterlassungsexekution nicht anwendbar, weil es sich dabei weder um eine Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen noch um eine solche über eine strafrechtliche Anklage handelt:

Geldstrafen im Rahmen einer Unterlassungsexekution sind auf die Durchsetzung eines rechtlich gebotenen Handelns gerichtet und daher keine Strafen im Sinn des Art6 Abs1 EMRK (VfGH 7.10.2015, G224/2015 ua; Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 , §24 Rz 19 mwH). Im Verfahren zur Bewilligung der Exekution wird auch nicht über strittige zivilrechtliche Ansprüche entschieden. Dieses Verfahren dient nicht der Entscheidung über den Grund und die Höhe einer Forderung, sondern deren faktischer Durchsetzung (s. Unzulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 9. Februar 2006, Freilinger gegen Österreich , Appl. 4533/02, mwN).

3. Selbst wenn man aber von einer Anwendbarkeit des Art6 EMRK ausginge, läge kein Verstoß gegen diese Bestimmung vor:

3.1. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art6 EMRK umfasst nach ständiger Rechtsprechung des EGMR auch einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Betroffene muss seinen Standpunkt entweder persönlich oder angemessen vertreten darlegen können. Jeder Partei muss ausreichend Gelegenheit eingeräumt werden, ihren Fall vorzutragen (ao. Grabenwarter/Pabel , §24, Rz. 64).

3.2. Das Verfahren zur Bewilligung der (Unterlassungs)-Exekution ist ein einseitiges Verfahren. Es dient der raschen faktischen Durchsetzung eines bereits im Erkenntnisverfahren festgestellten Anspruchs. Im Rahmen dieses Eilverfahrens ist daher über den Antrag auf Bewilligung der Exekution grundsätzlich ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung der verpflichteten Partei Beschluss zu fassen (§3 Abs2 EO). Allerdings stehen dem Verpflichteten mit der Oppositionsklage und der Impugnationsklage Rechtsbehelfe gegen die Exekutionsbewilligung offen, die ihm die Möglichkeit eröffnen, in einem dem Art6 EMRK entsprechenden Verfahren seinen Standpunkt – auch in einer mündlichen Verhandlung – persönlich und in angemessener Weise vorzubringen. Gegen die Höhe einer gemäß §355 AbsEO verhängten Geldstrafe kann der Verpflichtete, falls er nicht ohnedies vor der Beschlussfassung über diese Strafe einvernommen wurde, Widerspruch erheben (§358 Abs2 EO). Auf Grund eines solchen Widerspruchs ist über die Statthaftigkeit und Angemessenheit der Strafhöhe mündlich zu verhandeln (§398 Abs1 EO).

3.3. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass bei einer gesamthaften Betrachtung des Exekutionsverfahrens sowohl das Verfahren zur Exekutionsbewilligung als auch jenes zur Verhängung von Strafen im Rahmen der Duldungs- und Unterlassungsexekution den Anforderungen des Art6 EMRK – sofern dieser überhaupt anwendbar ist – entspricht.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §358 Abs2 EO nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist.

[...]"

4. Der Antragsgegner im Gerichtsverfahren erstattete als beteiligte Partei im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine Äußerung, in der er – wie die Bundesregierung – auf die Unzulässigkeit eines Parteiantrags auf Normenkontrolle im Exekutionsverfahren gemäß §62a Abs1 Z9 VfGG abstellt.

5. Die antragstellende Gesellschaft replizierte auf die Äußerung der Bundesregierung, in der sie anregt, §62a Abs1 Z9 VfGG wegen Verfassungswidrigkeit zu prüfen.

IV. Erwägungen

1. Dem mit BGBl I 114/2013 in das B VG eingefügten, mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Art140 Abs1 Z1 litd B VG zufolge erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".

2. Gemäß §62a Abs1 Z9 VfGG ist die Stellung eines auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten (Partei-)Antrages auf Aufhebung von Gesetzen wegen Verfassungswidrigkeit "im Exekutionsverfahren" unzulässig.

3. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlass der Anträge G162-163/2015 und G287-288/2015 mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "im Exekutionsverfahren und" in §62a Abs1 Z9 VfGG idF BGBl I 92/2014 ein.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G537-538/2015, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass diese Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

4. Die angefochtene Bestimmung des §358 EO betrifft das "Exekutionsverfahren" iSd Ausnahmetatbestands gemäß §62a Abs1 Z9 VfGG, weswegen der auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützte Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung unzulässig ist.

5. Da der Antrag bereits aus diesem Grund unzulässig ist, ist das Vorliegen weiterer Prozesshindernisse nicht zu prüfen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise