JudikaturVfGH

E2091/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
01. März 2016

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin im Ortsteil Fürnitz der Marktgemeinde Finkenstein und verfügt über eine Vertragsstelle im Sinne von §342 Abs1 ASVG. Insgesamt befinden sich in der Marktgemeinde Finkenstein vier von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzte Vertragsstellen gemäß §342 Abs1 ASVG ("Mehr-Kassenvertragsarzt-Gemeinde").

Der Landeshauptmann von Kärnten hatte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 23. August 1989 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erteilt.

2. Mit Bescheid vom 29. Juli 2011 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Villach der beteiligten Partei die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke im Standort "Ortsteil Fürnitz". Die dagegen unter anderem vom Beschwerdeführer erhobenen Berufungen wies der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten mit Bescheid vom 29. November 2012 ab.

3. Mit Schriftsatz vom 23. September 2013 stellte die beteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Villach den Antrag, die dem Beschwerdeführer erteilte Bewilligung zum Betrieb einer ärztlichen Hausapotheke zum Stichtag 5. Dezember 2015 zurückzunehmen. Am 11. August 2014 nahm die öffentliche Apotheke den Betrieb auf.

4. Nach Durchführung weiterer Verfahrensschritte entzog die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land mit Bescheid vom 14. Oktober 2014 dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke und verfügte die Einstellung des Betriebs der ärztlichen Hausapotheke bis zum 5. Dezember 2015.

5. Die dagegen erhobene Beschwerde, die der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Verfassungswidrigkeit des §62a Abs1 Apothekengesetz begründete, wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis ab.

5.1. Die Voraussetzungen für die Zurücknahme einer Hausapotheke im Sinne des §29 Abs3 Apothekengesetz lägen vor. Die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Beschwerdeführers und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke betrage je nach Routenwahl zwischen 1,4 und 2 Straßenkilometer. Die ärztliche Hausapotheke befinde sich weder in einer Gemeinde gemäß §10 Abs2 Z1 Apothekengesetz noch in einer Gemeinde gemäß §10 Abs3 Apothekengesetz: Bereits zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Erteilung der Konzession für die neu zu errichtende öffentliche Apotheke seien in der Marktgemeinde Finkenstein vier Vertragsstellen gemäß §342 Abs1 ASVG von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt gewesen; dies sei noch immer der Fall.

5.2. §62a Apothekengesetz, dessen Verfassungswidrigkeit der Beschwerdeführer behaupte, sei nicht präjudiziell. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hätte sich die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ausschließlich auf §29 Apothekengesetz zu stützen.

6. In seiner dagegen gemäß Art144 B VG erhobenen Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung.

6.1. Begründend führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, §62a Apothekengesetz kreiere ein verfassungswidriges Übergangssystem im Bereich der Rücknahme von Hausapothekenkonzessionen, weil Inhaber von Hausapotheken in "Zwei-Arzt-Gemeinden" ohne ersichtlichen Grund besser gestellt wären als Inhaber von Hausapotheken in "Mehr-Arzt-Gemeinden". So seien Hausapothekenkonzessionen in "Zwei-Arzt-Gemeinden" gemäß §62a Abs1 Apothekengesetz unter näher genannten Voraussetzungen erst zum Jahresende 2018 bzw. mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Inhabers zurückzunehmen, während Hausapothekenkonzessionen in "Mehr-Arzt-Gemeinden" gemäß §29 Abs4 Apothekengesetz jedenfalls so zurückzunehmen seien, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolge, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt worden sei, wenn die öffentliche Apotheke bereits in Betrieb genommen worden sei. Eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

6.2. "Zuzugestehen" sei, dass §62a Abs1 Apothekengesetz "gegenständlich nicht anwendbar" sei. Da durch die allfällige Aufhebung des §62a Abs1 Apothekengesetz nicht erreicht werden könne, dass auch der Beschwerdeführer in den Genuss der längeren Übergangsfrist komme, "wäre wohl die Grundnorm aufzuheben".

7. Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und das Landesverwaltungsgericht Kärnten legten die Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vor und sahen jeweils von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

8. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde sowie Kostenersatz beantragt.

8.1. §62a Abs1 Apothekengesetz sei, wie der Beschwerdeführer selbst zugestanden habe, nicht anwendbar.

8.2. Auch eine Gleichheitswidrigkeit des §29 Abs4 Apothekengesetz sei nicht ersichtlich, weil diese Bestimmung keine Differenzierung vornehme, sondern eine einheitliche Frist von drei Jahren für die Rücknahme der Hausapothekenkonzession vorsehe. §29 Abs4 Apothekengesetz schaffe einen zufriedenstellenden Ausgleich zwischen den Interessen der hausapothekenführenden Ärzte und den Inhabern öffentlicher Apotheken.

8.3. Das "zeitlich längere Übergangssystem" des §62a Abs1 Apothekengesetz gewähre eine angemessene Umstellungsfrist auf die letztlich zur Anwendung kommende Dreijahresfrist des §29 Abs4 Apothekengesetz. Bei Gemeinden, in denen sich nur zwei Kassenvertragsärzte befänden, berücksichtige der Gesetzgeber, dass solche Gemeinden im Bereich der Gesundheitsversorgung strukturell besonders versorgungsschwach seien, und gehe davon aus, dass in "Zwei-Arzt-Gemeinden" eine engere Beziehung der Wohnbevölkerung zu den zwei örtlichen Ärzten bestehe. Daher erlaube §62a Abs1 Apothekengesetz eine längere Adaptionsphase. Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, für einen Übergangszeitraum ein derartiges "gemischtes System" vorzusehen.

8.4. Der Gesetzgeber habe die Arzneimittelversorgung primär den öffentlichen Apotheken übertragen. Die ärztlichen Hausapotheken würden lediglich unterstützend tätig ("Surrogatfunktion"). Dies diene auch der Patientensicherheit ("Vier-Augen-Prinzip").

II. Rechtslage

1. §10, §29 Abs3 und 4 und §62a Abs1 Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, idF BGBl I 80/2013, lauten:

"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung

§10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

(3) Ein Bedarf gemäß Abs2 Z1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke

1. eine ärztliche Hausapotheke und

2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, die versorgungswirksam höchstens eineinhalb besetzten Vertragsstellen nach Abs2 Z1 entspricht und in der Gemeinde keine weitere Vertragsstelle nach §342 Abs1 ASVG von einem Arzt für Allgemeinmedizin besetzt ist.

(3a) – (8) [...]

[...]

Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.

§29. (1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen, wenn

1. dieser in einem dem §342 Abs1 entsprechenden Vertragsverhältnis steht, oder als Arzt für Allgemeinmedizin an einer Gruppenpraxis, die in einem Vertragsverhältnis nach §342 Abs1 ASVG steht, beteiligt ist,

2. sich in der Gemeinde, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet, und

3. der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.

In einem Zeitraum, während dessen ein Gesamtvertrag gemäß §341 ASVG nicht besteht, findet Z1 keine Anwendung.

(2) Verlegt ein Arzt für Allgemeinmedizin seinen Berufssitz in eine andere Gemeinde, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.

(3) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist nach Maßgabe des Abs4 bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn

1. die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, und

2. sich die ärztliche Hausapotheke weder in einer Gemeinde gemäß §10 Abs2 Z1 noch in einer Gemeinde gemäß §10 Abs3 befindet.

(4) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen.

(5) – (8) [...]

[...]

§62a. (1) Wurde nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 41/2006, jedoch vor dem 1. Jänner 2016 eine Konzession einer öffentlichen Apotheke für eine Betriebsstätte erteilt, in deren Gemeinde zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß §9 zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren, so ist – sofern die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke am 29. März 2006 bereits rechtskräftig erteilt war – abweichend von §29 Abs3 und 4 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hat, spätestens jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2018 zurückzunehmen.

(2) – (6) [...]"

2. §62a Abs1 Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, idF BGBl I 41/2006, lautete:

"§62a. (1) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 41/2006 für eine Betriebsstätte erteilt, in deren Gemeinde zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß §9 zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren, so ist abweichend von §29 Abs3 und 4 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dann zurückzunehmen, wenn der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hat, sofern die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtskräftig erteilt war. Die Frist für die Zurücknahme und die Einstellung des Betriebes der ärztlichen Hausapotheke darf dabei insgesamt jedoch zehn Jahre ab Rechtskraft der Konzession nicht übersteigen."

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

Beim Verfassungsgerichtshof sind aus Anlass des Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften entstanden:

1. Der Beschwerdeführer behauptet im Wesentlichen, es sei unsachlich, dass für die Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in einer sogenannten "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinde" (das heißt in einer Gemeinde, in der zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß §9 Apothekengesetz zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren) eine längere Behaltefrist zu Gunsten des hausapothekenführenden Arztes vorgesehen ist als in einer so genannten "Mehr-Kassenvertragsarzt-Gemeinde".

2. Gemäß §62a Abs1 Apothekengesetz idF BGBl I 41/2006 war unter näher genannten Voraussetzungen die Bewilligung zur Haltung einer bestehenden ärztlichen Hausapotheke bei Erteilung einer Konzession für eine öffentliche Apotheke in "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden" zurückzunehmen, wenn der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hatte; die Frist für die Zurücknahme und die Einstellung des Betriebes der ärztlichen Hausapotheke durfte dabei insgesamt zehn Jahre ab Rechtskraft der Konzession nicht übersteigen.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis VfSlg 19.667/2012 die genannte Bestimmung des §62a Abs1 Apothekengesetz idF BGBl I 41/2006 wegen Verletzung des Gleichheitssatzes auf: Zum einen erachtete es der Verfassungsgerichtshof als unsachlich, dass diese Bestimmung in "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden" – anders als im Regelfall nach §29 Abs3 und 4 Apothekengesetz – einen bis zu zehn Jahre dauernden Weiterbetrieb einer ärztlichen Hausapotheke neben einer bereits eröffneten öffentlichen Apotheke ermöglichte. Zum anderen qualifizierte der Verfassungsgerichtshof die Übergangsfrist als überschießend lang, weil §62a Abs1 Apothekengesetz idF BGBl I 41/2006 erst mit dem Erlöschen der letzten, vor der Novelle BGBl I 41/2006 erteilten Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke auslaufe. §62a Abs1 Apothekengesetz gewährleiste daher für hausapothekenführende Ärzte in "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden" weit mehr als für eine Übergangsbestimmung zum Zweck eines (möglicherweise notwendigen) geordneten Übergangs angemessen sei.

Die unterschiedliche Behandlung von "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden" gegenüber "Mehr-Kassenvertragsarzt-Gemeinden" in Bezug auf die Behaltefrist von ärztlichen Hausapotheken erachtete der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.667/2012 der Sache nach nicht als unsachlich.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte im Erkenntnis VfSlg 19.667/2012 näher dar, dass der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken in der Vergangenheit unterschiedlich geregelt hat.

Im Erkenntnis VfSlg 15.103/1998 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass nach der Konzeption des Apothekengesetzes in der damals geltenden Fassung die Heilmittelversorgung der Bevölkerung primär Aufgabe der öffentlichen Apotheken sei, die ärztliche Hausapotheke hingegen eine "Surrogatfunktion" für die Fälle habe, in denen eine öffentliche Apotheke nicht vorhanden ist. Nach der damals geltenden Rechtslage hatte die Errichtung neuer öffentlicher Apotheken automatisch die Schließung von ärztlichen Hausapotheken im Umfeld der neu errichteten öffentlichen Apotheke zur Folge (§29 Abs4 Apothekengesetz idF BGBl 502/1984).

Durch die Novelle BGBl I 16/2001, mit der die §§10, 28 und 29 Apothekengesetz geändert wurden, veränderte sich das Verhältnis zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken insofern, als der Bedarf an der Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke für den Fall ausgeschlossen wurde, dass sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte bereits eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt. Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke war gemäß §29 Abs4 Apothekengesetz idF BGBl I 16/2001 bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschritt und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des §10 Apothekengesetz idF BGBl I 16/2001 von zumindest 5.500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde.

Diese Regelung betreffend ein Mindestversorgungspotential von 5.500 Personen hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg 17.682/2005 als verfassungswidrig auf, weil das Abstellen auf ein Mindestversorgungspotential aus den im Erkenntnis VfSlg 15.103/1998 dargelegten Gründen verfassungswidrig war.

Nach der durch das Erkenntnis VfSlg 17.682/2005 bewirkten Aufhebung mehrerer Bestimmungen des Apothekengesetzes regelte der Gesetzgeber in der Novelle BGBl I 41/2006 das Verhältnis zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken neu: Die Konzession für eine öffentliche Apotheke darf nun nicht mehr erteilt werden, wenn "sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind" (§10 Abs2 Z1 Apothekengesetz; vgl. weiters §10 Abs3 Apothekengesetz, der die entsprechende Regelung für Vertragsgruppenpraxen festlegt). Komplementär bestimmt §29 Abs1 Apothekengesetz, dass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen ist, wenn "1. dieser in einem dem §342 Abs1 [ASVG] entsprechenden Vertragsverhältnis steht, oder als Arzt für Allgemeinmedizin an einer Gruppenpraxis, die in einem Vertragsverhältnis nach §342 Abs1 ASVG steht, beteiligt ist, 2. sich in der Gemeinde, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet, und 3. der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist".

Lediglich in diesem (Sonder-)Fall hat der Gesetzgeber den Vorrang von ärztlichen Hausapotheken gegenüber einer öffentlichen Apotheke vorgesehen. Dies wird in den Materialien (AA-202, 22. GP, 5) einerseits mit der Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Landbevölkerung und andererseits damit begründet, dass ärztliche Ordinationen in diesen Regionen oft nur in Verbindung mit einer ärztlichen Hausapotheke wirtschaftlich tragfähig sind.

Gemäß §29 Abs3 Apothekengesetz ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zurückzunehmen, "wenn 1. die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, und 2. sich die ärztliche Hausapotheke weder in einer Gemeinde gemäß §10 Abs2 Z1 noch in einer Gemeinde gemäß §10 Abs3 befindet". Daran knüpfend regelt §29 Abs4 Apothekengesetz, mit welcher zeitlichen Wirkung die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke auszusprechen ist. Die über Antrag des Inhabers der neu errichteten öffentlichen Apotheke auszusprechende Zurücknahme der Bewilligung für die ärztliche Hausapotheke hat spätestens drei Jahre nach Rechtskraft des Konzessionsbescheids für die neue öffentliche Apotheke zu erfolgen; wird die öffentliche Apotheke erst nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebs zum selben Zeitpunkt erfolgen.

Der Vorrang der ärztlichen Hausapotheke gegenüber der öffentlichen Apotheke gilt somit (nur) für sogenannte "Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden". In einer Gemeinde, in der entweder zwei oder mehrere Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind (vgl. auch die entsprechende Bestimmung in §10 Abs3 Apothekengesetz für eine Vertragsgruppenpraxis), kann eine Konzession für eine öffentliche Apotheke auch dann erteilt werden, wenn es dort bereits Hausapothekenbewilligungen gibt.

4. Die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union, wonach bei der Bedarfsprüfung für die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke die "starre Grenze" in §10 Abs2 Z3 Apothekengesetz von 5.500 weiterhin zu versorgenden Personen der Niederlassungsfreiheit entgegensteht (EuGH 13.2.2014, Rs. C 367/12, Sokoll-Seebacher ), hat keine direkte Auswirkung auf die Rücknahme von ärztlichen Hausapotheken bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke, weil es gemäß §29 Abs3 Apothekengesetz in der geltenden Fassung auf das Kriterium einer bestimmten Anzahl an "weiterhin zu versorgenden Personen" nicht ankommt.

5. Der Verfassungsgerichtshof verkennt aber nicht, dass das genannte Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union dazu führen kann, dass für mehr öffentliche Apotheken (insbesondere im ländlichen Bereich) Konzessionen erteilt werden und damit einhergehend vermehrt Bewilligungen für Hausapotheken zurückzunehmen sind. Damit wird allerdings keine Verfassungswidrigkeit des §29 Abs3 und 4 Apothekengesetz bewirkt. Es liegt innerhalb des rechtspolitischen Spielraums des Gesetzgebers, wie er die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit Arzneispezialitäten regelt. Es ist nicht erkennbar, dass durch die (möglicherweise) vermehrte Zurücknahme von Bewilligungen für Hausapotheken auf Grund der Erteilung zusätzlicher Konzessionen für öffentliche Apotheken in einer dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechenden Weise in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte der hausapothekenführenden Ärzte eingegriffen wird.

6. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof im Beschwerdefall mangels Präjudizialität des §62a Apothekengesetz nicht zu beurteilen, ob diese Bestimmung in sich sachlich ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von der Regelung der Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in §29 Abs3 und 4 Apothekengesetz abweichende Übergangsregelung für "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden":

Es liegt im Wesen von Übergangsvorschriften, dass sie bestimmte Fälle aus der alten in die neue Rechtslage überführen, um Auswirkungen der neuen Rechtslage abzumildern (VfSlg 19.745/2013). Vor dem Hintergrund des mit der Novelle BGBl I 41/2006 erfolgten Systemwechsels, auf Grund dessen – anders als nach der früheren Rechtslage – das Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke von zumindest 5.500 Personen nicht mehr Voraussetzung für die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke ist, liegt es im Ermessensspielraum des Gesetzgebers, für die Zurücknahme von Bewilligungen zur Haltung von Hausapotheken (nur) in "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden" eine zeitlich begrenzte Übergangsbestimmung vorzusehen.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2. Dabei ist nicht zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, weil er eine derartige Rechtsverletzung nicht behauptete (vgI. VfSlg 9447/1982, 14.299/1995; VfGH 7.10.2015, E1055/2015 ua.).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Dem Antrag der beteiligten Partei auf Kostenersatz ist nicht stattzugeben, weil es sich bei dem von ihr eingebrachten Schriftsatz, mit dem sie von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Äußerung Gebrauch gemacht hat, nicht um einen abverlangten Schriftsatz handelt (VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000, 16.463/2002) und die von ihr erstattete Äußerung nichts zur Rechtsfindung beigetragen hat (zB VfSlg 14.214/1995, 15.916/2000, 18.315/2007, 19.016/2010).

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