JudikaturVfGH

E615/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2016

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 16. August 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12. November 2014 wurde sein Antrag gemäß §5 Abs1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn gemäß Art18 Abs1 litb Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie die Außerlandesbringung gemäß §61 Abs1 FPG angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn gemäß §61 Abs2 FPG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17. November 2014 rechtswirksam zugestellt. Am 28. November 2014 erhob dieser Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 30. Jänner 2015 unter Berufung auf §22 Abs12 AsylG 2005 als verspätet zurück.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), auf eine wirksame Beschwerde (Art13 EMRK) und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG BGBl 390/1973) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, konkret des §22 Abs12 AsylG 2005, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §22 Abs12 AsylG 2005 idF BGBl I 68/2013 ein. Mit Erkenntnis vom 23. Februar 2016, G574/2015, hob er diese Bestimmung als verfassungswidrig auf.

3. Die Beschwerde ist begründet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Der Beschluss ist daher aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

6. Die geltend gemachten Barauslagen und Fahrtkosten gemäß §393 Abs2 StPO bzw. §64 Abs1 Z1 litf ZPO sind nicht zuzuerkennen, da die verzeichneten Barauslagen (€ 13,37 für Aktkopien) im zugesprochenen Kostenbetrag enthalten sind (vgl. VfSlg 14.422/1996, 19.041/2010).

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