G676/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG begehrt die Antragstellerin, §15 Abs4 litc des Gesetzes vom 6. Juli 1976 zur Regelung bestimmter polizeilicher Angelegenheiten, LGBl 60 idF LGBl 1/2014, (im Folgenden: Tir. Landes-PolizeiG) als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Begründung ihrer Antragslegitimation bringt die Antragstellerin, die in Kitzbühel ein Bordell betreiben will, vor, dass §15 Abs4 litc Tir. Landes-PolizeiG der Bewilligung für den Betrieb entgegenstehe, da er eine – nach Ansicht der Antragstellerin verfassungswidrige – Bedarfsprüfung vorsehe und die Antragstellerin unmittelbar in ihren Rechten verletze. Ihr stehe kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, da die Anstrengung eines Bewilligungsverfahrens hohe Kosten verursache, zeitintensiv sei und "jetzt schon klar ist, dass die Bewilligung über die zuständige Behörde nicht zu erlangen ist". Die Antragstellerin habe bereits 2000 einen Antrag auf Bewilligung eines Bordells gestellt, der 2014 negativ entschieden worden sei. In diesem Verfahren habe sie unter hohem Aufwand versucht, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen des §15 Abs4 litc Tir. Landes-PolizeiG vorlägen.
II. Erwägungen
Der Antrag ist unzulässig.
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
2. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann gegeben, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsgerichtliches Verfahren bereits anhängig ist oder war, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet bzw. bot, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen bzw. nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens selbst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Nur bei Vorliegen "besonderer, außergewöhnlicher Umstände" erweist sich ein Individualantrag in solchen Fällen als zulässig (vgl. VfSlg 15.786/2000 und 16.772/2002, jeweils mwN).
3. Wie die Antragstellerin selbst anführt, hat sie bereits ein Bewilligungsverfahren nach §15 Tir. Landes-PolizeiG geführt; ihr stand somit der Verwaltungsrechtsweg offen, auf dem sie die Möglichkeit gehabt hätte, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes zu erheben (vgl. auch VfGH 22.9.2014, B307/2014, G7/2014). Auch sind für den Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall keine "besonderen, außergewöhnlichen Umstände" ersichtlich, die den Individualantrag dennoch zulässig machen würden.
Somit stand der Antragstellerin ein zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken gegen §15 Abs4 litc Tir. Landes-PolizeiG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
III. Ergebnis
Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung getroffen werden.