JudikaturVfGH

E2567/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 2016

Spruch

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B VG, Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), auf wirksame Beschwerde (Art13 EMRK) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Bauverfahren die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten eingewendet und damit Parteistellung erlangt haben, insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschrift des §6 NÖ BauO 1996 idF LGBl 8200-23 behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. zur fehlenden verfassungsrechtlichen Garantie einer Parteistellung etwa VfSlg 15.123/1998; 15.274/1998; 16.103/2001 sowie VfSlg 14.786/1997, wonach aus Art6 EMRK keine Verpflichtung zur Einräumung der Parteistellung ableitbar ist). Es gewährleistet nämlich keine Verfassungsbestimmung Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang. Vielmehr wird der Umfang der Parteirechte in einem Verwaltungsverfahren vom einfachen Gesetzgeber bestimmt. Ein Verstoß des §6 NÖ BauO 1996 idF LGBl 8200-23 gegen das Gleichheitsgebot wird seitens der Beschwerdeführer zwar behauptet, aber nicht ausreichend begründet. Es sind auch beim Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Falls keine Bedenken gegen §6 NÖ BauO 1996 entstanden.

Die Beschwerdeführer behaupten auch die Verletzung von "verfassungsgesetzlich gewährleisteten [...] gleichzuhaltenden Rechten aus der Europäischen Grundrechtecharta", nämlich der Art17 (Eigentumsrecht), Art20 (Gleichheit vor dem Gesetz) und Art47 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) GRC. Aufgrund der Tatsache, dass durch die NÖ BauO 1996 zahlreiche Richtlinien der Europäischen Union umgesetzt worden seien (vgl. §76a leg.cit.), liege ein hinreichender unionsrechtlicher Anknüpfungspunkt vor. Die Beschwerdeführer übersehen aber dabei, dass die vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich als Grundlage ihrer Entscheidung herangezogene Bestimmung des §6 NÖ BauO 1996 nicht die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt und auch außerhalb der Regelungszuständigkeit der Europäischen Union liegt, sodass kein hinreichender Zusammenhang zum Unionsrecht besteht, der eine Anwendung der GRC zu begründen vermag (VfSlg 19.865/2014; VfGH 3.3.2015, G107/2013; EuGH, 6.3.2014, Rs. C 206/13, Siragusa , Rz 24 ff.).

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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