JudikaturVfGH

E1457/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 2015

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, stellte am 22. Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ausweislich einer Eurodac-Registerauskunft wurde er am 12. Jänner 2015 in Griechenland sowie am 20. Februar 2015 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt.

Am 3. März 2015 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art21 der Verordnung (EU) Nr 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), gestütztes Ersuchen auf Wiederaufnahme des Beschwerdeführers an Ungarn. Mit Schreiben vom 16. März 2015 erklärten sich die ungarischen Behörden zur Wiederaufnahme bereit.

1.2. Mit Bescheid vom 21. April 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz – ohne in die Sache einzutreten – gemäß §5 Abs1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013 (im Folgenden: AsylG 2005), als unzulässig zurück, weil gemäß Art18 Abs1 litb Dublin III-VO Ungarn für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Gleichzeitig ordnete es die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß §61 Abs1 FPG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013 (im Folgenden: FPG), an und erklärte gemäß Abs2 leg.cit. seine Abschiebung nach Ungarn für zulässig.

2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26. Mai 2015 "gemäß §5 AsylG 2005 und §61 FPG als unbegründet" ab. Diese Entscheidung begründete das Bundesverwaltungsgericht insbesondere damit, dass nach den vorliegenden Länderberichten Indizien für systematische Verletzungen von Rechten der Europäischen Menschenrechtskonvention in Ungarn nicht vorlägen.

3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, gemäß Art144 B VG erhobene Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art3 EMRK und Art47 GRC behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, dass eine Abschiebung nach Ungarn durch die "geschilderten persönlichen Erlebnisse im Lager in Ungarn und die evidente Gefahr bzw. Bedrohung durch das Schlepperunwesen" eine Verletzung von Art3 EMRK bedeute; es habe diesbezüglich auch keine Einzelfallprüfung stattgefunden. In Ungarn habe der Beschwerdeführer "weder eine Unterkunft noch irgendeine humanitäre Versorgung erhalten". Überdies habe das Bundesverwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

4. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte die Verfahrensakten und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Erwägungen

1. Die vorliegende Beschwerdesache entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2015, E1363/2015, zugrunde liegenden Beschwerde, die sich gegen eine gleichlautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wendet.

2. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, insbesondere auf Rz 17 f. der Entscheidungsgründe seines zu E1363/2015 am 24. November 2015 gefällten – der vorliegenden Entscheidung in anonymisierter Fassung beigelegten – Erkenntnisses hinzuweisen. Daraus ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung im Mai 2015 jedenfalls das aktuellste, die jüngsten Entwicklungen berücksichtigende Berichtsmaterial zur Lage für Asylwerber in Ungarn heranziehen und würdigen hätte müssen. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, belastete das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung mit Willkür.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Das angefochtene Erkenntnis ist daher bereits aus diesem Grund aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

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