JudikaturVfGH

E253/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2015

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

1.1. Mit Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung, Agrarbehörde Kärnten, Dienststelle Villach, vom 3. März 2014 wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Streitentscheidung dahingehend, dass die jeweils unter Tagesordnungspunkt 2. der Vollversammlung der Agrargemeinschaft Oberdraßnitzer Koflachalpe vom 10. Februar 2014 (Beschluss über die von einer bestimmten Rechtsanwaltskanzlei ausgearbeiteten Unterlagen bezüglich der Jagdverpachtung) und vom 3. Dezember 2013 (Beschluss über die Annahme des Kostenangebotes einer bestimmten Rechtsanwaltskanzlei für die Begleitung zur Jagdverpachtung) gefassten Beschlüsse behoben werden, als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkte 1a. und 2a.). Seine Aufsichtsbeschwerden auf Aufhebung derselben Beschlüsse wurden unter den Spruchpunkten 1b. und 2b. des erstinstanzlichen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Schließlich wurde unter Spruchpunkt 3. dieses Bescheides die Beschwerde des Einschreiters gegen den Tagesordnungspunkt 2. der Vollversammlung der genannten Agrargemeinschaft vom 30. August 2013 (Beschluss über die Einholung eines Kostenvoranschlages einer bestimmten Rechtsanwaltskanzlei zur Durchführung der Jagdverpachtung) als unbegründet abgewiesen.

1.2. Mit Erkenntnis vom 6. November 2014 wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in einem näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. September 2015, G176/2015, G180/2015, §93 Abs2a und die Wortfolge "nach Maßgabe des Abs2a" in §93 Abs2 litd des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 – K-FLG, LGBl 64 idF LGBl 60/2013, sowie die Wortfolge "und des ArtI Z11 (§93 Abs2a)" in ArtII Abs2 des Gesetzes vom 19. Juli 2013, mit dem das Flurverfassungs-Landesgesetz 1979 geändert wird, LGBl 60/2013, als verfassungswidrig aufgehoben.

2.2. Gemäß Art140 Abs7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg 10.616/1985, 11.711/1988). Im Fall einer Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, der ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 2.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg 17.687/2005).

2.3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 24. September 2015, der dem unter Pkt. 2.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegende Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes wurde am 13. April 2015 bekannt gemacht. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 27. Juni 2014 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der Beschwerdeführer hat die das Verwaltungsverfahren einleitenden Anträge am 17. Februar 2014 und am 11. Dezember 2013 gestellt, sodass sie vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 2.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sind. Der zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Das Landesverwaltungsgericht Kärnten wendete bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses eine als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offensichtlich, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Rückverweise