JudikaturVfGH

KI2/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
18. September 2015

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (in der Folge: Magistrat) vom 18. April 2005 wurde der "Jugoslawischen Flussschifffahrt" gemäß §31 Abs3 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl 215, in der damals geltenden Fassung der Auftrag erteilt, die Verunreinigung der Gewässersohle mit Rückstandsheizöl (Heizöl schwer) in einem näher genannten Bereich der Neuen Donau zu entfernen. Die dagegen von der antragstellenden Gesellschaft erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 2005 als unbegründet abgewiesen.

Die antragstellende Gesellschaft erhob dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Diese wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2010, 2008/07/0081, 0082, mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Rechtssubjekt mit dem Namen "Jugoslawische Flussschifffahrt" nach österreichischem Recht nicht existiere. Die antragstellende Gesellschaft, eine nach eigener Bezeichnung nach serbischem Recht bestehende Aktiengesellschaft, werde dadurch nicht zur Durchführung des wasserpolizeilichen Auftrages verpflichtet.

2. Am 21. Juni 2005 ordnete der Magistrat im Zuge einer Amtshandlung vor Ort die Beseitigung der Verunreinigung unmittelbar an. Der anwesende Vertreter der "Jugoslawischen Flussschifffahrt" erklärte, sich nicht als Verursacher zu sehen und daher auch nicht bereit zu sein, irgendwelche Maßnahmen zur Sanierung zu ergreifen. Schon in der Niederschrift der Amtshandlung ist daher festgehalten, dass die notwendigen Arbeiten von der Behörde schnellstmöglich angeordnet werden. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (in der Folge: UVS) vom 22. Mai 2009 wurde die gegen diese Anordnung von der antragstellenden Gesellschaft erhobene Maßnahmebeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich im Hinblick auf den Berufungsbescheid vom 4. August 2005 nicht um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, 2009/07/0110, mit Verweis auf die von ihm im Erkenntnis vom 16. Juli 2010 vertretene Rechtsauffassung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Da der Berufungsbescheid vom 4. August 2005 ins Leere gegangen sei, könne von einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gegenüber der antragstellenden Gesellschaft keine Rede sein. Im Übrigen würde sich der Inhalt der Anordnung vom 21. Juni 2005 von jenem des Bescheides vom 4. August 2005 unterscheiden, weil in der Anordnung ein höherer Sanierungszielwert an Gesamtkohlenwasserstoffen als im Bescheid vorgeschrieben worden sei.

Mit dem Ersatzbescheid vom 24. Oktober 2011 wies der UVS die Maßnahmebeschwerde neuerlich zurück, diesmal mit der Begründung, die antragstellende Gesellschaft sei gar nicht Adressatin der Anordnung vom 21. Juni 2005.

3. Mit Bescheid des Magistrats vom 23. August 2007 wurde die antragstellende Gesellschaft verpflichtet, der Republik Österreich für die Beseitigung einer Anfang Jänner 2005 verursachten Gewässerverunreinigung Kosten in der Höhe von € 2.624.410,68 zu ersetzen. Dies begründete der Magistrat damit, dass die antragstellende Gesellschaft dem durch den Berufungsbescheid vom 4. August 2005 erteilten Auftrag nicht nachgekommen sei. Dieser sei der antragstellenden Gesellschaft am 8. Jänner 2007 nochmals zugestellt worden und daher spätestens am 28. Februar 2007 rechtskräftig geworden. Eine Bescheidbeschwerde habe sie nicht erhoben.

4. Am 14. April 2008 beantragte die antragstellende Gesellschaft beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (in der Folge: LG ZRS) gestützt auf §117 Abs4 WRG 1959 eine gerichtliche Entscheidung über den ihr mit Bescheid vom 23. August 2007 auferlegten Kostenersatzanspruch. Das Verfahren wurde zunächst bis zum Vorliegen der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes unterbrochen. Mit Zwischenbeschluss vom 24. Februar 2014 sprach das LG ZRS aus, dass die antragstellende Gesellschaft dem Grunde nach verpflichtet sei, der Republik Österreich die anlässlich der Beseitigung der Gewässerverunreinigung verursachten Kosten zu ersetzten. Im Hinblick auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2010, an den sich das LG ZRS gebunden erachtete, ging dieses zunächst davon aus, dass der Berufungsbescheid vom 4. August 2005 keine Rechtsgrundlage für eine Kostenvorschreibung an die antragstellende Gesellschaft darstellen könne. Eine solche erblickte es aber sehr wohl in der Anordnung des Magistrats vom 21. Juni 2005. Bei Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt seien die Anforderungen an eine korrekte Bezeichnung des Adressaten weniger formell zu beurteilen. Der Adressat könne sich unter Umständen auch erst im Nachhinein herausstellen. Die Anordnung sei gegenüber einem Mitarbeiter der antragstellenden Gesellschaft und deren Direktor verkündet worden. Daher habe kein Zweifel bestehen können, an wen diese adressiert war. Die Zurückweisung der gegen den Befehlsakt gerichteten Maßnahmebeschwerde durch den UVS sei auch zutreffend gewesen, weil diese jedenfalls verspätet gewesen sei. Die somit unbekämpft gebliebene Maßnahme entfalte für das Gericht Bindungswirkung.

Das von der antragstellenden Gesellschaft mit Rekurs angerufene Oberlandesgericht Wien teilte im Beschluss vom 12. September 2014 die Auffassung des LG ZRS. Einen dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. November 2014, 1 Ob 208/14s, zurück.

5. Mit ihrem auf Art138 Abs1 B VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft die Feststellung, dass der Magistrat für die Anordnung vom 21. Juni 2005, der Verwaltungsgerichtshof für das Erkenntnis vom 26. Jänner 2011 und der UVS für den Bescheid vom 24. Oktober 2011 zuständig waren; weiters begehrt sie, der Verfassungsgerichtshof möge den Zwischenbeschluss des LG ZRS vom 24. Februar 2014, den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. September 2014 und den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 27. November 2014 aufheben. Eventualiter begehrt sie die Feststellung, dass das LG ZRS für den Zwischenbeschluss vom 24. Februar 2014 zuständig gewesen sei, samt der Aufhebung der Anordnung des Magistrats vom 21. Juni 2005, des Bescheides des UVS Wien vom 22. Mai 2009, des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2011 und des Bescheides des UVS vom 24. Oktober 2011.

Zur Begründung des Antrages führt die antragstellende Gesellschaft aus, im Zwischenbeschluss des LG ZRS vom 24. Februar 2014 einerseits und in der Anordnung des Magistrats vom 21. Juni 2005 andererseits werde hinsichtlich der Pflicht zum Tragen der Kosten der Ersatzvornahme über dieselbe Rechtssache abgesprochen.

6. 1. Gemäß Art138 Abs1 Z1 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Nähere Bestimmungen betreffend das Verfahren über Kompetenzkonflikte enthalten auf Grundlage des Art148 B VG die §§42 ff VfGG.

6. 2. Nach §42 Abs1 VfGG kann der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes, der dadurch entstand, dass ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde (Art138 Abs1 Z1 B VG) die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen oder in der Sache selbst entschieden haben (bejahender Kompetenzkonflikt), nur so lange gestellt werden, als nicht in der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt ist.

6. 3. §31 Abs3 sowie §117 Abs1 und 4 WRG 1959 lauten:

"Allgemeine Sorge für die Reinhaltung

§31. […]

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzuge eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen – soweit nicht dem Bergrecht unterliegende Anlagen betroffen werden – unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist.

[…]

Entschädigungen und Beiträge

§117. (1) Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. In der Entscheidung ist auszusprechen, ob, in welcher Form (Sach- oder Geldleistung), auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist die Leistung zu erbringen ist. Gebotenenfalls können auch wiederkehrende Leistungen und die Sicherstellung künftiger Leistungen vorgesehen sowie die Nachprüfung und anderweitige Festlegung nach bestimmten Zeiträumen vorbehalten werden."

7. Der vorliegende Antrag erweist sich schon auf Grund des Vorliegens einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung als unzulässig.

8. Der Antrag ist daher (samt dem Eventualantrag) zurückzuweisen.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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