E874/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der 1951 geborene Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Juli 2012 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 21. Juni 2012 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl als auch von subsidiärem Schutz abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Serbien ausgewiesen. Seine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Asylgerichtshof wurde mit 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht weiterbehandelt und von diesem mit Erkenntnis vom 4. März 2014 hinsichtlich der Gewährung von internationalem Schutz als unbegründet abgewiesen, die Ausweisung wurde jedoch gemäß der Übergangsbestimmung des §75 Abs20 Z1 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 68/2013, aufgehoben und das Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) zurückverwiesen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 8. April 2014 (durch Hinterlegung zugestellt am 15.4.2014) wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß §10 Abs2 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs1 Z1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I 100 idF BGBl I 68/2013, erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß §48 FPG nach Serbien zulässig ist; weiters wurde gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Telefax vom 30. April 2014 Beschwerde, die das BFA am 15. Mai 2014 dem Bundesverwaltungsgericht vorlegte.
4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Berufung auf §16 Abs1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, als verspätet zurück.
5. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf eine wirksame Beschwerde (Art13 EMRK) und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG BGBl 390/1973) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, konkret des §16 Abs1 BFA-VG, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird.
6. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor. Im Übrigen hat es sich, ebenso wie das BFA, am Verfahren nicht beteiligt.
II. Rechtslage
§16 Abs1 BFA-VG in der im Beschwerdefall angewendeten Fassung BGBl I 68/2013 lautete:
"Beschwerdefrist und Wirkung von Beschwerden
§16. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes beträgt, sofern nichts anderes bestimmt ist, zwei Wochen. §7 Abs4 erster Satz Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 ist, sofern es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, nicht anwendbar.
[…]"
III. Erwägungen
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §16 Abs1 BFA-VG ein. Mit Erkenntnis vom 24. Juni 2015, G171/2015 ua., hob er diese Bestimmung als verfassungswidrig auf.
3. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit bei der Erlassung des angefochtenen Beschlusses eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
2. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.