E734/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung insoweit in seinen Rechten verletzt worden, als damit in Spruchteil A seine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. September 2014 abgewiesen wurde.
Das angefochtene Erkenntnis wird daher insoweit und soweit damit in Spruchteil A – in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beschwerdeabweisung stehend – die Kostenersatzanträge der Parteien des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht abgewiesen werden, aufgehoben.
2. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchteil B des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21. November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß §5 Abs1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011, (im Folgenden: AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art16 Abs1 litc der Verordnung (EG) Nr 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), Ungarn für die Führung des Asylverfahrens zuständig sei. Unter einem wies das Bundesasylamt den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn aus und stellte gemäß §10 Abs4 AsylG 2005 fest, dass seine Abschiebung dorthin zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 3. Juni 2014 gemäß §5 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013, und §61 FPG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013, (im Folgenden: FPG) als unbegründet ab.
3. Mit Mandatsbescheid vom 2. September 2014 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn gemäß §76 Abs1 FPG iVm §57 Abs1 AVG die Schubhaft an.
4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 5. März 2015 gemäß §76 Abs1 FPG iVm §22a Abs1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013, (im Folgenden: BFA-VG) ab (Spruchpunkt I. des SpruchteilsA). Unter einem wies es die Anträge der Parteien auf Kostenersatz gemäß §35 VwGVG ab (Spruchpunkt II. des Spruchteils A) und erklärte die Revision für zulässig (Spruchteil B).
5. In der gegen dieses Erkenntnis gemäß Art144 B VG erhobenen Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht, begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses "in seinem gesamten Umfang" und stellt für den Fall der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
6. Der Verfassungsgerichtshof führte zu dieser Beschwerde im Hinblick auf §19 Abs3 Z4 VfGG kein weiteres Verfahren durch.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G151/2014 ua., hob der Verfassungsgerichtshof §22a Abs1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind; dieser Ausspruch hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat.
Soweit im Spruchteil A des angefochtenen Erkenntnisses die Beschwerde gemäß §76 Abs1 FPG iVm §22a Abs1 BFA-VG abgewiesen wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht eine als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben, soweit damit die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß §76 Abs1 FPG iVm §22a Abs1 BFA-VG abgewiesen wurde. Da die Abweisung der Anträge der Parteien des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Kostenersatz gemäß §35 VwGVG mit der Abweisung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid in untrennbarem Zusammenhang stehen, ist das bekämpfte Erkenntnis auch insoweit aufzuheben.
2. Im Hinblick auf Spruchteil B ist die Beschwerde hingegen zurückzuweisen:
Gemäß §88a Abs2 Z1 VfGG ist eine Beschwerde gegen Aussprüche gemäß §25a Abs1 VwGG nicht zulässig. Soweit sich die Beschwerde daher gegen den in Spruchteil B getroffenen Ausspruch der Zulässigkeit der Revision richtet, ist sie zurückzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl. VfSlg 16.760/2002). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.