E532/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt I des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Die Beschwerde wird insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Beschwerde
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 29. Oktober 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 26. November 2013 wies das Bundes-asylamt diesen Antrag gemäß §5 Abs1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und erklärte Zypern für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz für zuständig; zugleich wurde der Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 nach Zypern ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Zypern gemäß §10 Abs4 AsylG 2005 zulässig sei.
2. Am 3. April 2014 vereitelte der Beschwerdeführer seine Überstellung nach Zypern. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom selben Tag wurde über den Beschwerdeführer gemäß §76 Abs2a Z1 FPG 2005 iVm §57 Abs1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
3. Mit nunmehr angefochtenem Erkenntnis vom 22. April 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die mit Bescheid des BFA vom 3. April 2014 angeordnete Verhängung der Schubhaft und gegen die andauernde Anhaltung erhobene Beschwerde gemäß §22a BFA-VG iVm §76 Abs2a Z1 FPG 2005 ab (Spruchpunkt I), stellte gemäß §22a Abs3 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen (Spruchpunkt II), verpflichtete den Beschwerdeführer zum Aufwandersatz in bestimmter Höhe und wies seinen Antrag auf Kostenersatz ab (Spruchpunkte III und IV). Mit Spruchpunkt V erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Revision gemäß Art133 Abs4 B VG für zulässig.
4. In der vorliegenden, auf Art144 B VG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG-Rassendiskriminierung). Das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit der Anordnung gelinderer Mittel auseinandergesetzt und dem Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers, eine in Österreich aufenthaltsberechtigte rumänische Staatsbürgerin, im Bundesgebiet aufhältig sei, keine Bedeutung beigemessen.
5. Am 22. April 2014 wurde der Beschwerdeführer auf dem Flugweg nach Zypern überstellt.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G151/2014, hob der Verfassungsgerichtshof §22a Abs1 und 2 BFA-VG idF BGBl I 68/2013 als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
Die Beschwerde ist begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch Spruchpunkt I des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die Beschwerde rügt die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG-Rassendiskriminierung). Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht zu Recht davon ausging, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und ob das Bundesverwaltungsgericht gemäß §21 Abs7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen konnte, nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer wurde durch Spruchpunkt I des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 VfGG abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.