JudikaturVfGH

U823/2013 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2014

Spruch

I.1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet abgewiesen worden ist, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) und in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art47 Abs2 GRC verletzt worden.

Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer reiste am 30. März 2000 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag – unter Angabe einer falschen Identität bzw. des falschen Herkunftsstaats Sierra Leone – einen Asylantrag. Begründend gab er an, dass sein Vater im Herkunftsstaat einen Zwischenhandel mit Diamanten betrieben habe, wobei er zwischen den – die Diamanten besitzenden – Rebellen und den Käufern vermittelt habe. Eines Tages sei das Elternhaus des Beschwerdeführers von Soldaten niedergebrannt worden, woraufhin der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen habe.

1.1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. März 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß §6 Z3 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG), BGBl I 76 idF BGBl I 41/1999, als offensichtlich unbegründet abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone gemäß §8 leg.cit. für zulässig erklärt.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung mit Bescheid vom 27. September 2000 gemäß §32 Abs1 AsylG als verspätet zurück.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. März 2001 als unbegründet ab.

1.2. Der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer zuvor gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 21. April 2000 wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 gemäß §71 Abs1 AVG abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung vom 21. Dezember 2000 wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Februar 2001 abgewiesen.

2. Am 8. Juni 2006 stellte der Beschwerdeführer den nunmehr vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21. Juni 2006 führte der Beschwerdeführer zunächst u.a. an, dass er im Rahmen seiner ersten Antragstellung eine falsche Identität bzw. einen falschen Herkunftsstaat angegeben habe; er lebe nunmehr seit ca. sechs Jahren in Österreich und habe Vertrauen in die hiesigen Behörden gefasst. Zu seinen Fluchtgründen gab er nunmehr an, dass er in Nigeria an der Universität studiert und dort der Ogboni-Bruderschaft angehört habe, welche an blutigen Ritualen und am Missbrauch von Frauen beteiligt sei. Mit der Zeit habe der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben gefunden und sich von der Bruderschaft abgewandt, woraufhin er von deren Mitgliedern bedroht worden sei.

2.1. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 2006 gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl I 100, aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundes-asylsenat mit Bescheid vom 25. Juli 2006 ab.

In Folge der gegen den letztgenannten Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hob dieser den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 11. November 2010 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die belangte Behörde habe übersehen, dass nach dem Zeitpunkt der Erlassung des Vergleichsbescheides vom 31. März 2000 eine relevante Änderung zur zuvor geltenden Rechtslage eingetreten sei, weil der Antrag des Beschwerdeführers nach §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 nunmehr nicht mehr nur auf die Zuerkennung von Asyl gerichtet sei, sondern ex lege auch – im Fall der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten – als eigenständiger Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gelte.

Daraufhin behob der Asylgerichtshof mit Entscheidung vom 3. Juni 2011 den bei ihm bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Juni 2006 und verwies die Angelegenheit gemäß §41 Abs3 AsylG 2005 idF BGBl I 38/2011 zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 19. August 2011 den Antrag auf internationalen Schutz vom 8. Juni 2006 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 idF BGBl I 38/2011 ab, wies den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 leg.cit. ab und wies den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

In Folge der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde behob der Asylgerichtshof diesen mit Entscheidung vom 27. September 2011 und verwies die Angelegenheit gemäß §66 Abs2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Nach ergänzendem Ermittlungsverfahren wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 28. November 2011 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz erneut gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 idF BGBl I 38/2011 ab, wies den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 leg.cit. ab und wies den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

2.2. Die gegen den letztgenannten Bescheid erhobene Beschwerde, in der u.a. der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt wurde, wies der Asylgerichtshof ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Entscheidung vom 15. März 2013 in Spruchpunkt I. gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 idF BGBl I 87/2012 ab, erkannte dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt II. den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß §8 Abs1 Z1 leg.cit. nicht zu und wies den Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß §10 Abs1 Z2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

2.2.1. Begründend führt der Asylgerichtshof zunächst an, dass er sich der Beurteilung des Bundesasylamtes hinsichtlich der mangelnden Glaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer dargelegten Fluchtvorbringens anschließe, zumal sich in diesem eine Vielzahl von Widersprüchen und Ungereimtheiten finde. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer lediglich Verfolgung durch Privatpersonen geltend gemacht, wobei die nigerianischen Behörden den Länderfeststellungen zufolge nicht generell schutzunwillig bzw. schutzunfähig seien. Schließlich stehe dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

2.2.2. Unter Berücksichtigung der im Verfahren getroffenen Länderfeststellungen könne – im Hinblick auf Spruchpunkt II. – nicht davon ausgegangen werden, dass in Nigeria derzeit eine dem Art3 EMRK widersprechende Situation vorherrsche.

2.2.3. Zur mit Spruchpunkt III. erfolgten Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet hält der Asylgerichtshof Folgendes fest:

"Der Asylgerichtshof gelangt in Übereinstimmung mit der belangten Behörde zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß §10 AsylG 2005 erfüllt sind.

Der Beschwerdeführer lebt seit seiner ersten Asylantragstellung im Jahr 2000 im österreichischen Bundesgebiet. Dem Genannten ist zwar zu Gute zu halten, dass ihm von diversen Bekannten anhand von Empfehlungsschreiben ein positiver Charakter zugestanden wird und er immer wieder Teilzeitbeschäftigungen nachgegangen ist. Offenkundig ist sein ehemaliger Arbeitgeber zudem gewillt, ihn neuerlich als Küchengehilfe einzustellen. Alleine diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um von einem Überwiegen seiner privaten Interessen auszugehen.

Dabei darf im Zusammenhang mit seinem 13-Jahre-währenden Aufenthalt nicht übersehen werden, dass sein erster Asylantrag bereits am 14.04.2000 rechtskräftig negativ entschieden wurde und der Beschwerdeführer sich von diesem Zeitpunkt fortan bis zu seiner zweiten Antragstellung im Juni 2006 illegal in Österreich aufgehalten hat. Weiters ist zu betonen, dass der Beschwerdeführer durch die Angabe verschiedener Identitäten versucht hat, die Asylbehörden zu täuschen und er sich von Beginn seines Asylverfahrens an seiner falschen Angaben bewusst sein musste. Der Beschwerdeführer war letztlich nur aufgrund von ungerechtfertigten Asylantragsstellungen zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Es ist jedenfalls unbestritten, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens in Nigeria verbracht hat und auch nach wie vor über Angehörige in Nigeria verfügt.

Dem gegenüber verfügt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine verwandtschaftlichen beziehungsweise verwandtschaftsähnlichen Beziehungen zu dauernd in Österreich aufenthaltsberechtigten Fremden, welche eine von Art8 EMRK geforderte Intensität oder ein besonderes Naheverhältnis erreichen würden, zumal auch seine angebliche ungarische Freundin in Budapest leben soll. Dass der Beschwerdeführer darüber hinaus über relevante familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfügen würde, hat der Genannte nicht einmal ansatzweise behauptet.

Zu betonen ist weiters, dass der Beschwerdeführer während seines jahrelangen Aufenthaltes in Österreich nach eigenen Angaben keinen Deutschkurs positiv abgeschlossen und demgemäß nur rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache erworben hat. Soweit der Genannte seiner nunmehrigen Beschwerde erstmals im Verfahren eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs beilegt, so ändert dieser Umstand nichts daran, dass er während der letzten dreizehn Jahre keinerlei dahingehenden Integrationsbemühungen gesetzt hat.

Schließlich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits einmal von einem österreichischen Strafgericht unter anderem wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sowie zu einer Zusatzstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt wurde. Dabei verkennt der Asylgerichtshof nicht, dass jene Verurteilung bereits zu Beginn seines Aufenthaltes verhängt wurde und er sich seit Verbüßen dieser Haftstrafe wohl verhalten hat. Dennoch ist in einer Gesamtbetrachtung und im Hinblick auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe seine Ausweisung im öffentlichen Interesse zur Erreichung der in Art8 Abs2 EMRK genannten Ziele, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten.

In Summe überwiegen eindeutig die öffentlichen Interessen auch im Hinblick auf das gegen ihn erlassene und nach wie vor gültige Aufenthaltsverbot an der vom Bundesasylamt ausgesprochenen Ausweisung.

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen."

2.3. In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Verbot der Folter gemäß Art3 EMRK, auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK sowie auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl 390/1973 geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Die Beschwerde führt im Hinblick auf die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet u.a. Folgendes aus:

"Ich lebe seit 30.3.2000 in Österreich, gehe hier einer Arbeit in der Gastronomie nach und war auch einige Jahre hier verheiratet. In Nigeria habe ich eine Ausbildung in Rechtswissenschaften erhalten und könnte in den Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Nigeria, die etwa bei Vorarlberger Textilfabrikanten jahrzehntelange Tradition haben, meinen Beitrag leisten. Neben fließendem Englisch spreche ich auch passables Deutsch, kann mit dem Computer umgehen und bin erfahren in Logistik und Planung. Ich bin gesund, arbeitsfähig und integrationswillig.

[…]

Das Bundesasylamt hat sich außerdem in keinem Stadium des Verfahrens mit meinem Privat- und Familienleben konkret auseinandergesetzt. Es ist unrichtig, dass ich keine Sachverhalte vorgebracht hätte, die auf eine erfolgte Integration schließen lassen bzw. gegen meine Ausweisung stehen.

Ich habe vorgebracht, dass ich [mich] seit meiner Verurteilung vor zwölf Jahren […] geändert habe und mich in die österreichische Gesellschaft gut integrierte, Deutsch erlernte, in Österreich nach meinen Möglichkeiten immer auf der Suche nach einer Beschäftigung war und zeitweise auch arbeitete, viele österreichische Freunde und zu Nigeria überhaupt keinen Bezug mehr habe.

Das Bundesasylamt hätte feststellen müssen, dass aufgrund der Integration meine Interessen als Person an einem Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen an einem geregelten Fremdenwesen überwiegen und aufgrund meines Wohlverhaltens in den letzten zehn Jahren eine Gefährdung öffentlicher Interessen nicht mehr vorliegt, weshalb die Ausweisung als auf Dauer unzulässig auszusprechen ist.

[…]

Mein Privatleben hier in Österreich ist sehr wohl schützenswert. Ich lebe bereits seit über einem Jahrzehnt hier, arbeite und trage etwas bei. Meine Freunde sind überwiegend hier. Ich schätze Österreich und bin ebenso integrationsfähig wie willig. In all den Jahren habe ich mich friedlich verhalten.

Zeitweilige Verstöße in den ersten Jahren waren durch das weitgehende Erwerbsverbot für Menschen wie mich bedingt, ich musste ja trotzdem von etwas leben, bereue es aber, mich damals zeitweilig zu Verstößen verleiten haben zu lassen. Das ist lange vorbei.

Ich habe nunmehr meine Integrationsbemühungen verstärkt und einen neuen Deutschkurs begonnen. Mir liegen auch eine Einstellungszusage […] und Empfehlungsschreiben von verschiedenen Seiten vor, die ich vorgelegt habe.

[…]

Aufgrund meines langjährigen Wohlverhaltens und meiner laufenden konstruktiven Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben in Österreich überwiegen bei weitem die öffentlichen Interessen an meinem Verbleib in Österreich. Ich bemühe mich seit langem um den aktiven Spracherwerb. Die öffentliche Ordnung ist durch mein Bleiben in keiner Weise gefährdet."

2.4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Erwägungen

A. Auf die vorliegende Beschwerdesache ist Art144 B VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, BGBl I 51, anzuwenden (vgl. VfGH 6.3.2014, U544 547/2012).

B. Die – zulässige – Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet richtet, begründet.

1.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

1.2. Ein solches willkürliches Vorgehen ist dem Asylgerichtshof vorzuwerfen:

Der Asylgerichtshof hält in der Begründung zu seiner Ausweisungsentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeführers fest, dass dieser "nach eigenen Angaben keinen Deutschkurs positiv abgeschlossen und demgemäß nur rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache erworben" habe (s. oben unter Pkt. I.2.2.3.). Demgegenüber ist einerseits verschiedenen – den Beschwerdeführer betreffenden – Empfehlungsschreiben zu entnehmen, dass dieser immer versuche, Deutsch zu sprechen bzw. perfektes Deutsch spreche (s. die im Gerichtsakt befindlichen Schreiben jeweils vom 9. Dezember 2011), und führt die Beschwerde an den Asylgerichtshof andererseits aus, dass der Beschwerdeführer "passables Deutsch" spreche bzw. in Österreich die deutsche Sprache erlernt habe (s. S 2 bzw. 7 der Beschwerde an den Asylgerichtshof vom 14. Dezember 2011). Im Hinblick darauf und vor dem Hintergrund, dass das Beschwerdeverfahren zum Entscheidungszeitpunkt des Asylgerichtshofes bereits ca. 1 ¼ Jahre dauerte, ohne dass der Asylgerichtshof irgendwelche Ermittlungsschritte setzte, sowie die Tatsache berücksichtigend, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt beinahe 13 Jahre durchgehend in Österreich aufhältig war, wären – ungeachtet der Auseinandersetzung des Asylgerichtshofes mit den sonstigen Integrationsaspekten (wie zB der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Suchtmitteldelikts) – konkrete Ermittlungen erforderlich gewesen, um nachvollziehbare Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers treffen zu können. Allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Deutschkurse absolviert haben soll, kann nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes gerade vor dem Hintergrund eines beinahe 13 jährigen Aufenthaltszeitraumes nicht – wie vom Asylgerichtshof – der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer "nur rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache erworben" hat. Im Übrigen ist die Annahme des Asylgerichtshofes, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt keinen Deutschkurs positiv abgeschlossen habe, aktenwidrig, zumal aus einer vom anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers im Zuge des Beschwerdeverfahrens vor dem Asylgerichtshof vorgelegten Urkunde ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer das "Österreichische Sprachdiplom, A2, Grundstufe Deutsch 2" absolviert hat (s. das dem Gerichtsakt beiliegende Zertifikat vom 20. Jänner 2012).

2.1. Die in der GRC garantierten Rechte können vor dem Verfassungsgerichtshof als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geltend gemacht werden, sofern der Anwendungsbereich der GRC eröffnet ist. Asylverfahren fallen in diesen Anwendungsbereich, sodass der Asylgerichtshof in den bei ihm anhängigen Verfahren insbesondere das gemäß Art47 Abs2 GRC gewährleistete Recht eines Asylwerbers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beachten hat (eingehend VfSlg 19.632/2012; s. weiters VfGH 13.3.2013, U1175/12 ua.).

Für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof regelt §41 Abs7 AsylG 2005 idF BGBl I 4/2008 den Entfall der mündlichen Verhandlung. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung steht – sofern zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde – jedenfalls in jenen Fällen im Einklang mit Art47 Abs2 GRC, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist (s. VfSlg 19.632/2012).

2.2. Vor dem Hintergrund der – soeben unter Pkt. II.2.1. – zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist für die gegenständliche Rechtssache festzustellen, dass der vorliegende Sachverhalt betreffend die Voraussetzungen zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Entscheidung sichtlich nicht hinreichend geklärt erscheint. Insofern stellt das Absehen von einer – in concreto im Lichte des §41 Abs7 AsylG 2005 zweifellos gebotenen – mündlichen Verhandlung durch den Asylgerichtshof eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art47 Abs2 GRC dar.

C. Soweit die an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde die Abweisung des Asylantrages und die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten bekämpft, wird ihre Behandlung aus folgenden Gründen abgelehnt:

1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

2. Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (s. etwa EGMR 7.7.1989, Fall Soering , EuGRZ 1989, 314 [319]; 30.10.1991, Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309]; 6.3.2001, Fall Hilal , ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden auszuweisen – oder in welcher Form immer außer Landes zu schaffen –, unter dem Blickwinkel des Art3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl. VfSlg 13.837/1994, 14.119/1995, 14.998/1997).

Der Asylgerichtshof hat weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch sind ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechtes darstellen (vgl. VfSlg 13.897/1994, 15.026/1997, 15.372/1998, 16.384/2001, 17.586/2005). Ob ihm sonstige Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen sind, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

2.2. Das Asylverfahren ist nicht von Art6 EMRK erfasst (vgl. VfSlg 13.831/1994).

2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Auszuweisenden verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

Der Asylgerichtshof hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungs rechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art8 EMRK überwiegt (vgl. VfSlg 19.086/2010).

2.4. Die im Übrigen gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

3. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer damit die Abweisung des Asylantrages und die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten bekämpft, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung).

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit die Beschwerde gegen die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet abgewiesen wird, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt worden. Die angefochtene Entscheidung ist insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

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