B1281/2013 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. September 2013, B955/2013-6, abgeschlossenen Verfahrens wird abgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt und Vorbringen
1. Mit im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachter Beschwerde richtete sich der Antragsteller gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Oberösterreich vom 17. Juli 2013.
2. Mit Verfügung vom 29. August 2013 – über den elektronischen Rechtsverkehr zugestellt am 30. August 2013 – forderte der Verfassungsgerichtshof den Antragsteller gemäß §18 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, innerhalb von einer Woche den angefochtenen Bescheid in Form einer Ausfertigung, Abschrift oder Kopie nachzureichen (vgl. §82 Abs3 VfGG).
3. Da der Antragsteller am 6. September 2013 den angefochtenen Bescheid dem Verfassungsgerichtshof nur per Telefax in zweifacher Ausfertigung übermittelte, wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. September 2013, B955/2013-6, die Beschwerde des Antragstellers zurück. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine Einbringung gemäß §14a Abs1 iVm Abs4 VfGG ordnungsgemäß nur auf elektronischem Weg erfolgen könne und dies hinsichtlich des nachgereichten Bescheides nicht innerhalb der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist erfolgt sei. Der Antragsteller habe die Frist ungenützt verstreichen lassen, weshalb die Beschwerde gemäß §19 Abs3 Z2 litc VfGG wegen nicht behobenen Mangels formeller Erfordernisse ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen sei.
4. Mit am 12. November 2013 am Verfassungsgerichtshof eingelangtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er begründet dies damit, dass der Parteienvertreter sich am 5. September 2013 direkt an den Verfassungsgerichtshof gewandt, das betroffene Verfahren bekanntgegeben und angefragt habe, in welcher Form der Bescheid "nachzureichen" sei. Die "zuständige Bearbeiterin" habe auf diese Frage hin die Auskunft gegeben, dass der Bescheid per Telefax zu übermitteln sei, und eine entsprechende Faxnummer angegeben.
Das Verschulden (für die Einbringung per Telefax) liege daher nicht oder nur minder bei dem Parteienvertreter, sondern überwiegend außerhalb dessen Sphäre. Das Verschulden sei dem Verfassungsgerichtshof selbst anzulasten, weil dieser eine falsche Auskunft erteilt habe, die zur Fristversäumnis geführt habe.
Würde daher §19 Abs3 Z2 litc VfGG dahingehend ausgelegt, dass die Frist ungenützt verstrichen und die Beschwerde "abzuweisen" sei, würde dies in Bezug auf diese Rechtsvorschrift "erhebliche rechtsstaatliche Bedenken" aufwerfen. Außerdem habe der Verfassungsgerichtshof den Bescheid tatsächlich erhalten, weshalb der Mangel durch die tatsächliche Entsprechung saniert worden sei.
II. Rechtslage
1. §14a VfGG idF BGBl I Nr 33/2013 lautet (auszugsweise):
"§14a. (1) Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen, Ausfertigungen von Erledigungen des Verfassungsgerichtshofes sowie Kopien von Schriftsätzen und Beilagen können nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten auf folgende Weise wirksam elektronisch eingebracht bzw. übermittelt werden:
1. im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs oder
2. über elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl Nr 200/1982.
(2) und (3) […]
(4) Soweit eine elektronische Einbringung von Schriftsätzen und von Beilagen zu Schriftsätzen für zulässig erklärt ist, sind Rechtsanwälte (§17 Abs2) zu dieser Form der Einbringung verpflichtet. Soweit Behörden über die technischen Möglichkeiten verfügen, sind auch sie zu dieser Form der Einbringung verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist wie ein Mangel im Sinne des §18 zu behandeln, der zu verbessern ist.
(5) und (6) […]"
2. §530 ZPO lautet (auszugsweise):
"§530. (1) Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden,
1. - 6. […]
7. wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
(2) Wegen der in Z6 und 7 angegebenen Umstände ist die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rechtskraft der Entscheidung oder die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen."
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg 11.041/1986, 12.306/1990), dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes – insbesondere auch seine Beschlüsse – endgültig sind, sofern es sich nicht um Fälle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Wiederaufnahme des Verfahrens handelt. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens in seinen §§33 und 34 nicht selbst regelt, hat der Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Bestimmungen der ZPO (§§146 und 530 ff) sinngemäß anzuwenden.
Der Wiederaufnahmeantrag stützt sich nicht ausdrücklich auf einen der in §530 Abs1 ZPO aufgezählten Wiederaufnahmsgründe, dem Inhalt des Antrags nach macht der Antragsteller aber den Wiederaufnahmsgrund des §530 Abs1 Z7 ZPO geltend. Da der Antrag auch innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt wurde, ist dieser zulässig.
2. Gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO kann ein Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, "wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Neue Tat sachen oder Beweismittel können aber nur dann einen Wiederauf nahmsgrund bilden, wenn sie solcher Art sind, dass ihre Berück sichtigung im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof zukommenden Prüfungs und Entscheidungsbefugnis im vorangegangenen verfassungsgerichtlichen Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung möglich er scheinen lässt (VfSlg 3532/1959, 6469/1971, 9126/1981).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor:
3. Die Verpflichtung des Vertreters des Antragstellers, als Rechtsanwalt Schrift sätze elektronisch einzubringen, ergibt sich unmittelbar aus §14a Abs1 iVm Abs4 VfGG. Diese Bestimmung sieht keine Ausnahme für in Entsprechung eines Verbesserungsauftrags erstattete Schriftsätze vor. Es ist unstrittig, dass der Antragsteller den nachzureichenden Bescheid nicht per elektronischem Rechtsverkehr, sondern per Telefax eingebracht hat. Es sind daher keine neuen Tatsachen hervorgekommen, die im verfassungsgerichtlichen Verfahren B955/2013 zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung führen hätten können. Selbst wenn eine mündliche Auskunft des Inhalts, wie er vom Antragsteller behauptet wird, erteilt wurde, konnte das den vorher erteilten schriftlichen Verbesserungsauftrag in keine Weise modifizieren.
4. Auch das Vorbringen des Antragstellers, der Mangel sei durch "tatsächliche Entsprechung" geheilt, weil der Verfassungsgerichtshof den Bescheid (per Telefax) tatsächlich erhalten habe, kann keinen Wiederaufnahmsgrund darlegen. In diesem Vorbringen liegen nämlich keine neuen Tatsachen oder Beweismittel begründet, sondern wird lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes in seinem zurückweisenden Beschluss vom 13. September 2013, B955/2013-6, behauptet. Eine angeblich unrichtige rechtliche Beurteilung des in diesem Verfahren festgestellten Sachverhalts kann aber keine Wiederaufnahme rechtfertigen (vgl. Jelinek in: Fasching/Konecny (Hrsg.)² §530 ZPO, 145).
IV. Ergebnis
Da kein Wiederaufnahmsgrund iSd §530 Abs1 ZPO vorliegt, ist der Antrag auf Bewilligung der Wiederaufnahme abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §34 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.