B587/2012 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Die allesamt minderjährigen Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Ihre Mutter lebt als Asylberechtigte (§3 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011 – AsylG 2005) rechtmäßig in Österreich. Sie haben bei der Österreichischen Botschaft Islamabad am 12. Juli 2011 auf §35 Abs1 AsylG 2005 gestützte Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gestellt.
2. Mit ihrer auf Art144 B VG gestützten Beschwerde bekämpfen sie ein an sie adressiertes Formular vom 10. April 2012 mit der Bezeichnung "Verweigerung/Annullierung/Aufhebung des Visums", das im Kopf die Flagge des Europarates ("Europaflagge" mit zwölf Sternen) trägt. Das Formular wurde durch Ankreuzen von (teilweise grammatikalisch unrichtigen) Sätzen ausgefüllt, aus denen sich zunächst ergibt, die Anträge der Beschwerdeführer auf Ausstellung von Einreisetiteln seien geprüft worden. Weiters ist der Satz "Ihr Visum wurde annulliert" angekreuzt. Als Begründung ist angeführt, es habe nicht die Absicht der Beschwerdeführer festgestellt werden können, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen. Am Ende des Formulars ist die "Anmerkung" enthalten, dass gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden könne. Am Ende ist die Österreichische Botschaft Islamabad als Ausstellerin angeführt. Neben dem Ausstellungsdatum findet sich die (unleserliche) Paraphe eines Organwalters, der kein Name beigefügt ist.
3. Durch dieses von ihnen als Bescheid angesehene Formular erachten sich die Beschwerdeführer in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG rassische Diskriminierung), auf Schutz vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art3 EMRK), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie auf Schutz des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt.
4. Die Botschaft legte die Akten des von ihr durchgeführten Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. In der Gegenschrift wird ausdrücklich eingeräumt, dass von Seiten der Botschaft irrtümlich das Feld "Das Visum wurde annulliert" anstelle des (im Formular ebenfalls enthaltenen) Feldes "Das Visum wurde verweigert" angekreuzt wurde.
5. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Gegenäußerung.
6. §35 Abs1 und 4 AsylG 2005 lautet auszugsweise:
"Anträge auf Einreise bei Berufsvertretungsbehörden
§35. (1) Der Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß §34 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland (Berufsvertretungsbehörde) stellen.
[…]
(4) Die Berufsvertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§24 Abs4 FPG), wenn das Bundesasylamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesasylamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art8 Abs2 EMRK nicht widerspricht.
[…]"
7. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate, sofern der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein. Voraussetzung der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist zumindest die Möglichkeit der Verletzung des Beschwerdeführers in subjektiven Rechten, was immer dann der Fall ist, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen und Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt (vgl. VfSlg 17.920/2006 mwN).
8. Im vorliegenden Fall wurden nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides den Beschwerdeführern niemals erteilte Visa annulliert. Die belangte Behörde hat in der Gegenschrift selbst eingeräumt, dass vom Bearbeiter irrtümlich das falsche Kästchen des Formulars angekreuzt worden sei. Der angefochtene Bescheid lässt damit die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Einreisetiteln offen. Durch die stattdessen ausgesprochene Annullierung von Visa, über die die Beschwerdeführer gar nicht verfügen, ist eine Verletzung der Beschwerdeführer in subjektiven Rechten ausgeschlossen.
9. Die Beschwerde ist somit gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG wegen fehlender Legitimation in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
10. Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes sind nicht zuzusprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (VfSlg 17.873/2006 mwN).