JudikaturVfGH

V77/2012 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2013

Spruch

I. §4 Abs1 Z1 der Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung), LGBl für Oberösterreich Nr 78/2008 idF LGBl für Oberösterreich Nr 101/2010, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kund machung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1360/2011 und B1461/2011 zwei auf Art144 B VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind alleinstehende Erwachsene mit Be einträchtigungen. Ihnen wird nach dem Landesgesetz betreffend die Chancen gleichheit von Menschen mit Be einträchtigungen (Oö. ChG), LGBl für Ober österreich 41/2008, Hilfe in Form von mobiler Betreuung und Hilfe gewährt. Sie beziehen – neben Unterhaltsleistungen und Pflegegeld – eine erhöhte Familien beihilfe. Die Beschwerdeführer hatten ur sprünglich einen auf §16 des Ober österreichischen Sozialhilfegesetzes 1998 (Oö. SHG 1998), LGBl für Ober österreich 82/1998, gestützten Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt. Diesen Anträgen gaben die jeweils zu ständigen Behörden statt, wobei den Beschwerde führern gemäß §16 Oö. SHG 1998 iVm §1 der Oberösterreichischen Sozialhilfe verordnung 1998 (Oö. Sozial hilfeverordnung), LGBl für Oberösterreich 118/1998 – ohne An rechnung der ihnen zustehenden (erhöhten) Familienbei hilfe – Hilfe zum Lebensunterhalt ge währt worden ist.

1.2. Das Inkrafttreten des Oö. ChG veranlasste die beschwerde führenden Parteien dazu, je einen weiteren, nun mehr auf Zuerkennung eines subsidiären Mindestein kommens gemäß §16 Oö. ChG gerichteten Antrag an die jeweils zuständigen Behörden zu stellen. Auch diesen Anträgen wurde Folge gegeben und den Beschwerdeführern ein subsidiäres Mindesteinkommen gemäß §16 Oö. ChG gewährt; dies gemäß §4 der – in Durch führung zu §16 Abs6 Oö. ChG ergangenen – Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzver ordnung, LGBl für Ober österreich 78/2008 idF LGBl 101/2010, allerdings unter nunmehriger An rechnung der den Beschwerdeführern gewährten (er höhten) Familienbeihilfe. Im Ergebnis wurde dem Beschwerdeführer zu B1360/2011 dabei monatlich ein subsidiäres Mindestein kommen iHv. € 26,15 (statt bisher nach dem Oö. SHG 1998 € 339,80 samt Sonderzahlungen iHv. € 80,95) zugesprochen; der Beschwerdeführerin zu B1461/2011 wurde ein solches iHv. € 139,98 (statt bisher nach dem Oö. SHG 1998 € 380,30) gewährt.

1.3. Aus Anlass der gegen die letztinstanzlichen Bescheide vor dem Verfassungs gerichtshof geführten Beschwerdeverfahren sind beim Gerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §4 Abs1 Z1 der Oö. ChG Beitrags- und Richtsatzver ordnung entstanden. Diese haben ihn veranlasst, die genannte Be stimmung mit Beschluss vom 21. September 2012 gemäß Art139 Abs1 B VG von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.

2. Der Verfassungsgerichtshof hegte vorläufig das Bedenken, dass §4 Abs1 Z1 Oö. ChG Beitrags- und Richtsatzverordnung – gleich wie ihre Vorgängerbe stimmung, die der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.660/2012 aufgehoben hat – bei der Richtsatzbemessung in unsachlicher Weise innerhalb der Gruppe der alleinstehenden Menschen mit Beeinträchtigungen, nämlich zwischen solchen, die eine Hauptleistung beziehen, und solchen, die einen derartigen Anspruch nicht besitzen, differenziert.

3. Im Verordnungsprüfungsverfahren sah die Oberösterreichische Landes regierung aufgrund der identen Rechtslage zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 19.660/2012 von einer erneuten Äußerung ab. Hingegen erstatteten die beschwerdeführenden Parteien des Anlassverfahrens eine Äußerung, in der sie auf die Unzulässigkeit der Anrechnung der Familienbeihilfe hinwiesen.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Vorschriften des Landesgesetzes betreffend die Chancen gleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen (Oö. ChG), LGBl für Ober österreich 41/2008 idF LGBl für Oberösterreich 81/2009, lauten wie folgt:

"§1

Ziel und Geltungsbereich

(1) Ziel dieses Landesgesetzes ist es, Menschen mit Beeinträchtigungen ins besondere durch die Vermeidung des Entstehens von Beeinträchtigungen und von Behinderungen und durch die Verringerung von Beeinträchtigungen nach haltig zu fördern sowie ihnen ein normales Leben und eine umfassende Ein gliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, um die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen zu erreichen.

(2) [...]

§2

Menschen mit Beeinträchtigungen

(1) Als Menschen mit Beeinträchtigungen im Sinn dieses Landesgesetzes gelten Personen, die auf Grund körperlicher, geistiger, psychischer oder mehrfacher derartiger nicht vorwiegend altersbedingter Beeinträchtigungen in einem lebenswichtigen sozialen Beziehungsfeld, insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Erziehung, ihrer Berufsbildung, ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung, ihrer Erwerbstätigkeit sowie ihrer Eingliederung in die Gesellschaft wegen wesentlicher Funktionsausfälle dauernd erheblich behindert sind oder bei denen in absehbarer Zeit mit dem Eintritt einer solchen Be ein trächtigung zu rechnen ist, insbesondere bei Kleinkindern.

(2) Als Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gelten auch seh- und hör beeinträchtigte, taubblinde, stumme und gehörlose Menschen und Menschen mit zentralen Störungen der Sinnesverarbeitung und daraus resultierenden er heblichen Behinderungen in der Kommunikation und Orientierung, soweit es sich dabei nicht um Entwicklungsstörungen im Hinblick auf schulische Fertigkeiten handelt.

§3

Arten der Leistungen

(1) Zur Erreichung des Ziels nach §1 Abs1 kommen folgende Leistungen nach diesem Landesgesetz in Betracht:

1. Hauptleistungen,

2. das subsidiäre Mindesteinkommen und

3. ergänzende Leistungen.

[…]"

"§8

Arten der Hauptleistungen

(1) Als Hauptleistungen kommen in Betracht:

1. Heilbehandlung (§9);

2. Frühförderung und Schulassistenz (§10);

3. Arbeit und fähigkeitsorientierte Aktivität (§11);

4. Wohnen (§12);

5. Persönliche Assistenz (§13);

6. mobile Betreuung und Hilfe (§14).

(2) Auf die Hauptleistungen nach Abs1 besteht nach Maßgabe der von Ein richtungen, mit denen eine Vereinbarung nach §26 Abs3 besteht, angebotenen und tatsächlich verfügbaren Ressourcen ein Rechtsanspruch. Auf eine bestimmte Maßnahme im Rahmen einer Leistung nach Abs1 besteht jedoch kein Rechts anspruch.

§9

Heilbehandlung

(1) Heilbehandlung ist zu leisten, soweit dadurch eine Beeinträchtigung beseitigt oder verringert oder deren Verschlechterung verhindert werden kann.

(2) Als Maßnahmen der Heilbehandlung nach Abs1 kommen Therapien, ärzt liche Hilfe, die damit in Zusammenhang stehende Versorgung mit Heilmitteln sowie ambulante und stationäre Betreuung als selbständige, begleitende oder nachfolgende Behandlungsmaßnahme in Kranken-, Kur- und sonstigen Heil anstalten in Betracht.

(3) Die Kosten der ärztlichen Hilfe, der damit in Zusammenhang stehenden Ver sorgung mit Heilmitteln sowie der ambulanten oder stationären Betreuung gemäß Abs2 werden erstattet, sofern diese Maßnahme so dringend geleistet werden musste, dass die Behörde nicht rechtzeitig benachrichtigt werden konnte und die gemäß §21 Abs3a antragsberechtigte Person oder Einrichtung trotz angemessener Rechtsverfolgung die aufgewendeten Kosten nach keiner anderen gesetzlichen Grundlage erhält. Die Kosten werden nur bis zu jenem Betrag er stattet, der angefallen wäre, wenn diese Maßnahme nach diesem Landesgesetz gewährt worden wäre.

(4) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstaus maß der Heilbehandlung und die zeitliche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der Heilbehandlung Bedacht zu nehmen."

"§11

Arbeit und fähigkeitsorientierte Aktivität

(1) Menschen mit Beeinträchtigungen sind Maßnahmen der Arbeit und fähig keitsorientierten Aktivität zu leisten, um ihnen einen angemessenen Arbeitsplatz sowie die Erhaltung und die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten durch ent sprechende Aktivität zu ermöglichen.

(2) Als Maßnahmen nach Abs1 kommen insbesondere in Betracht:

1. berufliche Qualifizierung;

2. geschützte Arbeit, insbesondere durch besondere Formen geschützter Arbeitsplätze in Betrieben oder in geschützten Werkstätten;

3. fähigkeitsorientierte Aktivität in Einrichtungen zur Arbeitsorientierung, Ent wicklungsorientierung oder Tagesstrukturierung;

4. Arbeitsassistenz und Arbeitsbegleitung;

5. Trainingsmaßnahmen.

(3) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstaus maß der Maßnahme der Arbeit und fähigkeitsorientierten Aktivität und die zeit liche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landes regierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der Maßnahme der Arbeit und fähigkeitsorientierten Aktivität Bedacht zu nehmen.

§12

Wohnen

(1) Menschen mit Beeinträchtigungen ist eine möglichst freie und selbstbe stimmte Wahl der Wohnform zu eröffnen.

(2) Als Maßnahmen nach Abs1 kommen in Betracht:

1. Einräumung einer Wohnmöglichkeit in Wohnungen oder Wohngemein schaften mit der je nach Eigenart der Beeinträchtigung erforderlichen Betreuung und Hilfe;

2. Einräumung einer Wohnmöglichkeit in einem Wohnheim mit der je nach Eigenart der Beeinträchtigung erforderlichen Betreuung und Hilfe, wenn eine andere Wohnform auf Grund der Beeinträchtigung nicht möglich ist;

3. das Kurzzeitwohnen.

(3) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstaus maß der Maßnahme des Wohnens und die zeitliche Befristung deren Inan spruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der Maßnahme des Wohnens Bedacht zu nehmen.

§13

Persönliche Assistenz

(1) Persönliche Assistenz ist zu leisten, um Menschen mit Beeinträchtigungen je nach Eigenart der Beeinträchtigung und dem Grad der Selbstbestimmungsfähig keit die erforderliche persönliche Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen des täglichen Lebens zu ermöglichen. Zu diesen Bereichen gehören insbesondere die Sicherstellung der Grundversorgung, hauswirtschaftliche Tätig keiten, Mobilität, Freizeitgestaltung und Unterstützung bei der Kommunikation, insbesondere bei Sprach- oder Sinnesbeeinträchtigungen, nicht jedoch medizinische, therapeutische und qualifiziert pflegerische Maßnahmen oder solche der Arbeitsbegleitung oder der Arbeitsassistenz.

(2) Persönliche Assistenz nach Abs1 kommt für Menschen mit Beein trächtigungen, die von einer Wohnmöglichkeit nach §12 Abs2 Gebrauch machen, nur in Betracht, wenn sie zur Erlangung einer selbständigen Lebens führung erforderlich ist.

(3) Der Anspruch nach Abs1 umfasst die Möglichkeit des Menschen mit Be ein trächtigungen, eine geeignete Person für die Erbringung der persönlichen Assistenz auszuwählen.

(4) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstaus maß der persönlichen Assistenz und die zeitliche Befristung deren Inanspruch nahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der persönlichen Assistenz Bedacht zu nehmen.

§14

Mobile Betreuung und Hilfe

(1) Mobile Betreuung und Hilfe ist zu leisten, wenn Menschen mit Be ein trächtigungen auf Grund der Eigenart der Beeinträchtigung nicht in der Lage sind, Angelegenheiten in Bereichen des täglichen Lebens nach §13 Abs1 ohne fremde Hilfe zu besorgen und dieser Bedarf nur durch fachliches Personal ge deckt werden kann.

(2) Mobile Betreuung und Hilfe nach Abs1 kommt für Menschen mit Be ein trächtigungen, die von einer Wohnmöglichkeit nach §12 Abs2 Gebrauch machen, nur in Betracht, wenn sie zur Erlangung einer selbständigen Lebens führung erforderlich ist.

(3) Der Umfang des Anspruchs nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstaus maß der mobilen Betreuung und Hilfe und die zeitliche Befristung deren Inan spruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der mobilen Betreuung und Hilfe Bedacht zu nehmen."

"§16

Subsidiäres Mindesteinkommen

(1) Menschen mit Beeinträchtigungen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und denen ein Anspruch auf Hauptleistungen nach §§11 Abs2 Z1 bis 4, 12 Abs2 Z1, 13 oder 14 bescheidmäßig zuerkannt wurde, ist zur Ermöglichung einer angemessenen sozialen Teilhabe und eines selbstbestimmten Lebens durch einen ausreichenden Lebensunterhalt ein monatliches Mindesteinkommen zu gewähren.

(2) Das Mindesteinkommen nach Abs1 bemisst sich nach der Differenz zwischen

1. dem gemäß der Verordnung der Landesregierung nach Abs6 festgesetzten Richtsatz und

2. dem gemäß §20 Abs2 Z1 und 3 einzusetzenden Einkommen und verwert baren Vermögen.

[...]

(6) Zur Bemessung der laufenden monatlichen Geldleistungen hat die Landes regierung durch Verordnung Richtsätze so festzusetzen, dass mit dem jeweiligen Betrag die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse im Rahmen des Lebensunterhalts (Abs1), unter Berücksichtigung einer durch eine gemeinsame Haushaltsführung erzielbaren Einsparung, gedeckt werden können.

(7) Richtsätze nach Abs6 sind jedenfalls festzusetzen für Menschen mit Beein trächtigungen, die

1. nicht in Haushalts- oder Wohngemeinschaften leben (Alleinstehende);

2. in Haushalts- oder Wohngemeinschaften leben;

3. in einer Wohnmöglichkeit gemäß §12 Abs2 Z1 leben."

"§20

Beiträge und beitragspflichtige Personen

(1) Der Mensch mit Beeinträchtigungen und seine Ehegattin oder sein Ehegatte oder seine Lebensgefährtin oder sein Lebensgefährte haben bei der Gewährung von Hauptleistungen nach §8 Abs1 sowie von subsidiärem Mindesteinkommen nach §16 Abs1 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen beizutragen, es sei denn, dies würde im Einzelfall die wirtschaftliche Existenz oder Entwicklungs möglichkeit gefährden und zu besonderen Härten führen.

(2) Als Beitrag gemäß Abs1 können insbesondere herangezogen werden:

1. das Einkommen sowie das verwertbare Vermögen des Menschen mit Beein trächtigungen nach Abs3 und 5;

[...]

(5) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über die Beiträge nach Abs2 Z1 und 3 zu erlassen. Diese Verordnung hat insbesondere zu regeln:

1. welches Einkommen von Menschen mit Beeinträchtigungen in welcher Höhe zu berücksichtigen ist;

[...]

Bei der Erlassung der Verordnung ist auf die Ziele dieses Landesgesetzes Bedacht zu nehmen. In dieser Verordnung können weiters nähere Bestimmungen über die Gefährdung der Existenz und Entwicklungsmöglichkeiten sowie besondere Härten erlassen werden."

2. Die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung), LGBl für Oberösterreich 78/2008 idF LGBl für Oberösterreich 101/2010, lauten wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorge hoben):

"§2

Einkommen nach §20 Abs5 Z1 und

Z3 Oö. ChG, Freibeträge

(1) Einkommen ist die Summe aller Einkünfte in Geld oder Geldeswert.

(2) Zum Einkommen zählen jedenfalls, soweit im Folgenden nichts anderes be stimmt ist, folgende Einkünfte:

1. bei nicht zur Einkommensteuer veranlagten Personen die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit gemäß §25 Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988 (Bruttobezüge), abzüglich der nachgewiesenen Werbungskosten gemäß §16 EStG 1988 und der einbehaltenen Lohnsteuer,

2. bei zur Einkommensteuer veranlagten Personen die Einkünfte gemäß §2 Abs2 EStG 1988 ohne Abzug der Sonderausgaben (§18 EStG 1988), der Sanierungsgewinne (§36 EStG 1988), der Freibeträge nach §104 und §105 EStG 1988, der Investitionsrücklage (§9 EStG 1988) und des Investitionsbetrags (§10 EStG 1988), abzüglich der festgesetzten Einkommensteuer; sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid enthalten, so sind sie im Sinn der Z1 hinzuzurechnen,

[...]

4. alle steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unter halts, die auf Grund eines Rechtsanspruchs oder tatsächlich gewährt werden. Ausgenommen sind Leistungen aus dem Grund einer Behinderung, pflegegeld bezogene Geldleistungen, und soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die Familienbeihilfe und Unterhaltsleistungen für Kinder,

[...]"

"§4

Subsidiäres Mindesteinkommen

gemäß §16 Abs6 und 7 Oö. ChG

(1) Die Richtsätze zur Bemessung von laufenden monatlichen Geldleistungen zur Sicherung eines ausreichenden Lebensunterhalts im Sinn des §16 Oö. ChG be tragen für

1. Menschen mit Beeinträchtigungen, die alleinstehend sind

- wenn kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 692,53 Euro

- wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 336,13 Euro

2. Menschen mit Beeinträchtigungen, die in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben

- wenn kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 608,37 Euro

- wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 250,92 Euro

3. Menschen mit Beeinträchtigungen, die in einer Wohnmöglichkeit gemäß §12 Abs2 Z1 Oö. ChG leben

- wenn kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 692,53 Euro

- wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 336,13 Euro

[...]"

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

Der Verfassungsgerichtshof ist schon in seinem Prüfungsbeschluss davon ausge gangen, dass er für die Kontrolle der Bescheide gemäß Art144 Abs1 B VG §4 Abs1 Z1 Oö. ChG Beitrags- und Richtsatzverordnung anzuwenden hat, da die belangte Behörde §4 Abs1 Z1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung als Rechtsgrundlage ihrer Bescheide tatsächlich herangezogen hat und diese Vor schrift damit Voraussetzung für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in den anhängigen Rechtssachen ist. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen liegen vor. Die Oberösterreichische Landesregierung ist dieser Ansicht auch nicht entgegengetreten. Das vorliegende Verordnungsprüfungsverfahren erweist sich daher als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend er wiesen:

2.1.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, dass §4 Abs1 Z1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung bei der Richtsatzbemessung in un sach licher Weise innerhalb der Gruppe der alleinstehenden Menschen mit Be ein trächtigungen, nämlich zwischen solchen, die eine Hauptleistung beziehen, und solchen, die einen derartigen Anspruch nicht besitzen, differenziert. In VfSlg 19.660/2012 hat der Verfassungsgerichtshof die gleich lautende Be stimmung des §4 Abs1 Z1 Oö. ChG Beitrags- und Richtsatzver ordnung idF LGBl für Oberösterreich 39/2009 als gesetzwidrig aufgehoben, da diese Bestimmung hinsichtlich der Regelung des Bedarfes zum Lebens unter halt vergleich bare Gruppen von hilfebedürftigen Menschen mit Beein trächtigungen bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in unsachlicher Weise unterschiedlich behandelt hat, und zwar je nachdem, ob sie Leistungen nach dem Oö. SHG 1998 oder – wegen In anspruchnahme einer Hauptleistung – nach dem Oö. ChG be ziehen. Hiezu führte der Verfassungsgerichtshof Folgendes aus:

"2.1. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend er wiesen:

2.2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in ihrer Äußerung die vor läufige An nahme des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss bestätigt, dass das Oö. ChG zum Oö. SHG 1998 im Verhältnis der Spezialität steht, dh dass innerhalb des Kreises der Personen mit Beeinträchtigungen nur jene unter das Oö. ChG fallen, die eine der sog. 'Hauptleistungen' dieses Gesetzes benötigen. Personen mit Be einträchtigungen, die nur eine Geldleistung benötigen, können nach wie vor Geldleistungen nach dem Oö. SHG 1998 beziehen. Die Ober österreichische Landesregierung begründet diese Regelungstechnik damit, dass niemand zu einer bestimmten Leistung gezwungen werden soll. Erachtet eine Person mit Beeinträchtigungen deshalb die alleinige Geldleistung für günstiger, so solle es dieser Person freistehen, einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Oö. SHG 1998 zu stellen. Überdies würden die Leistungen des Oö. ChG – anders als vergleichbare Leistungen zuvor nach dem Oö. SHG 1998 – nunmehr ohne die Einhebung von Kostenbeiträgen gewährt.

Die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes trifft also zu, dass Personen mit körperlichen und/oder geistiger Beeinträchtigungen, die keine Hauptleistung im Sinne der §§8 ff. Oö. ChG beziehen, weiterhin den Vorschriften des Oö. SHG 1998 unterliegen. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereiches der beiden Gesetze gilt unabhängig davon, ob die betreffenden Personen im Bezug (erhöhter) Familienbeihilfe stehen.

2.3. Es hat sich im Verordnungsprüfungsverfahren ferner die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes bestätigt, dass bei einer Person mit derartigen Be einträchtigungen, die eine Hauptleistung nach dem Oö. ChG bezieht und daher unter dessen Regime fällt, gemäß §4 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung die (erhöhte) Familienbeihilfe von der Leistung zur Bestreitung des Lebensunter haltes in Abzug gebracht wird, während dies bei beeinträchtigten Personen, die in den Anwendungsbereich des Oö. SHG 1998 fallen, nicht erfolgt. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Differenzierung vermochte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss nicht zu erkennen.

2.4. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verfahren nicht zerstreut werden:

2.4.1. Der Verfassungsgerichtshof vermag allerdings der Argumentation der Oberösterreichischen Landesregierung über weite Strecken durchaus zu folgen, dies ins besondere hin sichtlich der unterschiedlichen Zwecke der beiden in Rede stehenden Gesetze und der unterschiedlichen Rechtslage bei der Inanspruch nahme von bestimmten Betreuungsleistungen, hinsichtlich derer jene nach dem Oö. ChG – im Gegensatz zur Rechtslage nach dem Oö. SHG 1998 – ohne Inan spruchnahme eines Kostenbeitrages gewährt werden. Es wird auch nicht ver kannt, dass es Hauptleistungen nach dem Oö. ChG gibt, durch deren kosten beitragsfreie Gewährung ein Teil der täglichen Bedürfnisse des Lebensunter haltes der betreffenden Person als Sachleistung abgedeckt wird, sodass es in solchen Konstellationen sachlich gerechtfertigt sein kann, die hinzutretende Geldleistung nach dem Oö. ChG entsprechend geringer zu bemessen. Es läge auch durchaus im rechtpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn er bei der Frage, in welchem Ausmaß der Bedarf hilfebedürftiger Personen durch andere Einkünfte gesichert ist, den Bezug einer Familienbeihilfe (bzw. einer erhöhten Familienbeihilfe) insoweit berücksichtigt, als diese Transfer leistung denselben Zwecken dient wie die in Rede stehende Leistung des Landes und er sie daher entweder auf eine kongruente Leistung des Landes anrechnet oder ob er diese Transferleistungen unberücksichtigt lässt. Verfassungsrechtlich geboten ist dabei aber jedenfalls, dass Gleiches entsprechend gleich behandelt wird.

2.4.2. Dies ist aber hier deshalb nicht der Fall, weil es innerhalb der Gruppe von Personen mit Beeinträchtigungen Menschen gibt, die wie die Beschwerdeführer der Anlassverfahren durch ihre Beschäftigung in geschützten Werkstätten eine solche Hauptleistung beziehen, welche 'die Bedürfnisse des täglichen Lebens im Sinne der Ermöglichung einer angemessenen sozialen Teilhabe und eines selbst bestimmten Lebens durch einen ausreichenden Lebensunterhalt' (§16 Abs1 Oö. ChG) nur dadurch und insoweit deckt, als für die Arbeitsleistung in der geschützten Werkstätte ein Entgelt gewährt wird, das auf den (um die Familien beihilfe verminderten) Richtsatz aber ohnehin anzurechnen ist. Insoweit sind die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Gruppe mit jenen Personen mit Be ein trächtigungen, die keine Hauptleistungen nach dem Oö. ChG beziehen und daher Geldleistungen nach dem Oö. SHG 1998 beanspruchen können, vergleichbar. In beiden Fällen werden (auch geringe) Einkünfte auf die richtsatzgemäße Leistung angerechnet, im erstgenannten Fall aber überdies der Richtsatz um die Familien beihilfe gemindert. Es ist daher unsachlich, wenn auf diese Weise hinsichtlich ihres Bedarfes zum Lebensunterhalt im Prinzip vergleichbare Gruppen von hilfe bedürftigen Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt je nachdem unterschiedlich behandelt werden, ob sie Leistungen nach dem Oö. SHG 1998 oder – wegen Inanspruchnahme einer Hauptleistung – nach dem Oö. ChG beziehen. Der Umstand, dass sich dieser Unterschied in Einzel fällen und in bestimmten Konstellationen nicht auswirkt oder dass er sich allenfalls in künftigen Abrechnungsperioden ausgleichen kann, vermag – selbst wenn dies zutrifft – die gruppenspezifische Ungleichbehandlung im Übrigen nicht zu recht fertigen. Daher ist es der Oberösterreichischen Landes regierung in ihrer Äußerung nicht gelungen, die Bedenken des Ver fassungs gerichtshofes zu zerstreuen.

2.5. Auch das im Verfahren von der Oberösterreichischen Landesregierung vor getragene Argument, die Anrechnung der Familienbeihilfe im Falle eines Haupt leistungsbezuges diene gerade dazu, eine Ungleichbehandlung zu ver meiden, erweist sich als nicht stichhältig.

2.5.1. Die Oberösterreichische Landesregierung bringt in diesem Zusammenhang vor, dass die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß §2 Abs1 litc des Familien lastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) davon abhängig sei, zu welchem Zeitpunkt die Beeinträchtigung eingetreten ist. Ins besondere hätten Personen, bei denen die Beeinträchtigung nach Vollendung des 27. Lebensjahres [seit BGBl I 111/2010: nach Vollendung des 25. Lebensjahres] eingetreten ist, keinen Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe, allenfalls jedoch auf eine Pension. Da diese Pension aber auf den Richtsatz ange rechnet würde, werde in solchen Fällen der Auszahlungsbetrag stark reduziert. Folglich hätte eine fehlende An rechnung der erhöhten Familienbeihilfe nach Ansicht der Oberösterreichischen Landesregierung zur Konsequenz, dass jene Personen, bei denen die Beeinträchtigung vor Voll endung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, einen höheren Leistungsanspruch besitzen.

2.5.2. Dem Verfassungsgerichtshof ist indes kein sachlicher Grund dafür erkenn bar, dass sich der Oberösterreichische Landesgesetzgeber nur bei den unter das Oö. ChG fallenden Personen veranlasst sieht, Pensionen hinsichtlich der An rechnung auf den Richt satz mit Familienbeihilfen gleich zu behandeln, wohin gegen er bei jenen Personen mit Benachteiligungen, die eine Geldleistung nach dem Oö. SHG 1998 be ziehen, eine derartige Gleichbehandlung nicht vor sieht."

2.1.2. Die Vorschrift des §4 Abs1 Z1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzver ordnung idF LGBl für Oberösterreich 101/2010 differenziert in ganz gleicher Weise wie ihre Vor gänger bestimmung bei der Richtsatzbemessung innerhalb der Gruppe der alleinstehenden Menschen mit Beeinträchtigungen zwischen Personen, die eine Hauptleistung beziehen und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Sie steht daher aus denselben Gründen wie die Norm in der vorange gangenen Fassung mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die in Prüfung gezogene Bestimmung erweist sich daher vor dem Hintergrund der im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken deshalb als gesetzwidrig, weil sie bei der Richtsatzbemessung in unsachlicher Weise innerhalb der Gruppe der alleinstehenden Personen mit Beeinträchtigungen zwischen Personen, die eine Hauptleistung beziehen und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, differenziert.

2. §4 Abs1 Z1 Oö. ChG Beitrags- und Richtsatzverordnung wurde durch die Ver ordnung der Oberösterreichischen Landesregierung, mit der die Oö. ChG Beitrags- und Richtsatz verordnung geändert wird, LGBl 114/2011, neu gefasst. Diese Verordnung trat gemäß ihrem ArtII Abs1 am 1. Jänner 2012 in Kraft; gemäß ArtII Abs2 sind die dadurch außer Kraft getretenen Richtsätze und Beträge jedoch weiterhin auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor dem 1. Jänner 2012 ereignet haben. Damit wurde §4 Abs1 Z1 Oö. ChG Beitrags- und Richtsatzverordnung, LGBl 101/2010, zwar mit LGBl 114/2011 abgeändert, gehört jedoch mit einem auf die Vergangenheit be zogenen Geltungsbereich weiterhin dem Rechts bestand an. Der Verfassungs gerichtshof hatte daher auszusprechen, dass die genannte Bestimmung als gesetzwidrig aufzuheben ist.

3. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüg lichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §60 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z4 Oö. KundmachungsG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne münd liche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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