JudikaturVfGH

B245/2013 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 2013

Spruch

I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den ersten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides (Aufhebung des Einleitungsbeschlusses im Umfang seines letztgenannten Anschuldigungspunktes und Einstellung des Disziplinarverfahrens in diesem Umfang) richtet, zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer ist durch den zweiten Absatz des Spruches des angefochtenen Be scheides weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Die Beschwerde wird in diesem Umfang abgewiesen.

Entscheidungsgründe

1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist als Beamter gemäß §17 Abs1a Z3 Poststrukturgesetz (in der Folge: PoststrukturG) der ÖBB-Postbus GmbH zur dauernden Dienstleistung zugewiesen. Er wurde bis zu seiner Dienstfreistellung am 7. August 2012 als Buslenker der Verkehrsstelle Amstetten verwendet.

2. Mit Einleitungsbeschluss vom 11. Jänner 2012 leitete die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen (in der Folge: Disziplinarkommission) gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes näher bezeichneter Dienstpflichtverletzungen ein. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (in der Folge: Berufungskommission) vom 4. April 2012 abgewiesen. Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 6. August 2012 wurde über den Beschwerdeführer wegen der genannten Dienstpflichtverletzungen eine Geldstrafe in der Höhe von € 6.000,– verhängt; dass dieses Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde, lässt sich weder der Beschwerde noch dem im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Verwaltungsakt entnehmen.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 20. September 2012 wurde der Beschwerdeführer gemäß §112 Abs3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979 vom Dienst suspendiert. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Berufungskommission vom 28. Dezember 2012 abgewiesen.

3. Mit Einleitungsbeschluss vom 4. Dezember 2012 leitete die Disziplinarkommission ein weiteres Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes von Dienstpflichtverletzungen ein: Der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit einer Kundenbeschwerde trotz der wiederholten Anordnung, in dieser Angelegenheit nicht unmittelbar Kontakt mit der Stadtgemeinde Amstetten aufzunehmen, am 25. Juni 2012 die Bürgermeisterin persönlich aufgesucht und ihr seine Stellungnahme in dieser Sache übergeben. Am 2. August 2012 habe der Beschwerdeführer diesen Sachverhalt unter Umgehung sämtlicher Vorgesetzten auch direkt dem Vorsitzenden des Vorstandes der ÖBB Holding AG übermittelt und damit nicht nur den Dienstweg umgangen, sondern auch das Betriebsklima erheblich gestört. Darüber hinaus habe er unternehmensinterne Sachverhalte willkürlich und ohne sachlichen Zusammenhang mit E Mails vom 31. Juli 2012 und 1. August 2012 an eine Mehrzahl näher bezeichneter E-Mail-Empfänger und somit einer breiten und qualifizierten Öffentlichkeit übermittelt und damit seinem Dienstgeber, der ÖBB-Postbus GmbH, in der Öffentlichkeit geschadet und das Betriebsklima weiter beeinträchtigt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied die Berufungskommission mit Bescheid vom 23. Jänner 2013 wie folgt:

"Der Berufung wird insofern stattgegeben, als der angefochtene Einleitungsbeschluss im Umfang seines letztgenannten Anschuldigungspunktes (Mails des Beschuldigten vom 31. Juli 2012 und 1. August 2012) aufgehoben und das Disziplinarverfahren in diesem Umfang gemäß §118 Abs1 Z2 BDG 1979 eingestellt wird.

Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt."

4. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten, auf Art144 B VG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Die Berufungskommission als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Rechtslage

1. §17 Abs10 PoststrukturG, BGBl 201/1996 idF BGBl I 58/2011, lautet:

"[§17.] (10) §41c des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 gilt mit der Maßgabe, dass für die einem Unternehmen nach Abs1a Z1 bis 3 zugewiesenen Beamten jeweils eigene Senate einzurichten sind, deren als Vertreter des Dienstgebers bestellte Senatsmitglieder den Unternehmen nach Abs1a zugewiesene Beamte sein müssen. Diese Senatsmitglieder sollen nach Möglichkeit rechtskundige Beamte der Verwendungsgruppen PT1 oder PT2 sein."

2. §41c BDG 1979, BGBl 333 idF BGBl I 140/2011, lautet:

"Berufungssenate

§41c. (1) Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Berufungskommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzendem und je einem Vertreter des Dienstgebers und der Dienstnehmer als weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.

(2) Das als Vertreter des Dienstgebers bestellte Senatsmitglied muß dem Ressort des Berufungswerbers angehören.

(3) Der Vorsitzende der Berufungskommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte auf diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei Verhinderung von Senatsmitgliedern als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Der Vorsitzende ist berechtigt, ausnahmsweise dem zuständigen Senat von diesem zu entscheidende Fälle abzunehmen und sie einem anderen Senat zuzuweisen, wenn bei einem Senat vorübergehend eine so große Anzahl von Fällen zur Entscheidung anfällt, daß eine rechtzeitige Entscheidung innerhalb der nach §41a Abs5 festgesetzten Frist nicht möglich ist.

(4) Die Geschäftseinteilung gemäß Abs3 ist unter dem Hinweis, dass sie von der oder dem Vorsitzenden der Berufungskommission erlassen wurde, öffentlich, jedenfalls an der Amtstafel am Sitz der Berufungskommission, kundzumachen."

III. Erwägungen

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß §118 Abs1 Z2 BDG 1979 teilweise Folge gegeben und das Disziplinarverfahren hinsichtlich des letzten Anschuldigungspunktes (E-Mails) eingestellt. Da die Rechtsposition des Beschwerdeführers in diesem Punkt somit nicht zu dessen Nachteil verändert wurde, mangelt es ihm insoweit an der formellen Beschwer (vgl. etwa VfSlg 13.433/1993). Die Beschwerde ist daher, soweit sie sich gegen den ersten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides richtet, als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch VfSlg 19.382/2011).

Soweit die Beschwerde gegen den zweiten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides gerichtet ist, ist sie zulässig.

2. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK auf Grund der Zusammensetzung der Berufungskommission kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 13.414/1993 mwN) durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid – wie den hier vorliegenden – in ein anderes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht als in das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und in das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht eingegriffen werden kann (vgl. auch VfSlg 18.281/2007, 18.428/2008 und 19.319/2011).

3. Soweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit der Zusammensetzung der Berufungskommission mit der Begründung behauptet, dass einzelne Mitglieder des entscheidenden Senates der Berufungskommission nicht die erforderliche Rechtskundigkeit aufwiesen, und damit in der Sache eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend macht, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

3.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000 und 16.572/2002).

Eine derartige Rechtsverletzung läge u.a. dann vor, wenn ein Mitglied einer Kollegialbehörde, das von Gesetzes wegen rechtskundig sein muss, diese Eigenschaft nicht aufweist.

3.2. Die – im vorliegenden Fall anzuwendende – Bestimmung des §17 Abs10 PoststrukturG ist allerdings dahingehend zu verstehen, dass das Erfordernis der Rechtskundigkeit der weiteren Mitglieder der Senate der Berufungskommission gemäß §17 Abs10 PoststrukturG iVm §41c BDG 1979 nur "nach Möglichkeit" besteht (vgl. AB 435 BlgNR 21. GP, 2) und daher die Einrichtung derartiger Senate unter Mitwirkung zweier nicht rechtskundiger Mitglieder nicht bedeutet, dass der Senat deshalb rechtswidrig zusammengesetzt wäre (vgl. auch VfSlg 18.428/2008).

3.3. Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter kommt somit nicht in Betracht, weshalb dahingestellt bleiben kann, ob der behauptete Mangel an Rechtskundigkeit einzelner Senatsmitglieder gegeben ist.

4. Weitere Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid wurden nicht vorgebracht und sind auch beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Beschwerde ist daher, soweit sie sich gegen den ersten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides richtet, als unzulässig zurückzuweisen.

2. Im Übrigen hat die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz ent spricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Die Beschwerde ist daher, soweit sie sich gegen den zweiten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite und §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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