B437/81 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. wurde mit einem (ihm durch postalische Hinterlegung am 22. August 1978 zugestellten) Einberufungsbefehl des Militärkommandos Sbg. zur Ableistung des Grundwehrdienstes (mit dem Beginn Oktober 1978) einberufen. Dieser Einberufungsbefehl wurde, da dem Bf. ein Aufschub bis 15. August 1981 bewilligt worden war, zurückgezogen.
2. Am 27. März 1981 wurde dem Bf. ein Einberufungsbefehl für den 1. Oktober 1981 zugestellt. Mit einer am 4. April 1981 zur Post gegebenen, am 6. April 1981 eingelangten Eingabe brachte der Bf. beim Militärkommando einen Antrag auf Wehrpflichtbefreiung ein. Diesen Antrag hat die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes iVm. §5 Abs1 Z1 und §6 Abs1 des Zivildienstgesetzes, BGBl. 187/1974 idF BGBl. 496/1980 (ZDG), zurückgewiesen. Der Bescheid ist nach dem Hinweis auf den Zeitpunkt der Zustellung des ersten Einberufungsbefehles (22. August 1978) wie folgt begründet:
"Nach §5 Abs1 Z1 leg. cit. ruht bei der erstmaligen Einberufung zum Grundwehrdienst das Antragsrecht ab dem zehnten Tag nach Zustellung des Einberufungsbefehles bis zur Entlassung aus dem Grundwehrdienst. Da Sie innerhalb von zehn Tagen nach der erstmaligen Einberufung keinen Antrag gestellt haben und eine Entlassung aus dem Grundwehrdienst nicht erfolgt ist, war wie im Spruch zu entscheiden.
Unerheblich ist dabei, daß der erwähnte Einberufungsbefehl aufgrund Ihres Aufschubantrages zurückgenommen wurde. Ebenso ändert der Umstand nichts, daß Ihnen am 27. 3. 1981 ein weiterer Einberufungsbefehl zugestellt worden ist. Die zehntägige Frist zur Antragstellung begann am Tag nach der Zustellung des ersten Einberufungsbefehles, das ist der 23. 8. 1978, zu laufen und endete am 1. 9. 1978.
Ein Einberufungsbefehl hat bezüglich des Antragsrechtes nach dem ZDG keine weitere als die Tatbestandswirkung, daß er die Frist gemäß §5 Abs1 ZDG auslöst. Es kann daher das spätere Zurücknehmen des Einberufungsbefehles durch das Militärkommando an dem erfolgten Fristablauf nichts ändern.
Das Wiederaufleben des Antragsrechts ist im §5 ZDG unter speziellnormierten Bedingungen (zB Entlassung aus dem Grundwehrdienst oder Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft eines abweisenden Bescheides) vorgesehen; ein Wiederaufleben des Antragsrechtes infolge Zurücknahme des Einberufungsbefehles oder infolge Zustellung weiterer Einberufungsbefehle ist im Gesetz nicht bestimmt.".
3. Gegen diesen Bescheid der ZDK richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, in den durch §2 des ZDG sowie durch Art7 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Ebenso liege eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor.
Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
4. Die belangte ZDK hat eine Gegenschrift erstattet, in der ausgeführt wird, daß der Bescheid zwar nicht aus den in seiner Begründung enthaltenen Erwägungen, aber deswegen richtig sei, weil er sich nunmehr auf §5 Abs1 Z2 ZDG stützen könne.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt (I.2.), hat die belangte ZDK die Zurückweisung des Antrages des Bf. darauf gestützt, daß der Antrag nicht innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des ersten Einberufungsbefehles gestellt wurde, und daß eine Entlassung aus dem Grundwehrdienst nicht erfolgt sei.
2. In dem Erk. VfSlg. 9304/1981 hat der VfGH ausgeführt, daß der Gesetzgeber für das Enden des in Z1 des §5 Abs1 ZDG umschriebenen Ruhensgrundes für die Antragstellung auf Befreiung von der Wehrpflicht das Tatbestandsmerkmal der "Entlassung aus dem Grundwehrdienst" festgelegt hat. Da eine "Entlassung aus dem Grundwehrdienst" begrifflich den Antritt dieses Dienstes voraussetzt, müssen Verfügungen, welche die Verpflichtung zum Dienstantritt aufheben oder suspendieren, notwendig auch die Rechtsfolgen beseitigen, die der Antritt und die weitere Ableistung des Grundwehrdienstes im System des §5 Abs1 Z1 ZDG nach sich ziehen.
Verliert ein Einberufungsbefehl (aus welchen Gründen immer - zB infolge des Aufschubes des Antrittes des Grundwehrdienstes gemäß §37 Abs6 litb des Wehrgesetzes 1978) seinen verpflichtenden Charakter, so endet damit auch der Ruhensgrund, da er durch die Leistung des Grundwehrdienstes nicht nur befristet, sondern auch bedingt ist; mit der Beendigung des Ruhensgrundes lebt aber das im ersten Satz des §5 Abs1 ZDG festgelegte Antragsrecht wieder auf. Die aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung zu verstehende Wendung "erstmalige Einberufung" bedeutet also nicht etwa den zeitlich ersten Einberufungsbefehl schlechthin, sondern jenen ersten Einberufungsbefehl, der dem tatsächlichen Antritt des bis zur Entlassung abzuleistenden Grundwehrdienstes zugrundeliegt.
3. Der dem Bf. am 22. August 1978 zugestellte Einberufungsbefehl hat zufolge seiner Zurückziehung seinen verpflichtenden Charakter und damit seine Bedeutung für den Eintritt des Ruhens des Antragsrechtes verloren. Nach den Ausführungen in Z2 hat der dem Bf. am 27. März 1981 zugestellte Einberufungsbefehl als erstmalige Einberufung zu gelten, bei der iS des §5 Abs1 Z1 ZDG das Antragsrecht ab dem zehnten Tag nach Zustellung des Einberufungsbefehles bis zur Entlassung aus dem Grundwehrdienst ruht. Damit ist es ausgeschlossen, daß der angefochtene Bescheid - wie die belangte ZDK in ihrer Gegenschrift meint - auf die Bestimmung des §5 Abs1 Z2 ZDG gestützt werden kann, weil ein Fall, in dem nach dieser Bestimmung das Antragsrecht ruht, nicht vorliegt.
Der Bf. hat den Antrag auf Wehrpflichtbefreiung innerhalb der Frist von zehn Tagen ab Zustellung des Einberufungsbefehles zu seiner erstmaligen Einberufung, somit vor dem Ablauf der Frist, der den Eintritt des Ruhens des Antragsrechtes zur Folge gehabt hätte, gestellt.
Bei der gegebenen Sachlage hat die belangte ZDK zu Unrecht den von ihr herangezogenen Ruhensgrund des §5 Abs1 Z1 ZDG angenommen. Da kein sonstiger Anlaß gegeben war, das Antragsrecht des Bf. - auch bloß für einen beschränkten Zeitraum - zu verneinen, wurde er durch die Zurückweisung seines Antrages in seinem Recht auf eine Sachentscheidung über seinen Antrag und damit iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.