B413/81 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK) vom 24. April 1981, Z 120488/1-ZDK/2/81, wurde der vom Bf. unter Berufung auf §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes, BGBl. 187/1974 idF BGBl. 496/1980 (ZDG), gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG abgewiesen.
Der Bescheid ist wie folgt begründet:
"Sie wiesen in Ihrem Zivildienstantrag auf Ihr Geschichtsstudium und die daraus gewonnenen Erkenntnisse hin. Ihrer Ansicht nach erzeugt Gewalt immer wieder Gewalt und trägt sie zur Lösung von Problemen nicht bei. Aufgrund dieser Einstellung könnten Sie es nicht verantworten, andere Menschen zu verletzen oder gar zu töten.
In der mündlichen Verhandlung ergänzten Sie sodann, daß Sie primär durch Ihr Geschichtsstudium, aber auch durch Ihre Beschäftigung mit anderen Regligionen zu Ihrem Zivildienstantrag veranlaßt worden seien. Auf die Frage des Vorsitzenden, welche Erlebnisse oder Gedankengänge Sie zur nunmehrigen Ablehnung des Wehrdienstes gebracht hätten, deponierten Sie, bereits bei den letzten Truppenübungen ein Gefühl der Niedergeschlagenheit gehabt zu haben und überhaupt vom Bundesheer enttäuscht gewesen zu sein. Die schließlich an Sie gerichtete Frage, welches Gefühl Sie beherrschen würde, wenn Sie gezwungen sein würden, Waffengewalt anzuwenden, beantworteten Sie dahin, daß Sie in einem solchen Falle überzeugt wären, zu einer wirksamen Konfliktlösung gar nichts beizutragen.
...
Prüft man nur Ihr schriftliches und mündliches Vorbringen, so enthält es im Grunde zwar ein sehr bestimmtes Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit sowie den Ausdruck einer Enttäuschung über den beim Bundesheer bereits geleisteten Dienst. Sie geben außerdem auch ihre Vorstellungen darüber bekannt, in welcher Weise Sie als künftiger Lehrer bei Ihren Schülern für Gewaltlosigkeit eintreten wollen.
Prüft man aber weiter, welche Gewissensgründe Sie vor der Kommission geltend gemacht haben, so ist zu sagen, daß das Wort 'Gewissen' lediglich in einem Absatz Ihres schriftlichen Antrages anklingt, in welchem Sie ausführen, daß Sie eine Teilnahme 'als Teil des sinnlosen Tötens nicht verantworten' können. Auf die entscheidenden Fragen dieses Verfahrens, wodurch Ihre nunmehrige Ablehnung des Wehrdienstes veranlaßt wurde und welche Gefühlsregungen Sie aufwiesen, wenn Sie eines Tages Waffengewalt anzuwenden hätten, gaben Sie hingegen Antworten, aus denen selbst bei großzügiger Beurteilung der Verfahrensergebnisse nicht geschlossen werden kann, daß Sie bei (weiterer) Wehrdienstleistung in schwere Gewissensnot gerieten.
Die ZDK konzediert Ihnen ohne weiteres eine ausgeprägte Friedensliebe (Ablehnung jeglicher Gewalt) und sogar einen im Laufe der Jahre mehr und mehr entwickelten Widerwillen gegen militärische Dienstleistung. Von solcher Einstellung sind aber sehr viele junge Männer beseelt, die Jahr für Jahr in den verschiedenen Ländern den Wehrdienst für ihren Heimatstaat leisten. Eine Einstellung dieser Art läßt sich nämlich noch keineswegs mit den 'schweren Gewissensgründen' (gegen die Anwendung von Waffengewalt) gleichsetzen, welche das österreichische ZDG für eine Wehrdienstbefreiung voraussetzt und welche Sie nach Ansicht der ZDK in nicht hinreichender Weise glaubhaft gemacht haben".
2. Gegen diesen Bescheid der ZDK richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH. Der Bf. behauptet, in dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden zu sein. Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Die bel. Beh. hat unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vorgelegt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG idF BGBl. 496/1980 besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden.
Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. VfSlg. 9391/1982).
2. Wie sich aus der Begründung (I.1.) des angefochtenen Bescheides ergibt, ist die bel. Beh. bei der Entscheidung über den vom Bf. gestellten Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht davon ausgegangen, daß dem Bf. zwar eine ausgeprägte Friedensliebe (Ablehnung jeglicher Gewalt) und ein im Laufe der Jahre mehr und mehr entwickelter Widerwille gegen militärische Dienstleistung zu bescheinigen sei; darin liege aber eine bei vielen jungen Männern vorhandene Einstellung, nicht aber ein Umstand, mit dem das Vorliegen von Gründen, nach denen die Anwendung von Gewalt gegen andere Menschen eine Gewissensnot begründet, glaubhaft gemacht werden könne.
Auch nach Auffassung des VfGH bedeutet die Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung noch nicht notwendig, daß der Bf. durch die Anwendung von Gewalt gegen andere Personen in schwere Gewissensnot geraten würde. Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Bf. haben sich aus den von ihm für die Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung vorgebrachten Gründen zufolge seiner idealistischen Einstellung nicht die im Gesetz geforderten und nach §6 Abs2 ZDG glaubhaft zu machenden Gewissensgründe ergeben.
Gerade im Hinblick auf seinen Bildungsgrad und auf den Umstand, daß er den sechsmonatigen Präsenzdienst bereits abgeleistet hatte, konnte vom Bf. nicht nur eine Darlegung der Gründe, die bei ihm für die Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung maßgeblich waren, sondern eine spezifizierte Darlegung auch der Gewissensgründe, nach denen er durch die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen bei der Ableistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten wäre, erwartet werden (vgl. VfSlg. 9391/1982).
Da die ZDK demgemäß in Würdigung des Vorbringens des Bf. davon ausgehen konnte, daß Gewissensnot im Falle der Leistung des Wehrdienstes nicht glaubhaft gemacht sei, liegt keine Verletzung des in §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung vor.
3. Da schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.