B781/83 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. beantragte mit einer an das Militärkommando Wien gerichteten Eingabe vom 17. September 1982, ihn nach dem Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974 idF der Nov. BGBl. 496/1980, (im folgenden kurz: ZDG) von der Wehrpflicht zu befreien.
Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres lehnte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid vom 28. April 1983 diesen Antrag gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG ab.
Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden kurz: ZDOK) wies - nachdem auch sie eine mündliche Verhandlung durchgeführt hatte - mit Bescheid vom 19. Oktober 1983 die dagegen vom Bf. erhobene Berufung ab.
Dieser Bescheid ist wie folgt begründet:
"Mit dem oben bezeichneten Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres wurde der Antrag des W M auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1 in Verbindung mit §6 Abs1 ZDG angewiesen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung des Genannten, mit der er die Anerkennung als Zivildienstpflichtiger anstrebt.
Da die Berufungsbehörde daraufhin das Ermittlungsverfahren zur Gänze wiederholt und sonach zu eigenen Feststellungen gelangte, erübrigt es sich, auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides im einzelnen einzugehen.
W M hatte seinen Antrag - zusammengefaßt wiedergegeben - im wesentlichen damit begründet, daß nach seiner Meinung Krieg, Gewalt oder bewaffneter Kampf absolut keine Lösung zur Bereinigung von Konflikten darstellten. Deshalb lehne er diese 'Lösungen' aus Gewissensgründen strikt ab. Erfinde, daß das Leben und die Gesundheit das Wertvollste seien, das ein Mensch besitzen könne. Aus diesem Grund könnte er sich nicht vorstellen, irgendwelche Auseinandersetzungen oder Konflikte, in die er keinen Einblick habe, durch Gewalt zu lösen. Es erscheine ihm auch unverständlich, daß auf der einen Seite versucht werde, Menschen mit allen Mitteln der Wissenschaft um Milliardenbeträge am Leben zu erhalten und auf der anderen Seite noch mehr Geld für den Ankauf von Zerstörungsmaschinen oder für Forschung und Entwicklung von besseren Tötungssystemen auszugeben.
In der Verhandlung vor der Zivildienstkommission fügte er hinzu, Konflikte könnten auch durch Reden und Verhandlungen bereinigt werden. Er versuche in seinem Leben, wo es gehe, gewalttätiges Verhalten zu vermeiden.
In der Berufungsschrift erklärte er, vor der Zivildienstkommission aus Nervosität nicht in der Lage gewesen zu sein, seine Gewissensgründe so auszudrücken, wie er sie wirklich empfinde.
In der Berufungsverhandlung endlich deponierte er, so erzogen worden zu sein, daß er gegen anderen Menschen Waffengewalt nicht anwenden könne. Die Religion spiele bei ihm keine entscheidende Rolle. Wenn man auf Gewalt verzichte, werde auch der Gegner keine Gewalt anwenden.
Die Berufung ist nicht begründet:
Soweit im Vorbringen des Rechtsmittelwerbers überhaupt die Darlegung schwerwiegender Gewissensgründe im Sinne des Gesetzes (§2 Abs1 ZDG) erblickt werden kann, ist es ihm nicht gelungen, glaubhaft zu machen (§6 Abs2 ZDG), daß die von ihm in bezug auf seine Gewissenssituation aufgestellten Behauptungen einer adäquaten inneren Überzeugung entsprechen, er also im Falle der Wehrdienstleistung tatsächlich in schwere Gewissensnot geraten würde. Vielmehr erweckte seine durch Unsicherheit des Vorbringens gekennzeichnete Parteienaussage nach Inhalt und Darbietung den Eindruck oberflächlich angeeigneter Fremdinformation. Zum Inhalt des Vorbringens ist zu bemerken, daß sich der Berufungswerber ersichtlich mit der österreichischen Verteidigungssituation noch kaum befaßte und daß er auch dem Weltgeschehen nur sehr geringe Aufmerksamkeit widmete. Anders ist es nicht zu erklären, daß er meint, wenn man im Konfliktsfall keine Gewalt anwende, werde auch der Gegner auf Gewaltgebrauch verzichten. Sein geringes Engagement in bezug auf Friedensfragen zeigte sich endlich auch darin, daß er am Tag der Berufungsverhandlung (19. Oktober 1983) nicht exakt anzugeben vermochte, wann die nächste Friedenskundgebung (22. 10. 1983) - an der er angeblich teilnehmen wollte - stattfinden werde.
Mangels der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Wehrpflichtbefreiung mußte mithin der unbegründeten Berufung ein Erfolg versagt bleiben."
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des durch §2 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
3. Die ZDOK hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Eine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG gewährleisteten Grundrechtes liegt dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hat, und weiters - da die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebliche Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Grundrechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen sind oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hat, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, VfGH 16. 10. 1982 B501/81).
Das gesamte Vorbringen des Bf. im Zuge des Verwaltungsverfahrens - wie es im oben unter I. 1. zitierten Bescheid der ZDOK zutreffend wiedergegeben wird enthält nur Darlegungen darüber, weshalb er die Anwendung von Gewalt zur Bereinigung von Konflikten für unzweckmäßig halte. Er hat aber für seine Person nicht dargetan, weshalb er im Falle der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot geraten würde. Die einzige in diese Richtung zielende Bemerkung, nämlich seine Angaben bei der Berufungsverhandlung ("Ich bin so erzogen worden, daß ich gegen einen anderen Menschen Waffengewalt nicht anwenden kann. Die Religion spielt bei mir keine entscheidende Rolle."), reicht nicht aus, um als derartige vom Gesetz geforderte Behauptungen gewertet werden zu können.
Bei einer solchen Sachlage war die ZDOK gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8787/1980, 9257/1981, 9661/1983) schon auf dem Boden der Behauptungen des Antragstellers gehalten, die von ihm begehrte Befreiung von der Wehrpflicht mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des § Abs1 ZDG zu verweigern. Ist die Befreiung von der Wehrpflicht aber schon in Ansehung des eigenen Standpunktes des Antragstellers wegen des Fehlens der materiellen Voraussetzungen abzulehnen, so ist es auch unerheblich, ob die belangte ZDOK ihren Bescheid etwa unrichtig begründet hat oder ob ihr irgendwelche Verfahrensfehler unterlaufen sind.
Die behauptete Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hat also nicht stattgefunden.
2. Im Beschwerdeverfahren kam schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervor.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.