JudikaturVfGH

B676/84 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
04. März 1985

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK) vom 22. November 1983, wurde der vom Bf. - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974, idF der Nov. BGBl. 496/1980 (ZDG) - gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG abgewiesen.

Der dagegen vom Bf. erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 2, vom 23. Mai 1984, gleichfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der durch §2 ZDG, Art14 StGG und Art9 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die Beschwerde wird im wesentlichen damit begründet, daß die ZDOK von einer unrichtigen Auslegung des §2 Abs1 ZDG ausgegangen sei, wenn sie angenommen habe, daß nur ein praktizierender Christ "die Fähigkeit zur Gewissensnot" habe. Außerdem seien der Behörde gravierende Fehler im verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen; sie habe die Angaben des Bf. zu Unrecht als "realitätsfern" und die von ihm beigebrachten Bescheinigungsmittel zur Glaubhaftmachung seiner Behauptungen als nicht ausreichend bezeichnet.

3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 50, auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (s. auch VfGH 12. März 1982 B561/81, 24. November 1983 B304/83, VfSlg. 9391/1982).

2. Eine Verletzung dieses Grundrechtes liegt nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; sie ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8033/1977, 8787/1980), woran sich auch durch die ZDG-Nov. BGBl. 496/1980 nichts änderte (vgl. zB VfGH 16. Oktober 1982 B501/81, 26. November 1982 B667/81; VfSlg. 9573/1982).

Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978 ua.), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.

3. Die bel. Beh. meint im Vorbringen des Bf. die Nennung schwerwiegender Gewissensgründe iS des ZDG erblicken zu können. Dies zu Recht, da der Antragsteller, zieht man alle seine Einlassungen im Administrativverfahren in Betracht, deutlich genug behauptete, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.

Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).

4. Die ZDOK legte der Sache nach ausführlich dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.

Entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Auffassung unterliefen der bel. Beh. dabei weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung der Bescheinigungsmittel:

Zunächst ist festzuhalten, daß der Bf. iZm. der Rüge, der Behörde seien im materiellen Bereich Fehler unterlaufen (s. oben I.2.), die Bescheidbegründung unzutreffend auslegt. Die ZDOK hat dem Gesetz keineswegs den Inhalt unterstellt, wie dies der Bf. meint; sie hat nur im Rahmen der Beweiswürdigung argumentiert, daß dem Bf. nicht geglaubt werden könne, wenn er sich nicht einmal mit der Einstellung der österreichischen Bischöfe (der Amtskirche) zum Verteidigungskrieg auseinandergesetzt habe, obgleich er großen Wert darauf lege, daß seine Gewissensentscheidung als praktizierender Katholik geprägt worden sei.

Der VfGH kann der ZDOK nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Würdigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie aufgrund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982; VfGH 24. September 1983 B128/83 VfGH 23. November 1984 B276/84).

5. Abschließend folgt daraus, daß keine Verletzung des im §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung vorliegt.

6. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (insbesondere auch nicht der durch Art14 StGG und Art9 MRK garantierten Rechte - vgl. hiezu zB VfSlg. 8033/1977) oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

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