JudikaturVfGH

B595/85 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 1986

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) vom 4. Juni 1985 wurde der auf §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes, BGBl. 178/1974 (ZDG), gestützte Antrag des Bf. auf Befreiung von der Wehrpflicht abgewiesen.

Die ZDOK hat ihre Entscheidung wie folgt begründet:

"Die Berufung ist nicht begründet.

Sie scheitert zunächst schon daran, daß der Rechtsmittelwerber auch im Verfahren zweiter Instanz nicht konkret und erörterungsfähig darlegte, aus welchen Gründen er persönlich im Falle der Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen in schwere Gewissensnot geraten würde, daß es also schon an der Behauptung eines Gewissensgrundes im Sinne des §2 Abs1 ZDG mangelt. Daß er immer schon eine große Abneigung gegen Gewaltanwendung hatte und in sich das Bestreben fühlte, anderen Menschen zu helfen, kann ebensowenig als die Behauptung eines derartigen Grundes angesehen werden, wie die Meinung, er sei für einen Frieden ohne Waffen, es sei für ihn undenkbar, eine Waffe in die Hand zu nehmen und damit Menschen zu töten, er finde Waffengewalt gegenüber Menschen für verabscheuungswürdig, und es sei für ihn undenkbar, eine Waffe in die Hand zu nehmen und dahin ausgebildet zu werden, sie gegen Menschen einzusetzen.

Selbst wenn man aber annehmen wollte, hinter seinem Gesamtvorbringen stünde doch eine dem Gesetz entsprechende Behauptung, wäre für ihn nichts gewonnen; denn es gelang ihm nicht, seine von ihm in bezug auf seine innere Situation aufgestellten Behauptungen auch glaubhaft zu machen, wie das Gesetz (§6 Abs2 ZDG) es verlangt.

Er konnte nämlich während des mit ihm geführten ausführlichen Gespräches beim Senat - der über reichhaltige Vergleichsmöglichkeiten verfügt - niemals den Eindruck erwecken, er gebe eine auf zumutbaren Überlegungen beruhende gefestigte innere Einstellung wieder, sei also von einer echten persönlichen Überzeugung erfüllt. Vielmehr wirkte sein Vorbringen floskelhaft, oberflächlich und unausgegoren und insgesamt so, daß im Senat die Ansicht entstand, eine ernsthafte Gewissensbildung im fraglichen Bereich habe bei ihm noch nicht stattgefunden, bzw. sei noch nicht abgeschlossen. Daß auch seine Angaben zu der von ihm vorgeblich bevorzugten gewaltfreien Verteidigung vage und unsubstantiiert blieben und über die gängigen Wendungen nicht hinauskamen, rundet das Bild, war aber für die Gesamtentscheidung nicht ausschlaggebend.

Bei der Beurteilung seiner Person und seines Vorbringens wurde mit in Rechnung gestellt, daß er fallweise an Sitzungen der Friedensinitiative in Wiener Neustadt teilnimmt, daß er an einer Protestkundgebung anläßlich der Ausmusterung von Offizieren in Wiener Neustadt mitwirkte und daß er auf die Vertrauensperson - einen langjährigen Freund - sehr niedergeschlagen wirkte, nachdem er den abweisenden Bescheid erster Instanz erhalten hatte. Als erwiesen wurde auch angenommen, daß er der Vertrauensperson gegenüber erklärte, in der Verhandlung erster Instanz sei der Kernpunkt seines Antrages zu wenig klar geworden, nämlich seine - auch gefühlsmäßig bedingte - Unfähigkeit, eine Waffe gegen einen anderen Menschen zu gebrauchen."

2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes, BGBl. 150/1980, auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit Erk. VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9390/1982).

b) Das Vorbringen des Bf. im Verwaltungsverfahren, insbesondere vor der bel. Beh., beinhaltet - entgegen den in der Beschwerde angestellten Mutmaßungen, die bel. Beh. habe nicht das gesamte Vorbringen des Bf. berücksichtigt - lediglich Darlegungen darüber, daß er grundsätzlich gegen Gewalt ist und die Anwendung von Waffen ablehnt. Der Bf. hat damit zwar seine Abneigung gegen die Anwendung von Waffengewalt darzutun vermocht, nicht aber - wie die bel. Beh. zutreffend ausführt -, weshalb er im Falle der Anwendung von Waffengewalt in eine schwere Gewissensnot geraten würde (VfSlg. 8033/1977, 8390/1978, 8787/1980, 8788/1980 und 9391/1982). Wie der VfGH in gleichgelagerten Fällen schon wiederholt ausgesprochen hat (s. VfSlg. 9339/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur), ist bei einer solchen Sachlage die Zivildienstoberkommission schon auf dem Boden der Behauptungen des Bf. gehalten, die von ihm begehrte Befreiung von der Wehrpflicht mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG zu verweigern. Ist die Befreiung von der Wehrpflicht aber bereits in Ansehung des eigenen Standpunktes des Antragstellers wegen des Fehlens der materiellen Voraussetzungen abzulehnen, so ist es - wie der VfGH ebenfalls in den bezogenen Erkenntnissen dargelegt hat - auch unerheblich, ob die bel. Beh. ihren Bescheid etwa unrichtig begründet hat oder ob ihr irgendwelche Verfahrensfehler unterlaufen sind.

Der VfGH braucht daher auf das Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen, mit dem der Sache nach eine unrichtige Beurteilung der vom Bf. für die Wehrpflichtbefreiung ins Treffen geführten Gründe sowie Verstöße gegen Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht liegt somit nicht vor.

2. Da auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, ist die Beschwerde abzuweisen.

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