B694/84 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Bf. ist dadurch, daß er durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien am 24. Juli 1984 um 9 Uhr festgenommen und bis 10.45 Uhr angehalten worden ist, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Entscheidungsgründe:
I. Wie der Bf. und die von ihm belangte Bundespolizeidirektion Wien übereinstimmend vorbringen, übertrug die Bundespolizeidirektion St. Pölten der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Neubau, den Strafvollzug in bezug auf zwei an den Bf. ergangene (seiner Auffassung nach infolge Zustellmängeln jedoch nicht rechtskräftig erlassene) Straferkenntnisse, gemäß denen Geldstrafen und Ersatzarreststrafen verhängt werden. Das Bezirkspolizeikommissariat Neubau verfügte daraufhin - ohne daß eine Aufforderung zum Strafantritt ergangen wäre - die Vorführung des Bf. zum Vollzug der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen. Da der hiezu am 24. Juli 1984 einschreitende Sicherheitswachebeamte den Bf. in seiner Wohnung nicht erreichte, hinterließ er eine schriftliche Verständigung. Diese veranlaßte den Bf., am selben Tag gegen 8.45 Uhr am Bezirkspolizeikommissariat vorzusprechen. Nachdem er sich dort geweigert hatte, die Geldstrafen zu bezahlen, wurde er um 9 Uhr zum Vollzug der Ersatzarreststrafen festgenommen, sodann weiter angehalten und nach Einvernahme durch einen rechtskundigen Beamten um
10.45 Uhr entlassen.
Die vom Bf. begehrte Feststellung, daß er durch diesen Freiheitsentzug im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde, ist auch nach Ansicht der bel. Beh. gerechtfertigt.
II. Der VfGH braucht sich mit der Frage, ob die erwähnten Straferkenntnisse rechtswirksam ergangen waren, nicht auseinanderzusetzen. Selbst wenn sie nämlich zu bejahen wäre, erwiese sich die zum Vollzug von Ersatzarreststrafen vorgenommene Festnehmung und Anhaltung des Bf. iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8770/1980 mit weiteren Judikaturnachweisen) als gesetzwidrig, weil (auch) der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe davon abhängt, daß die in §53 Abs1 VStG zwingend vorgesehene Aufforderung zum Antritt der Freiheitsstrafe ergangen ist. Infolge der durch §53 VStG nicht gedeckten Festnahme und Anhaltung wurde der Bf. sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.