B322/86 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) vom 8. November 1985 wurde der vom Bf. - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974 (ZDG) idF der Nov. BGBl. 496/1980 - gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht nach durchgeführter mündlicher Verhandlung gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG abgewiesen.
Dieser Bescheid wird - nach einer Zusammenfassung des Verwaltungsgeschehens und nach Darstellung der Rechtslage - damit begründet, daß der Bf. zwar zum Ausdruck gebracht habe, infolge der - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot zu geraten, daß er aber diese (taugliche) Behauptung nicht glaubhaft habe machen können:
"... Demgegenüber konnte aber den Darlegungen des Antragstellers lediglich eine ausgeprägte Friedensliebe und ein Widerwille gegen militärische Dienstleistungen, sohin eine bei vielen jungen Menschen vorhandene Einstellung entnommen werden, keinesfalls aber ein Umstand, mit dem das Vorliegen von Gründen, nach denen die Anwendung von Gewalt gegen andere Menschen eine Gewissensnot begründet, glaubhaft hätte gemacht werden können. Bloß allgemeine Äußerungen, wie etwa: 'Ich bin durchaus bereit, anderen Menschen zu helfen' oder:
'Ich würde ein Schießen nicht aushalten', konnten jedenfalls die Gewissenssituation des Berufungswerbers im Falle der Anwendung von Waffengewalt nicht erhellen.
Abgesehen von den entscheidenden inhaltlichen Mängeln seiner Ausführungen schloß aber auch das unsicher wirkende Auftreten des Berufungswerbers, das den Senat nicht zu überzeugen vermochte, eine positive Entscheidung aus. Der Berufungswerber war in keiner Phase seiner Aussage imstande, den Eindruck hervorzurufen, er vertrete ein auf reiflicher Überlegung beruhendes ernstes inneres Anliegen, von dem er voll und ganz durchdrungen ist.
Der erkennende Senat kam daher nach Prüfung und Würdigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf Grund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen persönlichen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht, daß Gewissensgründe im Sinne des Zivildienstgesetzes nicht glaubhaft gemacht wurden."
2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht behauptet und der Sache die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr und Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (s. unter VfSlg. 9391/1982, 10551/1985).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH liegt eine Verletzung des in §2 Abs1 ZDG gewährleisteten Grundrechtes dann vor, wenn die Behörde die in dieser Verfassungsbestimmung umschriebenen materiellrechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hat, und weiters - da die für den Nachweis der Voraussetzung maßgebliche Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Grundrechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen sind oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hat, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (zB VfSlg. 8787/1980, 9732/1983).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (zB VfSlg. 10551/1985) zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
2. a) In der vorliegenden Beschwerde wird gerügt, daß die ZDOK den Antrag des Bf. lediglich mit dem Hinweis auf dessen "unsicher wirkendes Auftreten" und deshalb abgewiesen habe, weil er seine Gewissensnot bloß in einfachen Worten zu erläutern versucht hätte.
b) Verfahrensverstöße gravierender Natur, die allein nach der Judikatur des VfGH (s. oben II.1.) unter dem Aspekt des §2 Abs1 ZDG Bedeutung erlangen, werden indessen mit diesen Beschwerdebehauptungen - nach Lage des Falles - nicht aufgezeigt. Die ZDOK hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In welchen Punkten ihr Ermittlungsverfahren ergänzungsbedürftig sein soll, gibt die Beschwerde gar nicht an. Tatsächlich sind augenfällige Mängel der Beweiserhebung auch nicht feststellbar. Die bel. Beh. gelangte vor allem aufgrund des vom Bf. gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung, daß seine Behauptungen nicht glaubhaft gemacht worden seien; der persönliche Eindruck kann nicht immer in voller Breite in Worte gekleidet werden (vgl. auch hiezu etwa VfSlg. 10551/1985). Die ZDOK kam keineswegs - wie der Bf. meint - vornehmlich wegen seiner geringen Ausdrucksfähigkeit und wegen seines unsicheren Auftretens zur Überzeugung, daß seine Behauptungen nicht glaubhaft seien, sondern eben deshalb, weil der Bf. aufgrund des Gesamteindruckes, den er der ZDOK vermittelte, nicht als jemand erschien, der ein auf reiflicher Überlegung beruhendes ernstes inneres Anliegen vertritt, von dem er voll und ganz durchdrungen ist.
Abschließend folgt daraus, daß keine Verletzung des in §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung vorliegt.
Da schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.