JudikaturVfGH

B910/86 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 1987

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 3, gab mit Ersatzbescheid vom 12. Juni 1986, Z133.282/5-ZDOK/3/86, - ihr erster Bescheid (vom 17. Jänner 1985) war mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1986, B415/85-6, aufgehoben worden - der Berufung des E W gegen den Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 7, vom 10. April 1984, Z133.282/1-ZDK/7/84, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §66 Abs4 AVG 1950 (abermals) nicht Folge.

1.2.1. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des Eric Winkler an den VfGH; der Bf. beruft sich darin auf die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides als verfassungswidrig.

1.2.2. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974, wiederverlautbart mit BGBl. 679/1986 als Zivildienstgesetz 1986 - ZDG, besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9391/1982, 9785/1983, 9839/1983, 9840/1983, 9842/1983, 9971/1984, 9985/1984, 10021/1984).

2.2. Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde w e s e n t l i c h e Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller ü b e r h a u p t d i e M ö g l i c h k e i t n i m m t , das Vorliegen der materiellen (Befreiungs )Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, 9362/1982, 9785/1983, 9946/1984, 9970/1984, 9989/1984, 9990/1984, 10021/1984, 10053/1984, 10056/1984).

Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978, 9785/1983, 9985/1984), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch w e s e n t l i c h e Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.

2.3.1. Die bel. Beh. geht im Ergebnis richtig davon aus, daß der Antragsteller, zieht man alle seine Einlassungen im Administrativverfahren gebührend in Betracht, deutlich erkennbar den Standpunkt einnahm, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.

Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch g l a u b h a f t

g e m a c h t werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).

2.3.2. Die ZDOK legte dem Sinn nach dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.

2.3.2.1. Das Beschwerdevorbringen zielt - insgesamt gesehen - darauf ab, daß der ZDOK gravierende Verfahrensfehler unterlaufen seien. Es wird nämlich sinngemäß namentlich zum Ausdruck gebracht, die Bescheidbegründung sei unzulänglich, treffe nur ungenügende (Sachverhalts )Feststellungen, ziehe insbesondere das Parteivorbringen nicht ausreichend und einläßlich genug in Betracht und setze sich letztlich auch mit dem Bescheinigungsmaterial nicht erschöpfend auseinander.

2.3.2.2. Dieser Vorwurf qualifizierter Verfahrens fehler hält aber einer Nachprüfung nicht stand, mag auch die Begründung des Bescheides der ZDOK in den hier entscheidenden Punkten eher knapp gehalten sein und auf die Verfahrensergebnisse, so auch auf die Einlassungen des Bf. selbst, nicht in allen Einzelheiten eingehen. Von - verfassungsrechtlich relevanten Verfahrensmängeln schwerer Natur kann aber dessen ungeachtet nicht gesprochen werden, zumal die tragenden Erwägungen und Ableitungen der Berufungsinstanz nach Wortlaut und Sinngehalt der Bescheidbegründung nicht zweifelhaft bleiben.

In Wahrheit laufen die Beschwerdeausführungen teilweise - bloß auf eine subjektive Kritik der behördlichen Beweiswürdigung hinaus, wenn einzelne Beweisumstände, welche die ZDOK als besonders bedeutsam hervorgekehrt hatte, angezweifelt wurden: Ein nach §2 ZDG bedeutsamer grober Verstoß verfahrensrechtlicher Art könnte im gegebenen Zusammenhang nur in einer der Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechenden Beweiswürdigung der ZDOK liegen (s. VfSlg. 9732/1983, 9985/1984); dies trifft hier keinesfalls zu.

2.4. Der VfGH kann der ZDOK also nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers

(§6 Abs2 ZDG) sowie auf dem Boden seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 9785/1983).

2.5. Abschließend folgt daraus, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.

2.6. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

3. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des VfGH bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

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