JudikaturVfGH

B845/88 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
26. September 1988

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 5, vom 14. Oktober 1987, Z146.193/1-ZDK/5/87, wurde der von M N E F mit Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974 (wiederverlautbart mit BGBl. 679/1986 als Zivildienstgesetz 1986 - ZDG), gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 leg.cit. abgewiesen.

1.2. Der dagegen vom Antragsteller erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 4, vom 18. Jänner 1988, Z146.193/2-ZDOK/4/87, gleichfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.

1.3.1. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des M N E F an den VfGH; der Bf. beruft sich darin auf die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG, behauptet, auch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art83 Abs2 B-VG, Art14 StGG iVm Art9 EMRK sowie Art6 Abs1 EMRK verletzt worden zu sein, und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

1.3.2. Die bel. Beh. legte die Verwaltungsakten beider Instanzen vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9391/1982, 9785/1983, 9839/1983, 9840/1983, 9842/1983, 9971/1984, 9985/1984, 10021/1984, 10111/1984 uam.).

2.1.2. Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen (Befreiungs )Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, 9362/1982, 9785/1983, 9946/1984, 9970/1984, 9989/1984, 9990/1984, 10021/1984, 10053/1984, 10056/1984, 10111/1984, 10154/1984, 10247/1984, 10264/1984 uvam.).

Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978, 9785/1983, 9985/1984), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.

2.1.3. Die ZDOK bejahte zwar die Behauptung tauglicher Gewissensgründe, gelangte jedoch - nach dem offenkundigen Sinn- und Aussagegehalt der Begründung des angefochtenen Bescheides insgesamt - zum Ergebnis, dem Bf. sei die im §2 Abs1 ZDG vorausgesetzte Glaubhaftmachung, daß er die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen aus schwerwiegenden Gewissensgründen ablehne, nicht gelungen. Sie legte ausführlich dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.

2.1.4.1. Entgegen der in der Beschwerdeschrift der Sache nach vorwiegend in Form einer bloßen appellatorischen Kritik verfochtenen Auffassung unterliefen der bel. Beh. dabei weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials: Der Bf. bekämpft nach der

unverkennbaren Zielsetzung der Beschwerdeeinreden in Wahrheit in der Hauptsache bloß die - nicht zu seinen Gunsten ausgefallene behördliche Beweiswürdigung, indem er tatsächliche Schlußfolgerungen der ZDOK in der Glaubhaftmachungsfrage als unrichtig und verfehlt hinstellen will. Er vermag damit den Umständen nach nicht aufzuzeigen, daß die beweiswürdigenden Überlegungen der Berufungsbehörde der allgemeinen Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechen: Nur dann aber könnte im gegebenen Zusammenhang - nach gefestigter Rechtsprechung des VfGH - von einem verfassungsrechtlich relevanten, groben Verstoß verfahrensrechtlicher Art die Rede sein, der nach §2 ZDG aufzugreifen wäre (zB VfSlg. 9732/1983, 9985/1984).

2.1.4.2. Des weiteren trifft es - der sinngemäßen Beschwerdeargumentation zuwider - nicht zu, daß die bel. Beh. ihren Bescheid auf Grund eines qualifiziert unzulänglichen Ermittlungsverfahrens besonders mangelhaft begründet habe, wie das Studium der Bescheidbegründung und eine Durchsicht der Administrativakten zeigen. Der Hinweis der ZDOK, der Zivildienstwerber habe sich mit Methoden gewaltfreier (Landes )Verteidigung (bisher) nicht ernsthaft befaßt, ist hier wie abrundend bemerkt sei - ersichtlich bloß als überflüssig-zusätzliches Begründungsdetail zu beurteilen, dem keine sachentscheidende Bedeutung zukam (vgl. auch: VfSlg. 10666/1985, 10674/1985, VfGH 21.2.1985 B374/84; sachverhaltsmäßig anders jedoch in: VfGH 10.12.1987 B246/87, B696/87, B1018/87).

2.1.5. Der VfGH kann der ZDOK also nach Lage dieses Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf dem Boden seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 9785/1983).

2.1.6. Abschließend folgt daraus, daß der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.

2.2. Ferner nimmt der Bf. erkennbar den nicht näher begründeten Standpunkt ein, daß ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften unter Umständen als Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu werten sei; doch kann das geltend gemachte Recht nach ständiger Rechtsprechung des VfGH durch bloßes Zuwiderhandeln gegen einfachgesetzliche Verfahrensregeln niemals verletzt werden (zB VfSlg. 7645/1975, 10140/1984, 10194/1984).

2.3. Zur Einrede, der Bf. sei in seinen Rechten nach Art6 Abs1 EMRK verletzt worden, hält der VfGH lediglich fest, daß das hier relevante Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung nicht zivilrechtlicher Natur im Sinn dieser Verfassungsbestimmung ist (vgl. die ständige Judikatur: zB VfSlg. 8856/1980, 9573/1982; VfGH 13.10.1986 B856/85).

2.4. Wenn der Bf. sich überdies auf das durch Art14 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit stützt, bleibt auf die ständige Judikatur des VfGH hinzuweisen, derzufolge dieses Recht nur religiöse Fragen betrifft (s. zB VfSlg. 8033/1977, 8390/1978, 8788/1980, 8811/1980, 9339/1982), die hier keine Rolle spielen. Die zusätzliche Berufung auf Art9 EMRK ist von vornherein verfehlt, weil diese Konventionsbestimmung - wie der VfGH schon wiederholt erkannte (vgl. VfSlg. 8033/1977, 8788/1980, 8856/1980; VfGH 28.11.1986 B460/86) - ein Recht auf Waffendienstverweigerung nicht gewährleistet.

2.5. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

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