G218/88 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
§2 des Wählerevidenzgesetzes 1973, BGBl. Nr. 601/1973, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 16. März 1990 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren zur Prüfung eines Bescheides der Bezirkswahlbehörde Wien-Umgebung vom 26. November 1987 anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
a) Der in den USA ansässige österreichische Staatsbürger Dr. K P H, der nach eigener Angabe im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz hat, erhob mit Schriftsatz vom 29. Oktober 1987 bei der Marktgemeinde Gablitz (politischer Bezirk Wien-Umgebung) Einspruch gegen die dortige Wählerevidenz mit dem Antrag, ihn in dieses Verzeichnis als Wahl- und Stimmberechtigter aufzunehmen.
b) Die Gemeindewahlbehörde der Marktgemeinde Gablitz gab diesem Einspruch mit Bescheid vom 5. November 1987 in Handhabung der §§6 und 7 Abs1 und 2 iVm §2 Abs1 und 2 Wählerevidenzgesetz 1973, BGBl. 601/1973 idF der diese Bestimmungen jedoch nicht betreffenden Novelle BGBl. 427/1985, (WählerevidenzG) keine Folge.
Begründend wurde u.a. ausgeführt:
". . . Wie der Einspruchswerber selbst angibt, hat er seinen
ordentlichen Wohnsitz in ... Washington ... USA, besitzt in
Österreich keinen Wohnsitz und ist daher in keiner Wählerevidenz eingetragen. Da die Voraussetzungen nach §2 Abs1 WählerevidenzG das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes in der Gemeinde der Antragstellung haben muß (gemeint wohl: verlangen), dies im gegenständlichen Fall nicht gegeben ist, mußte die Gemeindewahlbehörde ohne Prüfung der anderen Kriterien dem Antrag die Zustimmung versagen."
c) Gegen diesen Bescheid ergriff der Einspruchswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, das mit Bescheid der Bezirkswahlbehörde Wien-Umgebung vom 26. November 1987 abgewiesen wurde.
In der Begründung des Berufungsbescheides heißt es u.a.:
". . . Die Aufnahme in die Wählerevidenz setzt gemäß §2 Abs1 WählerevidenzG unter anderem das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes in der Gemeinde voraus. Ein ordentlicher Wohnsitz einer Person ist nach §2 Abs2 WählerevidenzG an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen und aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben.
Das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes wurde von Dr. H im eigenhändig unterfertigten Wähleranlageblatt am 30. Oktober 1987 ausdrücklich verneint.
Die Gemeindewahlbehörde hat daher unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage zu Recht erkannt, daß die Aufnahme in die Wählerevidenz mangels Vorliegens eines ordentlichen Wohnsitzes zu versagen ist . . ."
d) Gegen diesen Bescheid erhob Dr. H eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der eine Rechtsverletzung wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen (des §2 Abs1 WählerevidenzG und des §27 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1971, im folgenden: NRWO) sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Teilnahme an der Wahl des Bundespräsidenten und an Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes begehrt wird.
Der Beschwerdeführer vertritt - sinngemäß zusammengefaßt - die Auffassung, daß der einfachgesetzliche Ausschluß der sogenannten Auslandsösterreicher ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland vom Recht der Teilnahme an Wahlen (etwa zum Nationalrat), wie er im §2 Abs1 WählerevidenzG zum Ausdruck kommt, verfassungswidrig sei. In diesem Zusammenhang wird geltend gemacht, daß diese Regelung unsachlich an das Kriterium des "Wohnsitzes" (in Österreich) anknüpfe und alle Auslandsösterreicher schlechter stelle als Österreicher, die im Inland wohnen (was in Widerspruch zu Art6 Abs3 B-VG, Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG sowie Art66 und 67 des Staatsvertrags von Saint-Germain, StGBl. 303/1920, stehe), und daß die Ausschließung vom Wahlrecht überhaupt nur Folge einer gerichtlichen Verurteilung oder Verfügung sein dürfe (Art26 Abs5 B-VG). Außerdem sei §2 Abs1 WählerevidenzG mit Art8 des Staatsvertrags von Wien, BGBl. 152/1955, unvereinbar.
2. Bei Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des §2 des Wählerevidenzgesetzes 1973, BGBl. 601/1973, entstanden. Der Gerichtshof nahm an, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er bei ihrer Behandlung §2 WählerevidenzG, auf dessen Abs1 sich der Bescheid ausdrücklich stützt, ob seines untrennbaren Zusammenhanges willen in seiner Gesamtheit anzuwenden haben dürfte. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der genannten Bestimmung einzuleiten.
3. Die in Prüfung gezogene Bestimmung steht in folgendem normativen Zusammenhang:
Gemäß §1 Abs1 WählerevidenzG ist in jeder Gemeinde eine ständige Evidenz der Wahl- und Stimmberechtigten zu führen. Diese Wählerevidenz dient u.a. als Grundlage für die vor einer Wahl des Bundespräsidenten oder des Nationalrates anzulegenden Wählerverzeichnisse. §2 leg.cit. lautet:
"(1) In die Wählerevidenz sind alle Männer und Frauen einzutragen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung das 19. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrechte zum Nationalrat nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz haben.
(2) Der ordentliche Wohnsitz einer Person ist an dem Orte begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Orte zu bleiben.
(3) Hat ein Wahl- und Stimmberechtigter in mehreren Gemeinden einen ordentlichen Wohnsitz, so ist er in die Wählerevidenz der Gemeinde einzutragen, in der er am 31. Dezember des Vorjahres tatsächlich gewohnt hat. Nach diesem Umstande bestimmt sich die Eintragung auch dann, wenn jemand, falls eine Gemeinde in Wahlsprengel eingeteilt ist, in mehreren Wahlsprengeln eine Wohnung hat.
(4) Wahl- und Stimmberechtigte, die ihren ordentlichen Wohnsitz in eine andere Gemeinde verlegen, sind, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Eintragung, in die Wählerevidenz dieser Gemeinde einzutragen. In der Wählerevidenz der Gemeinde, in der sie ihren ordentlichen Wohnsitz aufgegeben haben, sind sie zu streichen. Zu diesem Zwecke hat die Gemeinde, in der die Eintragung in die Wählerevidenz erfolgt, die Gemeinde, in deren Wählerevidenz die Streichung vorzunehmen ist, unter Angabe der früheren Wohnadresse von der neuen Eintragung unverzüglich und nachweislich zu verständigen.
(5) Wahl- und Stimmberechtigte, die zum ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienst einberufen werden, sind, außer im Falle einer Verlegung ihres ordentlichen Wohnsitzes während der Leistung des Präsenzdienstes, in die Wählerevidenz der Gemeinde einzutragen, in der sie vor dem Zeitpunkt, für den sie einberufen wurden, ihren ordentlichen Wohnsitz hatten. Sind sie in diesem Zeitpunkt schon in einer Wählerevidenz eingetragen, so wird diese Eintragung durch die Einberufung zum Präsenzdienst nicht berührt.
(6) Jeder Wahl- und Stimmberechtigte darf nur einmal in den Wählerevidenzen eingetragen sein."
Die Wählerevidenz bildet gem. §26 NRWO die Grundlage für die Wählerverzeichnisse, die gem. §37 Abs2 und §39 Abs1 NRWO der Wahl zum Nationalrat und nach den genannten Bestimmungen iVm §5 Abs2 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 auch der Wahl des Bundespräsidenten zugrunde zu legen sind.
4. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, daß durch die in Prüfung gezogene Bestimmung des §2 WählerevidenzG im Effekt das aktive Wahlrecht für die Wahl zum Nationalrat und für die Wahl des Bundespräsidenten u.a. vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet abhängig gemacht wird. Dies dürfte - wie der Gerichtshof in dem dieses Verfahren bestimmenden Einleitungsbeschluß vorläufig annahm - den Bestimmungen der Art26 Abs1 und 60 Abs1 B-VG widersprechen. Im einzelnen führte der Gerichtshof seine Bedenken wie folgt aus:
"Art26 Abs1 B-VG sieht den ordentlichen Wohnsitz als Voraussetzung für das Bestehen des aktiven Wahlrechts nicht ausdrücklich vor. Hingegen wird in Art26 Abs2 B-VG für die Zuteilung der Mandate auf die einzelnen Wahlkreise ausdrücklich auf den ordentlichen Wohnsitz der Bundesbürger verwiesen. Im Gegensatz zur Regelung für das aktive Wahlrecht zum Nationalrat in Art26 Abs1 B-VG ist bei der Normierung des Wahlrechts zum Landtag (Art95 Abs1 B-VG) und in den Gemeinderat (Art117 Abs2 B-VG) die Voraussetzung des Vorhandenseins eines ordentlichen Wohnsitzes im Land bzw. in der Gemeinde ausdrücklich normiert.
Auf Grund dieser Verfassungsrechtslage hält ein Teil der Lehre den Ausschluß der Staatsbürger ohne Wohnsitz im Bundesgebiet vom aktiven Wahlrecht zum Nationalrat, der eine der Folgen der Wohnsitzklausel in §2 WählerevidenzG ist, als mit Art26 Abs1 B-VG nicht für vereinbar, weil einfachgesetzlich eine zusätzliche, nicht in der Verfassung vorgesehene Beschränkung des aktiven Wahlrechts angeordnet wird (vgl. insb. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6, Rz 323, sowie Widder,
Die Gesetzgebung, in: Schambeck (Hg), Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung, 1980, 385f). Hingegen vertreten andere Autoren die Auffassung, daß sich aus dem Zusammenhang zwischen den einzelnen Bestimmungen des Art26 B-VG sowie aus Erwägungen einer historischen Interpretation, die den Zusammenhang zwischen der einfachgesetzlichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens des B-VG und der verfassungsgesetzlichen Anordnung beachtet, die Verfassungsmäßigkeit jener gesetzlichen Regelung ergibt, die als eine der Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht zum Nationalrat den Wohnsitz im Bundesgebiet normiert (vgl. insb. Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, 1963, 568; M. Nowak, Politische Grundrechte, 1988, 337ff, insb. 340).
Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner früheren Judikatur (vgl. VfSlg. 1362/1930, 1393,1394/1931, 1401/1931) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit jener einfachgesetzlichen Regelungen erwogen, die das aktive Wahlrecht zum Nationalrat vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland abhängig machen. In seiner Entscheidung VfSlg. 1994/1950, in der freilich der hier im Vordergrund stehende Aspekt des Auslandsösterreicherwahlrechts keine Rolle gespielt hat, hat er einer solchen Regelung ausdrücklich die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit attestiert und - allerdings unter Hinweis auf Art26 Abs2 B-VG - gemeint, der ordentliche Wohnsitz bilde 'nach den im B-VG enthaltenen Grundsätzen' eine der Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht.
Der Gerichtshof sieht sich unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles allerdings veranlaßt, die damit aufgeworfene Frage neuerlich zu prüfen, und hegt aus folgenden Erwägungen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung:
a) In historischer Sicht ist festzuhalten, daß bei Abgrenzung des Kreises der aktiv Wahlberechtigten Wohnsitzklauseln in Verbindung mit Seßhaftigkeitsklauseln zunächst als 'Instrument zum Ausschluß unterprivilegierter Klassen benützt' wurden (Nowak, 338); entsprechende Klauseln waren ausdrücklich in den Verfassungstexten enthalten (Nowak, 338f). Erst die Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung 1918 eliminierte das Erfordernis der Seßhaftigkeit, behielt aber die Wahlrechtsvoraussetzung des Wohnsitzes bei (Nowak, 339).
Angesichts der Tatsache, daß die Frage, ob das Wahlrecht von Seßhaftigkeitsklauseln und Wohnsitzklauseln abhängig gemacht werden sollte, zum Zeitpunkt der Entstehung des B-VG aktuell diskutiert wurde, dürfte es von Bedeutung sein, daß das B-VG zwar in den Art95 Abs1 und 117 Abs2 das aktive Wahlrecht für die Wahlen zum Landtag und in den Gemeinderat vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes abhängig macht, nicht aber in Art26 Abs1 B-VG das Vorhandensein eines Wohnsitzes im Bundesgebiet als Wahlrechtsvoraussetzung nennt. So führen auch Kelsen-Froehlich-Merkl (Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, 1922, 94) aus, mit der Bestimmung, daß die Wahl des Nationalrates durch das Bundesvolk erfolgt, sei die Bundesbürgerschaft zur Bedingung des aktiven Wahlrechts gemacht, da unter Bundesvolk "die Gesamtheit der Bundesbürger" zu verstehen sei.
Die Tatsache, daß die Wohnsitzklauseln politisch umstritten waren, und die weitere Tatsache, daß in anderen Wahlrechtsbestimmungen des B-VG Wohnsitzklauseln aufgenommen wurden, scheint es zweifelhaft zu machen, anzunehmen, daß der Verfassungsgesetzgeber das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet als selbstverständliche Wahlrechtsvoraussetzung quasi vorausgesetzt und anerkannt hat. Dem Verfassungsgerichtshof scheinen die angeführten Argumente eher ein Indiz dafür zu sein, daß der Verfassungsgesetzgeber das Nationalratswahlrecht nicht vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet abhängig machen wollte. Er stimmt daher insofern den auch in der Literatur von Walter-Mayer und Widder in den zitierten Arbeiten vorgebrachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der das aktive Wahlrecht zum Nationalrat auf Bundesbürger mit ordentlichem Wohnsitz im Inland einschränkenden einfachgesetzlichen Regelungen vorläufig zu, zumal die dadurch bewirkte Reduzierung des als 'Bundesvolk' zur Nationalratswahl berufenen Personenkreises gewichtig sein dürfte.
Gleiche Erwägungen scheinen - da Art60 Abs1 B-VG analog dem Art26 Abs1 B-VG anordnet, daß der Bundespräsident vom Bundesvolk gewählt wird, und damit das Wahlrecht zur Bundespräsidentenwahl ebenfalls nicht an die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet knüpft - auch hinsichtlich des aktiven Wahlrechts zum Bundespräsidenten anzustellen zu sein.
b) Eine Bedachtnahme auf Art66 Abs1 Staatsvertrag von Saint-Germain, StGBl. 303/1920, (diese Bestimmung steht gem. Art149 B-VG im Rang von Bundesverfassungsrecht) unterstreicht diese Bedenken. Denn diese Bestimmung normiert u.a., daß alle österreichischen Staatsangehörigen dieselben politischen Rechte genießen sollen. Damit dürften - wie der Gerichtshof vorläufig annimmt - nicht nur die in Österreich wohnhaften Staatsbürger normativ betroffen sein, sondern tatsächlich alle Staatsbürger; dies scheint sich schon daraus zu ergeben, daß die benachbarten Regelungen des Staatsvertrags von Saint-Germain (Art64 und 65) von der Staatsangehörigkeit handeln und daß Art63 dieses Staatsvertrags bestimmte Rechte allen "Einwohnern Österreichs" einräumt, der Staatsvertrag von Saint-Germain also sehr wohl zwischen 'Einwohnern' und 'Staatsbürgern' unterscheidet.
In diesem Sinne normiert auch Art8 Staatsvertrag von Wien, BGBl. 152/1955, (gem. ArtII Z3 des BVG BGBl. 59/1964 im Rang von Bundesverfassungsrecht), daß Österreich 'allen Staatsbürgern ein freies, gleiches und allgemeines Wahlrecht' verbürgt.
c) Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner oben zitierten früheren Judikatur angenommen, daß die Durchführung eines geordneten Wahlverfahrens eine genaue Wählerevidenz der in den einzelnen Wahlkreisen wahlberechtigten Wähler voraussetzt, und hat angenommen, daß als Anknüpfungspunkt für die Führung der Wählerevidenz der ordentliche Wohnsitz in Betracht komme. Er hat damit die einfachgesetzliche Regelung, die das aktive Wahlrecht auch vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes in einer Gemeinde abhängig macht, als aus wahltechnischen Gründen gerechtfertigt akzeptiert.
Die Prämisse für diese Aussage, daß nur ein Anknüpfen an den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes eine ordnungsgemäße Wählerevidenz sicherstelle und die sachgerechte Zuordnung der Wähler zu den einzelnen Wahlkreisen ermögliche, wurde in der älteren Judikatur nicht in Frage gestellt. Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch - insbesondere angesichts einer rechtsvergleichenden Untersuchung des European Committee on Legal Cooperation (Europaratsdokument vom 6. 1. 1984, CDCJ (83) 64) über das Wahlrecht von Staatsbürgern eines Mitgliedstaates mit ausländischem Wohnsitz - Zweifel, ob diese Prämisse tatsächlich zutrifft. Es scheint nämlich der rechtsvergleichende Blick in andere Rechtsordnungen zu zeigen, daß es Wege gibt, ein ordnungsgemäßes Wahlverfahren einzurichten, ohne daß die Staatsbürger ohne Wohnsitz im Inland vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, und zwar - wie verschiedene ausländische Beispiele zeigen - auch dann, wenn das Wahlrecht auf dem Prinzip der Stimmabgabe und Mandatszuteilung in Wahlkreisen aufgebaut ist. Auch ist auf die - freilich in anderem Zusammenhang verwendete - Technik hinzuweisen, mit deren Hilfe in den §§67-69 JN ein Gerichtsstand für Personen ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland begründet wird. Weiters scheint es die Verfassungsrechtslage nicht zu verbieten, sowohl für Zwecke der Zuordnung von Staatsbürgern als auch für die Zuordnung abgegebener Stimmen zu Wahlkreisen bei entsprechend gewähltem sachlichen Anknüpfungspunkt einfachgesetzlich das Vorliegen eines Wohnsitzes zu fingieren.
Sollten sich diese vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes als zutreffend herausstellen, so dürfte damit der von ihm in seiner älteren Judikatur angenommene (einzige) Rechtfertigungsgrund für den - in Art26 Abs1 B-VG nicht ausdrücklich vorgesehenen - Ausschluß von Staatsbürgern ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland vom aktiven Wahlrecht zum Nationalrat wegfallen. Sollte sich im Gesetzesprüfungsverfahren ergeben, daß nicht für alle österreichischen Staatsbürger ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland ein sachlicher Anknüpfungspunkt (wie zB der letzte ordentliche Wohnsitz, der bloße Aufenthalt, der Wohnsitz des Dienstgebers, die Beteiligung an der letzten Volkszählung o.ä.) für einen für Zwecke der Nationalratswahl fingierten Wohnsitz in einem Wahlkreis gefunden werden kann (etwa indem eine Harmonisierung zwischen der Zahl der Wahlberechtigten in einem Wahlkreis und der für die Ermittlung der Mandatszahl in einem Wahlkreis heranzuziehenden Bürgerzahl nicht gelingt), so hätte der Gerichtshof - eventualiter - folgendes Bedenken: Es scheint, daß diesfalls der durch die in Prüfung gezogene Regelung bewirkte umfassende Ausschluß der Staatsbürger ohne inländischen Wohnsitz einen um vieles zu großen Personenkreis vom Wahlrecht, das im Prinzip als allgemeines Wahlrecht des gesamten Bundesvolkes vorgesehen ist, ausschließt, nämlich auch solche Personen, für die eine sachgerechte Zuordnung zu einem Wahlkreis an sich in Betracht käme.
Für den Ausschluß der Staatsbürger ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland vom Wahlrecht bei der Bundespräsidentenwahl scheint - da hier eine Zuordnung zu einzelnen Wahlkreisen überhaupt nicht in Betracht kommt - der genannte Rechtfertigungsgrund überhaupt nicht durchzuschlagen."
5. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren Abstand genommen.
6. Im Hinblick auf die besondere Wichtigkeit der im Prüfungsbeschluß aufgeworfenen Fragen und die bei den Organwaltern der Länder vorhandene Erfahrung bei der Handhabung der Wahlrechtsvorschriften hat der Verfassungsgerichtshof den Landesregierungen freigestellt, Äußerungen zum Gegenstand zu erstatten. Von dieser Möglichkeit haben die Burgenländische Landesregierung, die Kärntner Landesregierung, die Niederösterreichische Landesregierung, die Oberösterreichische
Landesregierung, die Salzburger Landesregierung, die Tiroler
Landesregierung, die Vorarlberger Landesregierung und die Wiener Landesregierung Gebrauch gemacht.
Während die Niederösterreichische, die Oberösterreichische, die Salzburger, die Tiroler und die Vorarlberger Landesregierung die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Ergebnis teilen, treten die Burgenländische, die Kärntner und die Wiener Landesregierung diesen Bedenken entgegen und halten die in Prüfung gezogene Bestimmung für verfassungsgemäß.
a) Die Burgenländische Landesregierung bezweifelt das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen für das vom Verfassungsgerichtshof eingeleitete Prüfungsverfahren und meint:
"Erst durch die Aufnahme in die Wählerverzeichnisse, die für jede Wahl neu aufzustellen sind (vgl. z.B. §§26 ff der Nationalratswahlordnung 1971, BGBl. Nr. 391/1970 i.d.g.F.) und nach einem allenfalls durchzuführenden Einspruchsverfahren wird das Wahlrecht des einzelnen Staatsbürgers betroffen. Zur Teilnahme an der Nationalratswahl sind nämlich nach §39 NRWO 1971 nur jene Wahlberechtigten berechtigt, deren Namen im abgeschlossenen Wählerverzeichnis enthalten sind, während alle übrigen grundsätzlich Wahlberechtigten von einer Teilnahme an der jeweiligen Wahl ausgeschlossen sind.
Sollte es zutreffen, daß Art26 B-VG eine Einschränkung des Wahlrechtes auf jene Staatsbürger, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet haben, nicht vorsieht, so könnten nach ha. Ansicht nicht der §2 des Wählerevidenzgesetzes, sondern die entsprechenden Bestimmungen der einzelnen Wahlordnungen (z.B. §39 NRWO 1971) verfassungswidrig sein. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen könnte jedoch nur aus Anlaß einer Wahl angefochten werden, weil erst nach Durchführung des Einspruchsverfahrens feststeht, ob eine Aufnahme in das Wählerverzeichnis und damit das Recht zur Teilnahme an der Wahl verweigert wird."
In der Sache führt die Burgenländische Landesregierung insbesondere aus:
"Es stellt sich jedoch die Frage, ob es für den Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 auf Grund der seinerzeit bestehenden Rechtslage nicht unzweifelhaft war, daß der ordentliche Wohnsitz im Bundesgebiet eine der Voraussetzungen für das Wahlrecht bildete und er aus diesem Grund von einer ausdrücklichen Normierung im B-VG abgesehen hat.
Wie bereits der Verfassungsgerichtshof ausführt, ist der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 bestrebt gewesen, die Wohnsitzklausel in Verbindung mit der Seßhaftigkeitsklausel abzuschaffen, weil diese als 'Instrument zum Ausschluß unterprivilegierter Klassen benutzt' wurde. Die Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung, StGBl. Nr. 115/1918, hat diesem Grundsatz jedoch nur hinsichtlich der Seßhaftigkeit Rechnung getragen und das aktive Wahlrecht weiterhin an die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes geknüpft.
Nach §17 leg.cit. konnte nämlich nur wählen, wer von der Ortswahlbehörde in das Wählerverzeichnis aufgenommen wurde, wobei die Straßen und Hausnummern zu berücksichtigen waren.
Des weiteren ergibt sich aus den §§2 und 4 leg.cit. und dem Anhang zur Vollzugsanweisung des Deutschösterreichischen Staatsrates vom 21. Dezember 1918, betreffend die Verzeichnung der Wahlberechtigten zur Wahl der konstituierenden Nationalversammlung, StGBl. Nr. 128/1918, daß ein Wohnsitz im Staatsgebiet Voraussetzung für die Wahlberechtigung war (vgl. auch 62 der Beilagen der provisorischen Nationalversammlung, S. 23).
Bemerkenswert ist auch, daß mit §1 des Gesetzes vom 9. Jänner 1919, StGBl. Nr. 15/1919, §11 der Wahlordnung insofern ergänzt wurde, als auch deutschen Reichsangehörigen das Wahlrecht zugestanden wurde, wenn sie am Tag der Wahlausschreibung ihren ordentlichen Wohnsitz in einer Gemeinde Deutschösterreichs hatten (vgl. Kelsen, Österreichisches Staatsrecht, S. 109 f, und Merkl, Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919, S. 176, FN 2). Daraus ist ebenfalls erkennbar, daß der ordentliche Wohnsitz im Bundesgebiet für die Frage der Begründung des Wahlrechts stets von Bedeutung war.
Auch das Gesetz über die Wahlordnung zur Nationalversammlung vom 20. Juli 1920, StGBl. Nr. 316/1920, hat hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes keine neue Rechtslage geschaffen, sondern die Regelungen des StGBl. Nr. 115/1918 übernommen.
Der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 hat also bei der Normierung des Art26 B-VG die einfachgesetzlichen Bestimmungen der Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung aus dem Jahr 1918 vorgefunden und sich an dieser orientiert.
Diese Wahlordnung ist auch gemäß §20 Abs2 des Übergangsgesetzes 1920 für die Wahl des ersten Nationalrates in Kraft gestanden.
Die Frage, ob das Wahlrecht von Seßhaftigkeits- und Wohnsitzklauseln abhängig gemacht werden sollte, war zwar zum Zeitpunkt der Erlassung der Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung Gegenstand grundsätzlicher Diskussionen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des B-VG im Jahre 1920 dürfte diese Diskussion jedoch bereits beendet gewesen sein, weil in den Materialien keine Beiträge in diese Richtung aufscheinen.
Nach ho. Ansicht ist der historische Verfassungsgesetzgeber davon ausgegangen, daß die Bindung des Wahlrechtes an den ordentlichen Wohnsitz nicht mehr in der Bundesverfassung selbst festgelegt werden muß und hat diese Bindung auf Grund der einfachgesetzlichen Situation als mitgedacht vorausgesetzt."
Als Indiz dafür qualifiziert die Burgenländische Landesregierung auch das sog. Homogenitätsprinzip des Art95 B-VG, die Diskussion über die Wahlpflicht sowie die Tatsache, daß auch spätere Akte der Wahlrechtsgesetzgebung die Bindung des Wahlrechts an den ordentlichen Wohnsitz nicht in Frage gestellt hätten.
Weiters heißt es in der Stellungnahme der Burgenländischen Landesregierung:
"Zum Staatsvertrag von St. Germain
Hinsichtlich der Bestimmungen des Staatsvertrages von St. Germain ist zunächst zu bemerken, daß dessen V. Abschnitt des III. Teils gem. Art149 B-VG nur insofern als Verfassungsgesetz übergeleitet wurde, als er der durch das B-VG selbst bedingten Änderung entspricht.
Aus diesem Grund vermag der Art66 des Staatsvertrages, auch wenn er über den Art26 B-VG hinausginge, den Art26 B-VG nicht abzuändern.
Darüberhinaus ist auch zu bemerken, daß dem V. Abschnitt des Staatsvertrages die Überschrift 'Schutz der Minderheiten' vorangestellt ist und auch Art66 Abs1 allen österreichischen Staatsbürgern ohne Unterschied der Rasse, der Sprache oder der Religion die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte garantiert.
Diese Bestimmung ist also primär auf den Minderheitenschutz gerichtet und nicht als eine das allgemeine Wahlrecht garantierende Verfassungsnorm zu verstehen. Ansonsten wäre es auch unverständlich, warum Art66 kein Frauenwahlrecht garantiert.
Auch der Art8 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. Nr. 152/1955, kann nach ha. Ansicht nicht für eine Interpretation des Art26 B-VG herangezogen werden, weil - wie die Materialien zeigen - anläßlich der Genehmigung des Staatsvertrages davon ausgegangen wurde, daß das bereits im B-VG normierte allgemeine, gleiche und freie Wahlrecht auch international garantiert werden sollte.
Zum Verhältnis des Art26 Abs1 zu Art95 Abs1 und 117 Abs2 B-VG
. . .
Nach ho. Ansicht kann aus der Tatsache, daß in den Art95 Abs1 und 117 Abs2 B-VG der ordentliche Wohnsitz als Voraussetzung für das aktive Wahlrecht normiert ist, nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß nach Art26 B-VG kein Bezug zum ordentlichen Wohnsitz hergestellt werden darf.
Diese beiden Regelungen sind vielmehr, wie die nachfolgende Untersuchung und die Materialien zeigen, eine spezielle Regelung für den Bereich der Landtags- und Gemeinderatswahlen. Bereits in den Verhandlungen des Unterausschusses des Verfassungsausschusses wurde das Problem angeschnitten, ob nicht als eine der Voraussetzungen für das Landtagswahlrecht der Wohnsitz im jeweiligen Land normiert werden sollte. Der Vorsitzende des Ausschusses, Dr. Bauer, hat darauf erwidert, daß dies nicht nötig sei, weil ja 'die Bedingungen des Wahlrechtes nicht enger gezogen werden dürfen als zum Nationalrat' (Walter, Die Entstehung des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der Konstituierenden Nationalversammlung, 1984, S. 197). Es ist daraus erkennbar, daß der Verfassungsgesetzgeber auf Grund der zum Zeitpunkt der Erlassung des B-VG bestehenden einfachgesetzlichen Rechtslage für Nationalratswahlen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet mitgedacht hat.
Es war daher in Abgrenzung zu diesem allgemeinen Verständnis erforderlich, für Landtagswahlen und Gemeinderatswahlen einen speziellen Wohnsitz, nämlich im jeweiligen Land oder Gemeindegebiet, zu normieren. Ansonsten wären nämlich nach dem Verständnis des Verfassungsgesetzgebers sämtliche Staatsbürger, die im Bundesgebiet ihren ordentlichen Wohnsitz haben, zu jeder Landtagswahl und Gemeinderatswahl wahlberechtigt.
Die Aufnahme des ordentlichen Wohnsitzes als Voraussetzung für das Landtags- und Gemeinderatswahlrecht in den Art95 und 117 B-VG ist deshalb kein Argument dafür, daß Art26 B-VG nicht an den ordentlichen Wohnsitz anknüpft.
Im Gegenteil, diese spezielle Regelung spricht vielmehr dafür, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber im Jahr 1920 als eine der Voraussetzungen für das Nationalratswahlrecht den ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet - ohne dies ausdrücklich zu normieren, weil auf Grund der einfachgesetzlichen Lage zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich - mitgedacht hat. Für die Landtags- und Gemeinderatswahlen war es erforderlich, diese Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes zu konkretisieren und näher zu umschreiben, weshalb hier eine ausdrückliche Regelung zu erfolgen hatte.
Zum Verhältnis der einzelnen Bestimmungen des Art26 B-VG
Auch aus der Zusammenschau der einzelnen Bestimmungen des Art26 selbst ergibt sich, daß die Bundesverfassung als eine der Voraussetzungen des Wahlrechtes den ordentlichen Wohnsitz zwar nicht ausdrücklich normiert, aber doch voraussetzt.
So wird im zweiten Satz des Absatzes 1 die Landesgesetzgebung ermächtigt, für die Nationalratswahl die Wahlpflicht anzuordnen. Bei einer Nichtberücksichtigung des ordentlichen Wohnsitzes im einem Land wäre eine Sanktionsmöglichkeit gegenüber dem Wahlpflichtigen, der die Wahl nicht ausübt, von vornherein ausgeschlossen. Es kann dem Verfassungsgesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden, daß er von vornherein auf die Durchsetzbarkeit der Wahlpflicht bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Wahlpflichtigen verzichten wollte. Bemerkenswert ist auch die Bestimmung des Art26 Abs7, durch die auch verfassungsgesetzlich die Anlegung von Wählerverzeichnissen normiert wird. Daß der Verfassungsgesetzgeber 1929 von anderen Voraussetzungen für die Eintragung in das Wählerverzeichnis ausgegangen wäre, als den bereits in der Wahlordnung zum Nationalrat vorgelegenen, kann nicht angenommen werden, weil dies sicherlich in den Materialien ihren Niederschlag gefunden hätte.
Zur Anknüpfung an andere Kriterien als die des ordentlichen Wohnsitzes
Der Verfassungsgerichtshof vermeint nunmehr entgegen der bisherigen Judikatur, daß nicht unbedingt ein Anknüpfen an den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes die Führung einer ordnungsgemäßen Wählerevidenz sicherstellt, sondern, daß - wie dies in anderen Ländern der Fall ist - auch andere Wege beschritten werden können, um eine ordnungsgemäße Wählerevidenz zu führen.
Als sachliche Anknüpfungspunkte werden dabei der letzte ordentliche Wohnsitz, der Aufenthalt, der Wohnsitz des Dienstgebers usw. beispielsweise angeführt.
Bei einem Abgehen vom ordentlichen Wohnsitz als Voraussetzung für die Aufnahme in die Wählerevidenz wird jedoch zu bedenken gegeben, daß für andere Anknüpfungspunkte in der Bundesverfassung keinerlei Grundlage gefunden werden kann. Für die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes sprechen zumindest die historische Auslegung und andere oben dargelegte Gesichtspunkte. Für eine Anknüpfung an andere Kriterien, die beispielsweise aufgezählt sind, kann keine verfassungsrechtliche Deckung gefunden werden, sodaß zu befürchten ist, daß jede andere Konstruktion verfassungsrechtlich bedenklicher ist als die derzeitige Anknüpfung.
Darüberhinaus wird bei einem Abgehen von der Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes ein Spannungsverhältnis zu Art26 Abs2 und dem der Bundesverfassung innewohnenden Gleichheitsgebot entstehen.
Nach Art26 Abs2 ist nämlich die Zahl der Abgeordneten auf die einzelnen Wahlkreise im Verhältnis der Bürgerzahl der Wahlkreise, das ist der Zahl der Bundesbürger, zu verteilen, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten.
Bei einer Zuweisung der Staatsbürger, die keinen Wohnsitz im Bundesgebiet haben, an einen Wahlkreis würde das der Bundesverfassung innewohnende Repräsentationsprinzip verzerrt.
Dies deshalb, weil den Wahlberechtigten eines Wahlkreises auch Staatsbürger angehören, die ihren ordentlichen Wohnsitz nicht innerhalb des Wahlkreises haben. Damit stünde aber die Anzahl der im Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten nicht mehr in dem von der Bundesverfassung vorgegebenen Verhältnis zu den Wahlberechtigten."
b) Die Kärntner Landesregierung vertritt in einer zunächst abgegebenen Äußerung die Ansicht, die Wählerevidenz stelle "nur bedingt eine Grundlage für die bei Nationalratswahlen anzuwendenden Wählerverzeichnisse dar" und meint dazu:
"Sie ist eigentlich nur eine im Rahmen der Einspruchs- und Berufungsverfahren noch in jeder Hinsicht Änderungen unterliegende Arbeitsgrundlage für die mit der Erstellung der Wählerverzeichnisse betrauten Gemeinden. . . .
Sollten die im Unterbrechungsbeschluß in der Sache vorgebrachten Bedenken bezüglich des Ausschlusses von österreichischen Staatsbürgern ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland auf Grund der Terminologie des Art26 Abs1 B-VG letztlich tatsächlich zutreffen, so können sich diese Bedenken nur gegen §27 der Nationalratswahlordnung richten, die die Eintragung in das Wählerverzeichnis für Nationalratswahlen vom ordentlichen Wohnsitz in einer Gemeinde im Inland zum Zeitpunkt des Stichtages abhängig macht, nicht jedoch gegen §2 des Wählerevidenzgesetzes."
In der Sache wird ausgeführt:
"Im Unterbrechungsbeschluß wird im wesentlichen die Meinung vertreten, daß der Verfassungsgesetzgeber bewußt für die Umschreibung der bei Nationalratswahlen und bei Bundespräsidentenwahlen wahlberechtigten Personen den Begriff 'Bundesvolk' gewählt habe und mit dieser Terminologie absichtlich eine von den Regelungen für die Landtags- und Gemeinderatswahlen abweichende Rechtslage schaffen wollte, die das Wahlrecht nicht vom ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet abhängig macht. Der Wortlaut der Bestimmungen scheint auf den ersten Blick diese Rechtsmeinung zu bestätigen, wenn auch festzuhalten ist, daß die dabei zur Anwendung gelangende Interpretationsmethode eher der problematischen Form einer 'e-contrario-Argumentation' zuzuordnen ist. Es muß dabei wirklich auch die Frage gestellt werden, mit welcher Begründung das Wahlrecht zu den Landtagen oder zum Gemeinderat vom ordentlichen Wohnsitz im Wahlgebiet abhängig gemacht werden soll und gleichzeitig eine solche Anforderung für das Wahlrecht zum Nationalrat und bei den Bundespräsidentenwahlen nicht verlangt werden sollte. Nur dann, wenn der Verfassungsgesetzgeber das Wahlrecht bei Nationalratswahlen und Bundespräsidentenwahlen ausdrücklich jedem österreichischen Staatsbürger (Bundesbürger) zuerkennen würde, müßte davon ausgegangen werden, daß vom Verfassungsgesetzgeber bewußt eine so weitreichende Abgrenzung des Wahlberechtigtenkreises vorgesehen wurde. Der Umstand jedoch, daß der Verfassungsgesetzgeber das Wahlrecht bei Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen nicht von der Staatsbürgerschaft (Bundesbürgerschaft) abhängig macht, sondern dies dem 'Bundesvolk' vorbehält, läßt mit einigem Recht die durch mehr als einem halben Jahrhundert als weitestgehend unbestrittene Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß der Verfassungsgesetzgeber dabei ausschließlich die im Bundesgebiet ansässigen Staatsbürger (Bundesbürger) mit dem Wahlrecht ausstatten wollte.
Auf die aus der gegenteiligen Auffassung resultierenden Probleme für die einfachgesetzliche Regelung der Zuordnung von Stimmen, die sich im Bundesgebiet örtlich nicht zuordnen lassen, wird wohl auch im Unterbrechungsbeschluß hingewiesen. Wenn dabei auch die Problematik für die Interpretation des Verfassungsinhaltes als nicht entscheidend qualifiziert wird und diese Probleme überdies als lösbar erachtet werden, so darf dabei trotzdem nicht übersehen werden, daß die dabei in Betracht kommenden Gesichtspunkte für die Anknüpfung (§§67 - 69 JN, fingierter Wohnsitz) den mit dem Wahlrecht als wesentlichen Inhalt demokratischer Willensbildung verfolgten Zweck nicht mehr gerecht zu werden vermögen.
Bei der gegenständlichen Problematik nicht außer Acht gelassen werden darf aber auch der Umstand, daß mit dem Wahlrecht, wie es die österreichische Bundesverfassung vorsieht, nicht nur staatsbürgerliche Rechte, sondern auch staatsbürgerliche Pflichten verbunden sind. So ist für mehrere Bundesländer auch für die Wahlen zum Nationalrat oder für Bundespräsidentenwahlen landesgesetzlich die Wahlpflicht verankert. Diese staatsbürgerliche Verpflichtung ist auch verfassungsrechtlich vorgezeichnet. Für Wahlberechtigte ohne ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet kann jedoch die Erfüllung einer verfassungsrechtlich vorgesehenen Wahlpflicht nicht mit jener inhaltlichen Bedeutung verlangt werden, als für im Bundesgebiet ansässige Wahlberechtigte. Dies gilt vor allem für im Ausland lebende österreichische Staatsbürger, die nie im Bundesgebiet ansässig waren."
In einer weiteren Äußerung setzt sich die Kärntner Landesregierung insbesondere mit der historischen Entwicklung auseinander und führt dazu folgendes aus:
"Für die Interpretation der Bundesverfassung und für die inhaltliche Verständnisermittlung der Verfassungsbegriffe wird - insbesondere vom Verfassungsgerichtshof - primär die historische Interpretationsmethode, das Abstellen auf die vom historischen Verfassungsgesetzgeber vorgegebene einfachgesetzliche Rechtslage, herangezogen. Eine Anwendung dieser auch als 'Versteinerungstheorie' bezeichneten Auslegungsmethode im Gegenstand rechtfertigt die gegen die Einschränkung des aktiven Wahlrechtes auf Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Bundesgebiet vorgebrachten Bedenken nicht. Eine Untersuchung der vom Bundesverfassungsgesetzgeber vorgefundenen Rechtslage (einschließlich der den Schöpfern der Bundesverfassung bekannten einschlägigen Gesetze des Deutschen Reiches und der Tschechoslowakei), der Verfassungsentwürfe sowie der weiteren Entwicklung der Verfassungsgesetzgebung aber auch der einfachen Bundesgesetzgebung zeigt, daß dem Bundesverfassungsgesetzgeber stets eine Verknüpfung des aktiven Wahlrechtes für die Nationalratswahlen (und seit 1929 für die Bundespräsidentenwahl) mit einem ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet vor Augen gestanden und daher als mitgedachte Bedingung für das Stimmrecht bei den Wahlen, für die das Wählerevidenzgesetz 1973 die Grundlage bildet, anzusehen ist.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit soll die Entwicklung der Wahlgesetzgebung in einzelne Phasen gegliedert dargestellt werden.
a) Die vom historischen Verfassungsgesetzgeber im Jahre 1920 vorgefundenen Rechtsvorschriften:
ArtII des Gesetzes vom 18. Dezember 1918, Staatsgesetzblatt Nr. 114/1918, über die Einberufung der konstituierenden Nationalversammlung bestimmte, daß 'zur konstituierenden Nationalversammlung . . . im geschlossenen Staatsgebiete 250 und in den Einflußgebieten 5 Abgeordnete auf Grund des gleichen Wahlrechtes aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechtes, die vor dem 1. Jänner 1919 das 20. Lebensjahr überschritten haben, nach dem System der Verhältniswahl gemäß der mit dem Gesetze vom 18. Dezember 1918, Staatsgesetzblatt Nr. 115/1918, erlassenen Wahlordnung gewählt' werden. Diese Betimmung ist als Ausdruck der damals für möglich erachteten Allgemeinheit und Gleichheit des Wahlrechtes zu verstehen (vergl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend §§ 11 ff, 62 der Beilagen der provisorischen Nationalversammlung S. 22; vergl. auch Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Deutsch-Österreich, II, 1919, S. 41 ff sowie Kelsen, Österreichisches Staatsrecht, 1923, S. 109 f).
Diesen Grundsätzen wurde durch die Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, Staatsgesetzblatt Nr. 115/1918, in den Bestimmungen über 'Wahlrecht und Wählbarkeit' (§§11 ff) Rechnung getragen. Gleichwohl ergab sich aus §17 leg.cit., daß nur wählen konnte, wer von der Ortswahlbehörde im Wählerverzeichnis erfaßt worden war. Dieses Verzeichnis war nach Straßen und Hausnummern anzulegen (§14 leg.cit.). Daraus - sowie aus §2 und 4 und dem Anhang der Vollzugsanweisung des Deutsch Österreichischen Staatsrates vom 21. Dezember 1918, betreffend die Verzeichnung der Wahlberechtigten zur Wahl der konstituierenden Nationalversammlung, Staatsgesetzblatt Nr. 128/1928, - ergibt sich, daß ein Wohnsitz im Staatsgebiet Voraussetzung für die Wahlberechtigung war (vergl. auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 62 der Beilagen der provisorischen Nationalversammlung, S. 23). Das wird auch durch den Umstand bestätigt, daß mit §1 des Gesetzes vom 9. Jänner 1919, Staatsgesetzblatt Nr. 15/1919, §11 der Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung durch eine Bestimmung ergänzt wurde, nach der unter der Bedingung der Gegenseitigkeit auch jene deutschen Reichsangehörigen wahlberechtigt waren, die am Tage der Verlautbarung der Wahlauschreibung ihren ordentlichen Wohnsitz in einer Gemeinde Deutsch-Österreichs hatten (vergl. auch dazu Kelsen, Österreichisches Staatsrecht, S. 109 f und Merkl, Die Verfassung der Republik Deutsch-Österreich, 1919, S. 176, Fußnote 2).
Für die Wahl in die Nationalversammlung (Nationalrat) 1920 war das 'Gesetz über die Wahlordnung zur Nationalversammlung vom 20. Juli 1920' ausschlaggebend, inhaltlich nur eine Novelle zur Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung (Staatsgesetzblatt Nr. 316/1920), mit Vollzugsanweisung der Staatsregierung vom 21. Juli 1920, Staatsgesetzblatt Nr. 351, neu verlautbart. Inhaltlich trat durch die Novelle für das hier in Rede stehende Problem keine Änderung ein, es blieb somit bei der Anknüpfung an den ordentlichen Wohnsitz (§§14 und 17 leg.cit. sowie §28 in Verbindung mit Anhang I der Vollzugsanweisung der Staatsregierung über die Durchführung der Wahl in die Nationalversammlung, Staatsgesetzblatt Nr. 352/1920; vergl. dazu grundsätzlich Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich IV, S. 133 ff; Kelsen, Österreichisches Staatsrecht, S. 157 f; Merkl, Die Verfassung der Republik Deutsch-Österreich, S. 176 ff). Die Gegenseitigkeitsklausel gegenüber dem Deutschen Reich war freilich im Gefolge des Staatsvertrages von St. Germain entfallen.
Daß der Gesetzgeber sowohl 1918 als auch 1920 immer nur ein Wahlrecht für Staatsbürger, die im Staatsgebiet einen ordentlichen Wohnsitz hatten, im Sinne hatte, ergibt sich nicht zuletzt aus der jeweiligen Diskussion über die Aufnahme einer Wahlpflicht in die Wahlordnungen. Die im Parlament gestellten Anträge enthielten stets Entschuldigungsgründe nur für Personen, die in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz hatten (vergl. den Antrag des Abgeordneten Hummer in der 10. Sitzung der provisorischen Nationalversammlung für Deutsch-Österreich am 18. Dezember 1918, Sten.Prot. S. 334 sowie den Antrag des Abgeordneten Dr. Schürff in der 96. Sitzung der konstituierenden Nationalversammlung der Republik Österreich am 20. Juli 1920, Sten.Prot. S. 3129). Auch dies ist ein Indiz für das Selbstverständnis des Gesetzgebers 1920.
Ebenso deutlich wird aus den Gesetzesmaterialien zur Wahlordnung für die Nationalversammlung (1924 der Beilagen, konstituierende Nationalversammlung, S. 11 sowie 946 der Beilagen konstituierende Nationalversammlung, S. 1) und aus Debattenbeiträgen (vergl. die Abgeordneten Dr. Adler und Dr. Schürff in der 96. Sitzung der konstituierenden Nationalversammlung der Republik Österreich am 20. Juli 1920, Sten.Prot. S. 3122 bzw. 3129), daß der Nationalversammlung die Rechtslage zumindest im Deutschen Reich und in der Tschechoslowakei genau bekannt war. In beiden Staaten war das Wahlrecht durch die Wahlgesetzgebung auf Staatsbürger beschränkt, die im Staatsgebiet ihren ordentlichen Wohnsitz hatten, obwohl weder Art20 bis 22 der Weimarer Verfassung noch §§9 und 14 der Tschechoslowakischen Verfassungsurkunde eine ausdrückliche Wohnsitzklausel enthielten. Es muß wohl angenommen werden, daß das in beiden Staaten verwirklichte Wahlrecht auch dem historischen Verfassungsgesetzgeber als Leitlinie vor Augen gestanden war und für das Verständnis von einem modernen allgemeinen und gleichen Wahlrecht prägend war.
b) Das Bundes-Verfassungsgesetz 1920
Gemäß Art26 Abs1 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1920, war der Nationalrat vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner d.J. der Wahl das 20. Lebensjahr überschritten hatten, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen. Abs2, der im wesentlichen der heutigen Fassung glich, ordnete an, daß die Zahl der Abgeordneten auf die Wahlberechtigten eines Wahlkreises (Wahlkörper) im Verhältnis der Bürgerzahl der Wahlkreise, das ist der Zahl der Bundesbürger, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten, zu verteilen war. Alles weitere war der Bundesgesetzgebung vorbehalten, wobei freilich die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung oder Verfügung sein durfte. Für den ersten Nationalrat blieb allerdings gemäß §20 Abs2 des Übergangsgesetzes 1920 die Wahlordnung für die Nationalversammlung in Kraft.
Was die Bedenken anlangt, die sich auf den Formulierungsunterschied zwischen Art26 Abs1 einerseits und Art95 Abs1 sowie Art119 Abs2 des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 andererseits stützen, da in den letztgenannten Bestimmungen sehr wohl eine Wohnsitzklausel enthalten ist (ebenso in §34 Abs3 des Übergangsgesetzes 1920 für die Wahl der Bezirksvertretungen), so läßt sich zeigen, daß der historische Verfassungsgesetzgeber eine Beschränkung des Wahlrechtes auf Wohnsitzbürger auch für Nationalratswahlen mitgedacht hat, ohne darin einen 'echten Wahlausschließungsgrund' zu erblicken.
Die Bemerkung zu Art26 des Bundes-Verfassungsgesetzes in Kelsen-Froehlich-Merkl, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich V, 1922, S. 94, unter 'Bundesvolk' sei die Gesamtheit der Bundesbürger zu verstehen, ist dadurch relativiert, daß im selben Kommentar zu Art95 leg.cit. ausdrücklich auf das für die einzelnen Wahlordnungen geltende sogenannte 'Homogenitätsprinzip' hingewiesen wird. Nichts spricht dafür, die Wohnsitzklausel des Art95 Abs1 leg.cit. als Ausnahme von diesem Prinzip zu deuten. Dagegen spricht auch die Entstehungsgeschichte des Art95 des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920. Im Unterausschuß des Verfassungsausschusses wurde zunächst die Frage aufgeworfen, ob der Wohnsitz im Lande nicht als Voraussetzung für das Landtagswahlrecht angeführt werden sollte, worauf der Vorsitzende (Abgeordneter Dr. Bauer) antwortete, daß dies nicht nötig sei, weil ja 'die Bedingungen des Wahlrechtes nicht enger gezogen werden dürfen, als zum Nationalrat' (zitiert bei Walter, Die Entstehung des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der Konstituierenden Nationalversammlung, 1984, S. 197). Daß die Wohnsitzklausel schließlich doch aufgenommen worden ist, berechtigt nicht zur Annahme, daß sich das Selbstverständnis des Verfassungsgesetzgebers, wie es in der Bemerkung des Abgeordneten Dr. Bauer zum Ausdruck kommt, geändert hätte, da dies, wie Nowak, Politische Grundrechte, 1988, S. 340, festhält, sicher in den Beratungen zum Ausdruck gekommen wäre. Die Formulierung dieser beiden Artikel dürfte eher aus sprachlichen Gründen den ordentlichen Wohnsitz erwähnen, weil sonst alle Staatsbürger zu allen Landtagen (Gemeinderäten) wahlberechtigt wären. Die Geschichte des Bundes-Verfassungsgesetzes spricht jedoch darüberhinaus ganz allgemein für die Annahme, daß der historische Verfassungsgesetzgeber die Verknüpfung des Wahlrechtes mit einem ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet, wie er es in den bisherigen republikanischen Wahlordnungen vorgefunden hat, durch die Wortwahl in Art26 Abs1 B-VG nicht aufgeben wollte. Es trifft zu, daß zwar, insbesondere auf Seite der Sozialdemokratie - Seßhaftigkeitsklauseln äußerst umstritten waren, nicht aber die in den meisten Nachbarstaaten Österreichs üblichen Wohnsitzklauseln. Wie Nowak, aaO, S. 340 betont, wurde 1918 zwar die Seßhaftigkeitsklausel mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechtes als Verfassungsprinzip fallengelassen, das Erfordernis des Wohnsitzes gemäß §66 JN für den Stichtag der Wahlauschreibung jedoch beibehalten, um alle Wahlberechtigten ordnungsgemäß erfassen zu können. Für den Willen des historischen Verfassungsgesetzgebers, von dieser zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundesverfassung geltenden und, wie noch zu zeigen sein wird, dem europäischen Standard durchaus entsprechenden Rechtslage abzugehen, findet sich kein Beleg. Die einzelnen Entwürfe für die Bundesverfassung (vergl. Ermacora, Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht, 1920, 1967) enthalten ebenso wie die Vorentwürfe Kelsens (vergl.
Schmitz, Die Vorentwürfe Hans Kelsens für die Österreichische
Bundesverfassung, 1981, S. 144 f und 216 f; Ermacora, Die
Österreichische Bundesverfassung und Hans Kelsen, 1982, S. 177
f und S. 322 f) weder für die 'Bundeswahlen' noch für die
Landtagswahlen eine Wohnsitzklausel. Einen weiteren Hinweis auf
das Verständnis des historischen Verfassungsgesetzgebers bietet
der sogenannte 'Renner-Mayr-Entwurf', der in Art39 zwar keine
Wohnsitzklausel, wohl aber eine Bestimmung über eine ständige
Bürgerliste, mithin eine 'Wählerevidenz' enthält. In den
Erläuterungen zu Art39 dieses Entwurfes ist davon die Rede,
daß 'nunmehr . . . nach englischem Vorbild gemeindeweise alle
Staatsbürger in einer ständigen und allgemeinen Bürgerliste
geführt werden . . ." sollen (vergl. den Abdruck des Entwurfes
bei Ermacora, Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht, 1920, 1967, S. 133 ff, insbesondere S. 261). Wenn auch 1920 eine ständige Wählerevidenz noch nicht ausdrücklich in der Verfassung vorgesehen war (dies geschah erst 1929), so zeigt doch die Erwähnung des englischen Systems der Wählerverzeichnisse die Anknüpfung an den ordentlichen Wohnsitz.
Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 - ungeachtet der unterschiedlichen Wortwahl in Art26 Abs1 und Art95 Abs1 (bzw. Art119 Abs2 sowie auch §34 des Übergangsgesetzes 1920) - vom Erfordernis des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet als Voraussetzung für das Wahlrecht nicht abgegangen ist. Auf die Frage, inwieweit die Rezeption des Art66 des Staatsvertrages von St. Germain durch Art149 Abs1 des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 etwas an dieser Beurteilung ändert, wird noch eingegangen.
c) Die Nationalratswahlordnung 1923:
Als einfaches Bundesgesetz ist die erste Wahlordnung für den Nationalrat vom 11. Juli 1923, BGBl. Nr. 367, nicht geeignet, die einschlägigen Vorschriften des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 gleichsam authentisch zu interpretieren; sie ist jedoch ein nützliches Hilfsmittel für die Ermittlung des Verständnisses der Wahlrechtsvoraussetzungen, das der Bundesverfassungsgesetzgeber zumindest seit 1929 gehabt haben muß.
Aus den §§25 in Verbindung mit 30 Abs1 leg.cit. ergibt sich, daß wahlberechtigt nur war, wer in einer Gemeinde am 1. Jänner vor der Wahl einen ordentlichen Wohnsitz hatte. Dieses Erfordernis ist - soweit aus den stenographischen Protokollen des Nationalrates ersichtlich - während der Beratungen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in Frage gestellt worden. Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei wandten sich allerdings bereits in der ersten Lesung scharf gegen die Absicht der Bundesregierung, mit dem Hinweis auf die in England und der Tschechoslowakei bestehenden Einrichtungen ständige Wählerverzeichnisse einzuführen und mit der Führung dieser Verzeichnisse die Meldebehörden (somit unter anderem die Bundespolizeibehörden) zu betrauen (vergl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 420 der Beilagen des Nationalrates, I. GP S. 15 sowie die zahlreichen Hinweise zum tschechoslowakischen Vorbild in der Wortmeldung des Vizekanzlers Dr. Frank in der 177. Sitzung des Nationalrates am 13. April 1923, Sten.Prot. des Nationalrates S 5446 f). Die Bedenken der Sozialdemokraten richteten sich allerdings nicht gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes, sondern gegen die befürchtete Einführung einer verdeckten Seßhaftigkeitsklausel, die die potentielle Wählerschaft der sozialdemokratischen Partei benachteiligt hätte.
d) Die B-VG-Novelle 1929:
Die Bestimmungen der Wahlordnung für den Nationalrat, BGBl. Nr. 367/1923, über die Wählerverzeichnisse sind prägend gewesen für den Bundesverfassungsgesetzgeber, als 1929 Art26 des Bundes-Verfassungsgesetzes neu gefaßt wurde. Dem Verfassungsgesetzgeber mußte aber auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 299/1924, bekannt gewesen sein, in dem der Verfassungsgerichtshof sich umfassend über das sogenannte 'Homogenitätsprinzip' für die Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern in Art95 Abs2 und 119 Abs2 des Verfassungsgesetzes geäußert hat und die Unbedenklichkeit der Wohnsitzklauseln der Wahlordnung zum Nationalrat bestätigt hat.
Durch ArtI §12 der B-VG-Novelle 1929, BGBl. Nr.392, wurde, ohne die Umschreibung der Wahlrechtsvoraussetzungen zu ändern, das Wahlalter in Art26 Abs1 des Bundes-Verfassungsgesetzes hinaufgesetzt und eine Ermächtigung für den Bundesgesetzgeber, bei Gegenseitigkeit das Wahlrecht auch Personen, die nicht die Bundesbürgerschaft besitzen (wohl aber offenkundig einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet) einzuräumen sowie die auch heute noch geltenden Bestimmungen über eine etwaige Wahlpflicht angefügt. Die Möglichkeit, ähnlich wie bereits 1918 bei Gegenseitigkeit auch Personen ohne Bundesbürgerschaft das Wahlrecht zu gewähren, ist ein deutliches Indiz dafür, daß der historische Verfassungsgesetzgeber den ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet als Voraussetzung für das Wahlrecht mitgedacht hat.
Eine bedeutende Ergänzung erfuhr Art26 B-VG jedoch vor allem durch die Hinzufügung der Abs7 und 8, die erstmals auch verfassungsgesetzlich ständige Wählerverzeichnisse, die von den Gemeinden (bzw. Bundespolizeibehörden) anzulegen waren, vorsahen. Daß der Bundesverfassungsgesetzgeber dabei von anderen als im wesentlichen bereits in der Wahlordnung zum Nationalrat aus 1923 vorgefundenen Anknüpfungspunkten für die Eintragung in die Wählerverzeichnisse ausgehen wollte, ist nicht anzunehmen, zumal eine derartige Absicht in den parlamentarischen Beratungen zweifellos ihren Niederschlag gefunden hätte.
Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist die Ergänzung des Art95 Abs3 des Bundes-Verfassungsgesetzes durch ArtI §46 der 2. B-VG-Novelle, wonach den Landtagswahlen die ständigen Wählerverzeichnisse für die Wahlen zum Nationalrat zugrunde zu legen waren. Diese ständigen Wählerverzeichnisse konnten nämlich nur dann eine Grundlage für Landtagswahlen bilden, wenn sie dem Art95 Abs1 entsprachen, somit das Wahlrecht an das Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes knüpften.
e) Das Bundesgesetz vom 20. März 1930 über die Anlegung ständiger Wählerverzeichnisse (Bürgerlisten), BGBl. Nr. 85/1930:
Gemäß §2 dieses sogenannten '1. Bürgerlistengesetzes' waren in die Bürgerlisten alle österreichischen Bundesbürger einzutragen, die unter anderem am letzten Tage der Auflegung der Bürgerlisten in der Gemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz hatten. Bemerkenswert ist eine Aussage im Bericht des Verfassungsausschusses (450 der Beilagen des NR, III. GP S. 2), wonach 'bei der Veranlagung der Wähler im wesentlichen an den altbewährten Vorschriften über die Veranlagung der Wähler wie sie in der Wahlordnung vom Jahre 1923 enthalten sind, festgehalten' worden sei.
Dieses einfache Bundesgesetz wurde weder von der Lehre (vergl. Adamovich, aaO, S. 128) noch vom Verfassungsgerichtshof für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten. Daß der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken hatte, erklärt sich daraus, daß er im Erkenntnis vom 29. Oktober 1929, Slg. Nr. 1362, festgestellt hatte, es gehe aus Art26 Abs1, 2 und 7 B-VG hervor, daß jeder Bundesbürger, der nach seinem Alter wahlberechtigt ist, seinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet hat und bei dem keine Ausschlußgründe vom Wahlrecht bestehen, zwecks Ermöglichung der Ausübung seines Wahlrechtes in die zuständigen Wählerverzeichnisse einzutragen ist. Keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des 1. Bürgerlistengesetzes äußerte der Verfassungsgerichtshof auch in den Erkenntnissen Slg. Nr. 1361/1930, 1393/1931, 1394/1931, 1400/1931, 1401/1931, 1402/1931 und 1412/1931.
f) Die B-VG-Novelle 1932 und das sogenannte
2. Bürgerlistengesetz:
Am 18. August 1932 beschloß der Nationalrat sowohl ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Art26 und 95 B-VG geändert wurden, als auch ein mit diesen Änderungen abgestimmtes (2.) Bundesgesetz über die Anlegung von Verzeichnissen der Wahl- und Stimmberechtigten (Bürgerlisten). Beide Gesetze wurden am selben Tag mit BGBl. Nr. 244 und 245/1932, kundgemacht. §1 des zitierten Bundes-Verfassungsgesetzes hob Art26 Abs7 und Art95 Ab 3 letzter Satz B-VG in der Fassung 1929 auf. Das erwähnte Bundesgesetz trug dieser Änderung Rechnung, behielt jedoch das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet als Voraussetzung für die Eintragung in die Wählerverzeichnisse bei. Aus diesen beiden am selben Tag gefaßten Gesetzesbeschlüssen folgt, daß dem in Art26 Abs7 B-VG (in Erfassung der Novelle 1932, BGBl. Nr. 244) enthaltenen Terminus 'Wählerverzeichnis' die Bedeutung zukommt, die ihm das
'2. Bürgerlistengesetz' gibt. Daß ein ordentlicher Wohnsitz im Bundesgebiet auch vom Bundesverfassungsgesetzgeber mitgedacht sein mußte, ist offensichtlich. Daran vermochte auch die Aufhebung des '2. Bürgerlistengesetzes' durch das Bundesgesetz über die Einwohnerverzeichnung, BGBl. Nr. 406/1935, nichts zu ändern.
In der Fassung der B-VG-Novelle 1932 sind die das Wahlrecht betreffenden Artikel des B-VG - nach herrschender Auffassung (vergl. Walter, System des österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 1972, S. 28) - am 19. Dezember 1945 wieder in Kraft getreten.
g) Das Wahlgesetz 1945:
Die ersten Wahlen zum Nationalrat nach der Unabhängigkeitserklärung fanden am 25. November 1945 auf Grund des Verfassungsgesetzes vom 19. Oktober 1945 über die erste Wahl des Nationalrates, der Landtage und des Gemeinderates der Stadt Wien in der befreiten Republik Österreich (Wahlgesetz), Staatsgesetzblatt Nr. 198/1945, statt. §6 Abs1 dieses Verfassungsgesetzes erklärte für wahlberechtigt zum Nationalrat alle österreichischen Staatsbürger, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen waren.
§6 Abs2 leg.cit. enthielt -in Anlehnung offenbar an Art95 Abs1 B-VG - für Landtagswahlen eine Wohnsitzklausel. Obwohl jedoch die Umschreibung der Wahlrechtsvoraussetzungen dem B-VG (das zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war) folgte, machte §9 Abs2 in Verbindung mit §13 Abs2 des Wahlgesetzes das Wahlrecht von einem 'ständigen Wohnsitz' im Staatsgebiet abhängig. Ausnahmen bestanden nach §21 leg.cit. nur für Kriegsheimkehrer. Das Wiederinkrafttreten des B-VG am 19. Dezember 1945 brachte keine Änderung der Wahlrechtsvoraussetzungen mit sich, da sich die provisorische Staatsregierung als Verfassungsgesetzgeber ohnehin am B-VG orientiert hatte.
h) Die Nationalratswahlordnung, BGBl. Nr. 129/1949:
Durch die Verfassungsbestimmung des §22 Abs1 der Nationalratswahlordnung, BGBl. Nr. 129/1949, wurde das aktive Wahlrecht neu gefaßt und damit Art26 Abs1 erster Satz B-VG derogiert. Unter einem wurde im §23 Abs1 in Verbindung mit §30 leg.cit. erneut das Wahlrecht vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet abhängig gemacht. Dieser Gesetzgebungsakt kann widerspruchsfrei nur gedeutet werden, wenn man einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet - wie seit 1918 - als mitgedachte Voraussetzung des Wahlrechtes versteht. Andernfalls müßte man dem Bundesgesetzgeber unterstellen, in einem Gesetz, das eine einschlägige Verfassungsbestimmung enthält, unter einem einen verfassungswidrigen Willen zum Ausdruck gebracht zu haben.
i) Die Gesetzgebung seit der Nationalratswahlordnung 1949:
Die Verfassungsbestimmung in §22 Abs1 der Nationalratswahlordnung 1949 blieb - über etliche Novellen und Verlautbarungen hinweg - bis zum Inkrafttreten der Nationalratswahlordnungsnovelle 1968, BGBl. Nr. 413, als solche bestehen. Durch ArtI Z. 1 dieser Novelle wurde das Wort 'Verfassungsbestimmung' im §22 Abs1 eliminiert und durch ArtI lita der am selben Tag beschlossenen Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1968, BGBl. Nr. 412, jene Fassung des Art26 Abs1 geschaffen, die im wesentlichen noch heute gilt. Ebenfalls am selben Tag wurde das zu diesem Zeitpunkt geltende Wählerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 243/1960, novelliert, wobei jedoch das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet beibehalten wurde (BGBl. Nr. 414/1968). Da seit diesem Zeitpunkt keine bundesverfassungsgesetzliche Regelung getroffen worden ist, die an den Wahlrechtsvoraussetzungen etwas geändert hat (sieht man vom Abstellen auf einen Stichtag seit der B-VG-Novelle 1978, BGBl. Nr. 92 ab), ergibt sich zusammenfassend, daß der historische Verfassungsgesetzgeber seit 1918 offenbar vom Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet ausgegangen ist."
Die Kärntner Landesregierung meint weiters, die Verfassungsmäßigkeit einer Wohnsitzklausel sei aus Art26 Abs2 B-VG ableitbar:
"Gemäß Art26 Abs2 B-VG ist das Bundesgebiet in räumlich geschlossene Wahlkreise einzuteilen. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlberechtigten eines Wahlkreises (Wahlkörper) im Verhältnis der Bürgerzahl der Wahlkreise, das ist der Zahl der Bundesbürger zu verteilen, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten. Daraus folgt, daß die Zahl der in einem Wahlkreis zu stellenden Abgeordneten im Verhältnis zu den in diesem Wahlkreis lebenden Staatsbürgern, die dort ihren ordentlichen Wohnsitz haben, zu bestimmen ist. Die Anzahl der zu wählenden Abgeordneten in einem Wahlkreis ist somit eine Funktion der Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz in eben diesem Wahlkreis. Der Gedanke der Repräsentation des Bundesvolkes im Nationalrat wird dadurch verwirklicht, daß bei Aufteilung der zu vergebenden Mandate auf die einzelnen Wahlkreise die Gesamtzahl der Staatsbürger berücksichtigt wird, die im Wahlkreis ihren ordentlichen Wohnsitz haben, unabhängig davon, ob sie das erforderliche Wahlalter schon erreicht haben oder aus anderen Gründen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Dieses von der Bundesverfassung - bereits seit der Stammfassung 1920 - festgelegte Repräsentationsprinzip würde verzerrt werden, wenn sich der Wahlkörper, das heißt die Wahlberechtigten eines Wahlkreises auch aus Staatsbürgern zusammensetzte, die ihren ordentlichen Wohnsitz nicht innerhalb des Wahlkreises haben. Dann stünde nämlich die Anzahl der im Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten, die verfassungsrechtlich gemäß §26 Abs2 B-VG in einem Verhältnis zu den Staatsbürgern mit ordentlichem Wohnsitz im Wahlkreis zu bestimmen ist, nicht mehr im verfassungsrechtlich vorgezeichneten Verhältnis zum Wahlkörper. Das durch die Bundesverfassung vorgezeichnete System der Repräsentation wäre durchbrochen. In diesem Fall schiene auch, wie Adamovich, Grundriß des Österreichischen Staatsrechtes, 1. Auflage, 1927, S. 136, zutreffend bemerkt, der Grundsatz der Gleichheit des Wahlrechtes (Art26 Abs1 B-VG) beeinträchtigt. Aus diesen Überlegungen folgt, daß Art26 Abs2 B-VG von der zwingenden Voraussetzung ausgeht, daß der Wahlkörper ein Teil der Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz im Wahlkreis sein muß, die ihrerseits für die Zahl der zu wählenden Abgeordneten im Wahlkreis bestimmend sind. Es zeigt sich somit, daß dem Repräsentationssystem, wie es durch Art26 Abs2 B-VG ausgestaltet ist, nur entsprochen wird, wenn das aktive Wahlrecht nur solchen Personen eingeräumt wird, die im betreffenden Wahlkreis den ordentlichen Wohnsitz haben. Die Regelung des §2 Abs1 des Wählerevidenzgesetzes 1973 entspricht aus dieser Sicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus Art26 B-VG ergeben. Dazu kommt noch, daß Art26 Abs2
2. Satz B-VG eine andere Gliederung der Wählerschaft als die soeben erwähnte ausdrücklich ausschließt. Dadurch wird die Bedeutung des Kriteriums des ordentlichen Wohnsitzes in einem der Wahlkreise für das System der Nationalratswahl unterstrichen."
Zu den im Einleitungsbeschluß angestellten Erwägungen betreffend Regelungen in den Staatsverträgen von Saint-Germain und Wien führt die Kärntner Landesregierung aus:
"Im Gegenstand ist weiters zu untersuchen, ob die geltende Rechtslage im Hinblick auf Art66 Abs1 des Staatsvertrages von St. Germain, Staatsgesetzblatt Nr. 303/1920, sowie Art8 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. Nr. 152/1955, bedenklich ist, da beide Verfassungsbestimmungen allen österreichischen Staatsangehörigen (bzw. Staatsbürgern) dieselben politischen Rechte bzw. ein freies, gleiches und allgemeines Wahlrecht verbürgen.
Was den Staatsvertrag von St. Germain anlangt, dessen V. Abschnitt des III. Teiles gemäß Art149 Abs1 B-VG unter Berücksichtigung der durch das B-VG bedingten Änderungen als Verfassungsgesetz gilt, ist festzuhalten, daß eine Bestimmung, die vom B-VG (bereits 1920) als Verfassungsbestimmung rezipiert worden ist, zur Auslegung spezieller Vorschriften des rezipierenden B-VG wenig geeignet erscheint. Selbst wenn Art66 des Staatsvertrags von St. Germain in seinen Anforderungen an das Wahlrecht tatsächlich über Art26 B-VG hinausginge, würde er, wie sich aus der Rezeptionsklausel ('unter Berücksichtigung der durch dieses Gesetz bedingten Änderungen') ergibt, Art26 B-VG nicht ändern können. Abgesehen davon zeigt sich aber, daß Art66 Abs1 des Staatsvertrages von St. Germain auch nicht Art26 B-VG widerspricht.
Abschnitt V des III. Teiles des Staatsvertrages von St. Germain, der unter anderem Art66 enthält, ist nämlich die Überschrift 'Schutz der Minderheiten' vorangestellt. In diesem Sinn ist auch Art66 selbst zu verstehen, der in Abs1 alle österreichischen Staatsangehörigen ohne Unterschied der Rasse, der Sprache oder Religion vor dem Gesetz gleich erklärt und ihnen die selben bürgerlichen und politischen Rechte garantiert. Der Minderheitenschutzcharakter dieser Bestimmung ist so offensichtlich. Art66 Abs1 ist als auf bestimmte Minderheiten abgestelltes Diskriminierungsverbot, nicht jedoch als die allgemeinen Voraussetzungen des Wahlrechtes umschreibende Verfassungsbestimmung zu verstehen; dies umso mehr, als Art66 anscheinend kein Frauenwahlrecht garantiert.
Daß sich aus Art66 Abs1 des Staatsvertrages von St. Germain das Verbot einer Wohnsitzklausel für das Wahlrecht ergäbe, ist auch deshalb auszuschließen, weil in etlichen der alliierten und assoziierten Staaten, die den Staatsvertrag vom 10. September 1919 mit der Republik Österreich abgeschlossen haben, solche Wohnsitzklauseln geltendes Recht waren. Dies gilt jedenfalls für das britische Reich, die Tschechoslowakei, für Belgien und für Polen. In Frankreich waren Staatsbürger mit Wohnsitz im Ausland sowie beim französichen Konsulat eingetragene Staatsbürger nur wahlberechtigt, wenn sie bereits ihre militärischen Verpflichtungen erfüllt hatten. In Italien war das Wahlrecht zwar nicht auf Wohnsitzbürger beschränkt, doch mußte das Wahlrecht in Italien ausgeübt werden. Zieht man zusätzlich in Betracht, daß auch Nachbarstaaten wie das Deutsche Reich, die Schweiz und Liechtenstein grundsätzlich kein Wahlrecht für im Ausland wohnhafte Staatsbürger gewährten, so ist nicht anzunehmen, Art66 des Staatsvertrages von St. Germain hätte Österreich zu einer über den 'europäischen Standard' hinausgehenden Wahlgesetzgebung verpflichtet.
Zu keinem anderen Ergebnis führt die Analyse des Art8 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. Nr. 152/1955, der gemäß ArtII Z. 3 der B-VG-Novelle, BGBl. Nr. 59/1964, als Verfassungsbestimmung gilt. Schon die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zeigen, daß anläßlich der Genehmigung des Staatsvertrages davon ausgegangen worden war, daß die Garantien eines freien, gleichen und allgemeinen Wahlrechtes bloß eine Wiederholung der in den Art26, 95 und 117 des Bundesverfassungsgesetzes und in den Wahlordnungen zu den Vertretungskörpern seit langem innerstaatlich verankerten Grundsätze darstellten. Von dieser Einschätzung ist der Bundesverfassungsgesetzgeber aus 1964, wie die Erläuterungen erneut zeigen, nicht abgegangen. Einer anderen Auslegung des Art8 des Staatsvertrages von Wien steht auch der Umstand entgegen, daß jedenfalls zwei der alliierten und assoziierten Mächte, nämlich das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten innerstaatlich das Wahlrecht von einer 'residence' abhängig machten. Österreich hat sich in Art8 des Staatsvertrages von Wien nur verpflichtet, kein Wahlrecht zu schaffen, von dem bestimmte Personenkreise (etwa Heeresangehörige, Beamte, Mitglieder bestimmter Parteien) ausgeschlossen werden, obwohl sie im übrigen die Voraussetzungen (Alter, ordentlicher Wohnsitz) für die Ausübung des Wahlrechtes besitzen."
Schließlich meint die Kärntner Landesregierung, daß eine Wohnsitzfiktion verfassungsrechtlich bedenklich wäre, und bringt dazu folgende Erwägungen vor:
Im Gegensatz zur älteren Judikatur wird nunmehr die Begründung, daß nur ein Anknüpfen an den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes eine ordnungsgemäße Wählerevidenz sicherstelle und die sachgerechte Zuordnung der Wähler zu den einzelnen Wahlkreisen ermögliche, deshalb in Frage gestellt, da es Wege gäbe, ein ordnungsgemäßes Wahlverfahren einzurichten, ohne daß Staatsbürger ohne Wohnsitz im Inland vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Die Bundesverfassung scheine außerdem nicht zu verbieten, daß sowohl für Zwecke der Zuordnung von Staatsbürgern als auch für die Zuordnung abgegebener Stimmen zu Wahlkreisen 'bei entsprechend gewähltem sachlichen Anknüpfungspunkt' einfachgesetzlich das Vorliegen eines Wohnsitzes fingiert wird.
Daß - ausgehend von einer rechtsvergleichenden Betrachtung - auch andere Systeme der Erfassung der Stimmberechtigten, die nicht auf einen ordentlichen Wohnsitz im Inland abstellen, möglich sind, wird nicht übersehen. Das spricht aber nicht gegen die Verfassungsmäßigkeit des §2 des Wählerevidenzgesetzes 1973.
Wenn angenommen wird, daß der einfache Bundesgesetzgeber nicht gehindert wäre, bei entsprechend sachlich gewähltem Anknüpfungspunkt einen Wohnsitz für 'Auslandsösterreicher' zu fingieren, so ist dem entgegenzuhalten, daß der auch den Bundesgesetzgeber bindende Gleichheitssatz (Art7 B-VG) überhaupt nur zum Tragen kommen kann, wenn die Bundesverfassung nicht selbst eine bestimmte Einschränkung - hier des Wahlrechtes auf Wohnsitzbürger - enthält. Die Bedenken setzen voraus, daß sich aus der Bundesverfassung eine Anknüpfung an den ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet nicht herleiten lasse. Gerade diese Anknüpfung wurde aber nachgewiesen. Daß sich der historische Verfassungsgesetzgeber stets an der Definition des ordentlichen Wohnsitzes im §66 Jurisdiktionsnorm orientiert hat, zeigen die bereits eingangs dargestellten einzelnen Wahlordnungen und Bürgerlistengesetze. Eine Anknüpfung an einen anderen als diesen von der Bundesverfassung vorausgesetzten Begriff des ordentlichen Wohnsitzes ist demnach dem einfachen Bundesgesetzgeber verwehrt.
Für den Fall, daß nicht für alle österreichischen Staatsbürger ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland ein sachlicher Anknüpfungspunkt für einen für Zwecke der Nationalratswahl fingierten Wohnsitz in einem Wahlkreis gefunden werden kann, 'etwa indem eine Harmonisierung zwischen der Zahl der Wahlberechtigten in einem Wahlkreis und der für die Ermittlung der Mandatszahl in einem Wahlkreis heranzuziehenden Bürgerzahl nicht gelingt', wird 'eventualiter' der durch §2 des Wählerevidenzgesetzes 1973 bewirkte Ausschluß von österreichischen Staatsbürgern vom Wahlrecht für derart umfangreich erachtet, daß damit vom Prinzip des allgemeinen Wahlrechtes, somit einer Wahl durch das gesamte Bundesvolk abgegangen würde.
Diese Erwägung zeigt, daß der Begriff des ordentlichen Wohnsitzes in Art26 Abs2 B-VG ein verfassungsgesetzlicher Begriff ist, der es nicht gestattet, für 'Auslandsösterreicher' einen ordentlichen Wohnsitz etwa auch für den Zweck der Mandatsermittlung für den einzelnen Wahlkreis zu fingieren. Es müßte dann, um weiterhin die Bedenken aufrecht erhalten zu können, angenommen werden, daß das B-VG einerseits (bei der Ermittlung der Mandatszahl) einen historisch bestimmten Begriff des ordentlichen Wohnsitzes voraussetzt, andererseits (für die Frage der Stimmberechtigung) eine Fiktion eben dieses ordentlichen Wohnsitzes zuläßt."
c) Die Niederösterreichische Landesregierung bringt u.a. folgende Erwägungen vor:
"Die NÖ Landesregierung teilt aus verschiedenen Gründen die grundsätzlichen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen den Ausschluß von Personen, die in Österreich über keinen ordentlichen Wohnsitz verfügen, vom aktiven Wahlrecht zum Nationalrat (und damit verbunden bei Bundespräsidentenwahlen):
a) Anders als für Wahlen auf Landes- bzw. Gemeindeebene ist das Wahlrecht zum Nationalrat und damit gemäß Art60 Abs1 B-VG auch bei der Wahl des Bundespräsidenten nicht ausdrücklich an das Erfordernis eines wo auch immer bestehenden ordentlichen Wohnsitzes geknüpft. Zur Wahl berufen ist vielmehr das 'Bundesvolk' ohne Einschränkung.
b) Der Staatsvertrag von Saint-Germain gewährleistet in seinem Art66 Abs1 allen österreichischen Staatsangehörigen dieselben politischen Rechte. Auch Art8 des Staatsvertrags von Wien verbürgt allen Staatsbürgern ein freies, gleiches und allgemeines Wahlrecht. Beide Bestimmungen stehen im Verfassungsrang und begründen überdies völkerrechtliche Verpflichtungen für die Republik Österreich. In beiden Staatsverträgen sind die Begriffe 'Staatsangehöriger' bzw. 'Staatsbürger' wohl absichtsvoll gewählt. Dies läßt insbesondere der Staatsvertrag von Saint-Germain erkennen, der in Art63 den 'Einwohnern Österreichs' Rechte garantiert und somit zwischen 'Staatsangehörigen' und 'Einwohnern' differenziert.
Demgegenüber vermag der Umstand, daß Art26 Abs2 B-VG eine Zuweisung der Zahl der Abgeordneten auf die Wahlberechtigten eines Wahlkreises im Verhältnis der Zahl der Bundesbürger vorsieht, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten, keine Beschränkung des in Art26 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts zu bewirken. Die Frage der Zuweisung der Mandate auf die einzelnen Wahlkreise kann von dem Fragenkomplex des aktiven Wahlrechtes für jeden einzelnen Staatsbürger durchaus getrennt werden.
. . .
Steht grundsätzlich fest, daß die österreichische Verfassungsrechtsordnung allen Staatsbürgern das aktive Wahlrecht zum Nationalrat und bei der Bundespräsidentenwahl ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines Wohnsitzes garantiert, so ist nach Auffassung der NÖ Landesregierung §2 des Wählerevidenzgesetzes verfassungswidrig.
Zwar wäre es denkbar, diese Bestimmung als verfassungskonform anzusehen und erst den §27 Abs1 der Nationalratswahlordnung 1971, BGBl. Nr. 194/1971 i.d.F. BGBl. Nr. 19/1988, als Sitz einer Verfassungswidrigkeit der das Wahlrecht gemäß Art26 Abs1 B-VG konkret ausformenden einfachen Bundesgesetze zu betrachten. Nach den §§37 Abs2 und 39 Abs1 leg.cit. berechtigt nämlich allein die Aufnahme in ein Wählerverzeichnis zur Teilnahme an der Wahl. Voraussetzung für diese Aufnahme ist gem. §27 Abs1 leg.cit. der ordentliche Wohnsitz in einer Gemeinde bzw. einem Wahlsprengel, nicht jedoch die Aufnahme in die Wählerevidenz.
Dennoch sprechen nach Auffassung der NÖ Landesregierung gewichtige Gründe dafür, das verfassungsgesetzlich gewährleistete aktive Wahlrecht zum Nationalrat und bei den Bundespräsidentenwahlen (schon) durch §2 des Wählerevidenzgesetzes verletzt zu sehen.
a) Das Verfahren zur Erstellung der Wählerverzeichnisse ist aufgrund der kurzen Entscheidungsfristen für die Wahlbehörden nur bedingt geeignet, exakte Feststellungen in konkreten Fällen zu treffen. Demgegenüber ermöglicht ein Verfahren nach dem Wählerevidenzgesetz eine sorgfältige Prüfung aller relevanten Umstände und eine behördliche Entscheidung ohne übergroßen Zeitdruck. Die behördlichen Entscheidungen nach dem Wählerevidenzgesetz können überdies unter Umständen noch vor der Durchführung einer konkreten Wahl einer Überprüfung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugeführt werden.
b) Eine Eintragung in die Wählerevidenz ist - über die Bedeutung für die Wahlen von Nationalrat und Bundespräsident hinaus - auch unmittelbare Voraussetzung für die Ausübung weiterer verfassungsgesetzlich garantierter politischer Grundrechte:
Die Stimmberechtigung zum Nationalrat ist gemäß Art41 Abs2 B-VG Voraussetzung für die Teilnahme an einem Volksbegehren und gemäß Art46 Abs2 B-VG für die Teilnahme an einer Volksabstimmung.
In den das Verfahren für das Volksbegehren und die Volksabstimmung regelnden Bundesgesetzen spielt die Wählerevidenz eine besondere Rolle:
Gemäß §3 Volksbegehrengesetz 1973, BGBl. Nr. 344/1973 i.d.F. BGBl. Nr. 233/1982, können nur Personen, die in der Wählerevidenz eingetragen sind, den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens unterstützen.
Wenn auch §6 leg.cit. normiert, daß bei Volksbegehren alle Männer und Frauen stimmberechtigt sind, die am Stichtag das Wahlrecht zum Nationalrat besitzen, so verhält §10 leg.cit. die Eintragungsbehörde vor der Zulassung zur Eintragung doch, festzustellen, ob die Person, die eine Eintragung vornehmen will, in der Wählerevidenz als stimmberechtigt eingetragen ist. Ein Verfahren zur Anlegung von Stimmlisten, in die etwa auch jene Personen aufzunehmen wären, die in der Wählerevidenz nicht aufscheinen, weil der Tag, an dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, zwar vor dem Stichtag, nicht aber vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung in die Wählerevidenz (des Jahres des Volksbegehrens) liegt, ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Auch im Verfahren nach dem Volksabstimmungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 79/1973 i.d.F. BGBl. Nr. 232/1982, kommt der Wählerevidenz besondere Bedeutung zu: Gemäß §6 Abs3 leg.cit. sind in die Stimmlisten die Namen aller Personen aufzunehmen, die am Stichtag in der Wählerevidenz als stimmberechtigt eingetragen waren oder deren Stimmberechtigung aufgrund eines Einspruchs-(Berufungs-)verfahrens nach den Bestimmungen des Wählerevidenzgesetzes festgestellt wurde. Auch hier besteht im übrigen wieder eine Diskrepanz zwischen der Stimmberechtigung am Stichtag der Volksabstimmung und der Stimmberechtigung vor dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung, die gem. §2 Wählerevidenzgesetz allein für die Aufnahme in die Wählerevidenz entscheidend ist.
Eine verfassungskonforme Gestaltung des Wählerevidenzgesetzes würde somit auch Verfassungswidrigkeiten im Volksbegehren- und im Volksabstimmungsgesetz vermeiden."
Abschließend weist die Niederösterreichische Landesregierung auf die Konsequenzen einer Aufhebung des §2 WählerevidenzG hin und führt dazu aus:
"Es wird Aufgabe des Bundesgesetzgebers sein, geeignete Kriterien zu entwickeln, um jene Staatsbürger, die in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz haben, den einzelnen Wahlkreisen so zuzuordnen, daß das Bürgerzahlprinzip nicht verfälscht wird und die Wahlergebnisse in einem einzelnen Wahlkreis nicht unverhältnismäßig durch Personen beeinflußt werden, deren persönliche Verhältnisse sich auf die Republik Österreich als ganzes beziehen.
Weiters wird es Aufgabe des Wahlrechtsgesetzgebers sein, Wege zu finden, um den im Ausland befindlichen Personen eine Teilnahme an der Wahl tatsächlich zu ermöglichen, ohne daß die Kosten einer Teilnahme an der Wahl etwa wegen der großen Entfernung im Gastland prohibitiv wirkten. Desgleichen sollten auch die Kosten möglichst gering gehalten werden, die dem Bund aus der Durchführung von Wahlen mit Stimmberechtigten im Ausland erwachsen."
d) Die Oberösterreichische Landesregierung stimmt den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes aus folgenden Erwägungen zu:
"Schon die - vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene - historische Betrachtung der Wohnsitz- und Seßhaftigkeitsklauseln in Verbindung mit dem Umstand, daß in das B-VG in den Art95 Abs1 und 117 Abs2 Wohnsitzklauseln aufgenommen wurden, während Art26 Abs1 B-VG nicht auf das Vorhandensein eines Wohnsitzes im Bundesgebiet abstellt, ergeben ein klares Indiz dafür, daß der Verfassungsgesetzgeber das Nationalratswahlrecht nicht vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet abhängig machen wollte. Weiters ist darauf zu verweisen, daß Art26 Abs2 B-VG hinsichtlich der Zuteilung der Mandate auf die einzelnen Wahlkreise zwar ausdrücklich auf den ordentlichen Wohnsitz der Bundesbürger verweist, jedoch läßt sich e contrario die Verpflichtung des einfachen Gesetzgebers für die Einräumung des Wahlrechtes entsprechend Art7 B-VG an alle Bundesbürger unabhängig vom ordentlichen Wohnsitz in Österreich erschließen. Allfällige wahltechnische Schwierigkeiten sind im Hinblick auf dieses Gebot des echten allgemeinen Wahlrechtes, zu dem Österreich entsprechend Art8 Staatsvertrag von Wien, BGBl. Nr. 152/1955, auch völkerrechtlich verpflichtet ist, nachrangig. Ebenso unterstreicht eine Bedachtnahme auf Art66 Abs1 Staatsvertrag von Saint-Germain, StGBl. 303/1920, - wie der Verfassungsgerichtshof ausführlich dargetan hat - die angeführten Bedenken.
Weiters ist auch auf die klare Anordnung des Art7 Abs2 B-VG, wonach den öffentlichen Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet ist, hinzuweisen; diese Bestimmung läßt keinen Zweifel zu, daß die Nichtgewährung des Wahlrechtes zumindest an öffentliche Bedienstete, die im Inland keinen Wohnsitz haben, auf jeden Fall verfassungswidrig ist. Als solche öffentliche Bedienstete kommen außer den im Ausland wohnhaften Diplomaten und sonstigen Bediensteten des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten auch eine ganze Reihe von Zollbeamten (und allenfalls deren Familienangehörige) allein schon im Grenzgebiet Oberösterreichs zur BRD in Betracht, da diese Beamten wegen der zum Teil auf deutschem Boden befindlichen (gemeinschaftlichen) Grenzzollämter auch dort (somit unweit der österreichischen Grenze) ihren ordentlichen Wohnsitz haben. In diesem Zusammenhang ist auch noch auf die große Anzahl jener Staatsbürger hinzuweisen, die ebenso aus Gründen ihres Arbeitsplatzes in der Privatwirtschaft im Grenzgebiet des benachbarten Auslandes auch dort ihren Wohnsitz begründet haben; auch für diese Personen könnte nach h. Ansicht eine sachgerechte Zuordnung zu einem Wahlkreis vorgenommen werden.
In der . . . früheren Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof angenommen, daß die Durchführung eines geordneten Wahlverfahrens eine genaue Wählerevidenz der in den einzelnen Wahlkreisen wahlberechtigten Wähler voraussetzt, weshalb als Anknüpfungsmoment für die Führung der Wählerevidenz der ordentliche Wohnsitz in Betracht kommt. Dadurch wurde die einfachgesetzliche Regelung, die das aktive Wahlrecht auch vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes in einer Gemeinde abhängig macht, (bloß) aus wahltechnischen Gründen als gerechtfertigt akzeptiert. Jedoch wurde die Prämisse für diese Aussage nicht in Frage gestellt. Das h. Amt schließt sich in diesem Zusammenhang angesichts der rechtsvergleichenden Untersuchung des European Committee on Legal Cooperation über das Wahlrecht von Staatsbürgern eines Mitgliedstaates (des Europarates) mit ausländischem Wohnsitz den nunmehrigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes insoweit an, wobei für die Zuordnung von Staatsbürgern bzw. abgegebener Stimmen zu den Wahlkreisen einfachgesetzlich die Fiktion eines Wohnsitzes im Inland ähnlich den Anknüpfungspunkten des §49 Abs2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, gestaltet werden könnte."
e) Die Salzburger Landesregierung meint zu den aufgeworfenen Fragen u.a.:
"Die Bedenken eines Teiles der Lehre gegen die Verfassungsmäßigkeit des §2 des Wählerevidenzgesetzes 1973 werden geteilt, da der Art26 Abs1 B-VG (wie im übrigen auch der Art60 Abs1 B-VG) im Gegensatz zu Art95 Abs1 und Art117 Abs2 B-VG für die Ausübung des aktiven Wahlrechtes das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet nicht als Voraussetzung vorsieht. Dem Verfassungsgesetzgeber darf nicht unterstellt werden, daß er das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland bei der Erlassung der betreffenden Bestimmungen (Art26 Abs1 und Art60 Abs1 B-VG) als selbstverständlich vorausgesetzt hat. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Verfassungsgesetzgeber gerade unter Bedachtnahme auf Art66 Abs1 des Staaatsvertrages von Saint Germain und auf Art8 des Staatsvertrages von Wien ein derartiges Kriterium für die Nationalrats- und die Bundespräsidentenwahl gerade nicht festlegen wollte. Vor allem im Art8 des Staatsvertrages von Wien wird allen Staatsbürgern ohne Unterschied - also nicht bloß im Sinne eines Diskriminierungsverbotes gegen differenzierende Regelungen auf Grund der Rasse, des Geschlechtes, der Sprache oder der Religion - ein gleiches Wahlrecht verbürgt. Vor diesem völkerrechtlichen wie auch verfassungsrechtlichen Hintergrund erhielt Art26 Abs1 B-VG seine geltende Fassung durch die B-VG-Novelle 1968. In diesem Licht kann der Begriff des 'Bundesvolkes' nur als die Gesamtheit aller jener Personen verstanden werden, die die Rechtsstellung eines österreichischen Staatsbürgers innehaben, unabhängig davon, ob sie über einen Wohnsitz im Inland verfügen oder nicht, was auch in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz des allgemeinen Wahlrechtes zu sehen ist.
Darauf aufbauend muß die Aussage des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 25.9.1950, VfSlg. 1994, wonach der ordentliche Wohnsitz (Art26 Abs2 B-VG) nach den im B-VG enthaltenen Grundsätzen eine der Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht bildet, insofern relativiert werden, als im Hinblick auf die Systematik des Art26 B-VG im Abs2 lediglich die Einteilung des Bundesgebietes in Wahlkreise und die Verteilung der Zahl der Abgeordneten geregelt wird, also organisatorische Regelungen getroffen werden, während sich der Abs1 mit der Festlegung des Wahlrechtes selbst und den Voraussetzungen für dessen Ausübung beschäftigt. Nur für die Verteilung der Zahl der Abgeordneten auf die Wahlkreise wird auf die 'Bürgerzahl der Wahlkreise' und damit den Kreis der Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz im jeweiligen Wahlkreis abgestellt. Daneben wird im Abs2 der Begriff der 'Wahlberechtigten eines Wahlkreises' ohne Bezugnahme auf einen ordentlichen Wohnsitz im Wahlkreis verwendet.
Beide Begriffe stehen für sich, unabhängig voneinander, wobei der der Wahlberechtigten im Zusammenhang mit Abs1 steht. Keineswegs ist zwingend ableitbar, daß der ordentliche Wohnsitz im Wahlkreis und damit im Bundesgebiet Voraussetzung für die Wahlberechtigung ist. Die verfassungsrechtlich gebotene Zuordnung zu einem Wahlkreis kann auch auf andere Weise als über das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes, etwa nach dem Muster der §§67 bis 69 JN, erfolgen. Dies steht mit dem Erfordernis genauer Wählerevidenzen bzw. -verzeichnisse als Grundlage eines einwandfreien Wahlverfahrens durchaus im Einklang. Nur dort, wo eine solche Zuordnung nicht mehr möglich ist, scheint die Annahme zulässig, daß österreichischen Staatsbürgern ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland kein Wahlrecht zukommt. Daß bei einer auf Grund anderer Umstände als dem ordentlichen Wohnsitz erfolgenden Zuordnung der Wahlberechtigten zu den Wahlkreisen eine gewisse Disharmonie zum Begriff der Bürgerzahl der Wahlkreise entstehen kann, erscheint nicht von Bedeutung: eine Harmonisierung zwischen der Zahl der Wahlberechtigten und der Bürgerzahl ist nicht erforderlich und auch gar nicht möglich, da Änderungen der Bürgerzahl nur alle zehn Jahre festgestellt werden (ordentliche Volkszählung gemäß §1 Abs1 des Volkszählungsgesetzes 1980, BGBl. Nr. 199), während sich Veränderungen bei der Zahl der Wahlberechtigten fortlaufend und anläßlich jeder Wahl aktualisiert ergeben.
Dieses Verständnis bedeutet auch, daß für Auslandsösterreicher (zum Zwecke der Mandatsverteilung) kein Wohnsitz im Inland bzw. in einem Wahlkreis fingiert zu werden braucht, was angesichts der Legaldefinition im Art26 Abs2 zweiter Satz zweiter Halbsatz eher problematisch erscheint.
Zusammenfassend wird festgehalten, daß die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Verfassungsmäßigkeit des §2 des Wählerevidenzgesetzes 1973 vollinhaltlich geteilt werden: Der Gerichtshof selbst hat den Begriff des Bundesvolkes im §26 Abs1 B-VG - ausgehend von einer grammatikalischen Interpretation - bisher als Gesamtheit aller österreichischen Staats-(Bundes)bürger aufgefaßt. Da die Zuordnung der nach Abs1 Wahlberechtigten zu den Wahlkreisen auch auf andere Weise als auf Grund eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland erfolgen kann, ist auch aus diesem verfassungsrechtlichen Erfordernis nicht die Notwendigkeit eines solchen Wohnsitzes ableitbar. Schließlich verbürgt Art8 des Staatsvertrages von Wien allen österreichischen Staatsbürgern ohne Unterschied des Wohnortes ein allgemeines Wahlrecht. Die Einschränkung des Wahlrechtes bei Wahlen zum Nationalrat - genauso wie bei der Wahl des Bundespräsidenten - auf österreichische Staatsbürger, welche neben den anderen Voraussetzungen auch einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet aufweisen, findet somit im Art26 Abs1 B-VG keine Deckung."
f) Die Tiroler Landesregierung widmet sich zunächst Fragen der Prozeßvoraussetzungen und führt dazu aus:
"Nach §2 Abs1 des Wählerevidenzgesetzes 1973 sind nur jene wahlberechtigten Personen in die Wählerevidenz einzutragen, die in der Gemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Mit dieser Regelung wird aber - entgegen der Annahme des Verfassungsgerichtshofes - nicht endgültig bewirkt, daß das Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet Voraussetzung für das aktive Wahlrecht für die Wahl des Bundespräsidenten und zum Nationalrat ist.
In jeder Gemeinde ist eine Wählerevidenz als eine ständige Evidenz der Wahl- und Stimmberechtigten zu führen.
Die Wählerevidenz dient als Verzeichnis der Stimmberechtigten bei Volksbegehren und Volksabstimmungen sowie als Grundlage für die vor einer Wahl des Bundespräsidenten oder zum Nationalrat anzulegenden Wählerverzeichnisse. Die Führung der Wählerevidenz obliegt den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich. . . .
Art26 Abs1 B-VG in der durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 92/1979 geänderten Fassung (stellt) auf den Stichtag ab. Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die am Stichtag der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Dasselbe gilt für die Wahl des Bundespräsidenten. Nach Art60 Abs1 B-VG in der durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 354/1982 geänderten Fassung wird der Bundespräsident vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes gewählt. . . .
Das Abstellen auf einen im Regelfall nach dem 1. Jänner des Jahres der Eintragung liegenden Stichtag hat somit zur Folge, daß ein ins Gewicht fallender Kreis von Wahlberechtigten - jedenfalls die Männer und Frauen, die in der Zeit vom 1. Jänner bis zum Stichtag das 19. Lebensjahr vollenden - in der Wählerevidenz nicht aufscheinen.
Daraus folgt, daß in die Wählerevidenz zwar der weitaus überwiegende Teil der Wahlberechtigten eingetragen ist, daß jedoch in der Wählerevidenz nicht alle zu einer bestimmten Wahl Wahlberechtigten erfaßt sind.
§26 Abs3 der Nationalrats-Wahlordnung 1971, BGBl. Nr. 391/1970, in der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 93/1979 geänderten Fassung, der nach §5 Abs2 des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971, BGBl. Nr. 57, auf die Erfassung der bei der Wahl des Bundespräsidenten Wahlberechtigten sinngemäß anzuwenden ist, sieht daher vor, daß die Wählerverzeichnisse von den Gemeinden auf Grund der Wählerevidenz anzulegen sind. In die Wählerverzeichnisse sind außer den bereits in der Wählerevidenz eingetragenen Wahlberechtigten auch noch alle österreichischen Staatsbürger aufzunehmen, die am Stichtag das 19. Lebensjahr vollendet haben und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind.
In den Wählerverzeichnissen scheint damit ein gegenüber dem in die Wählerevidenz eingetragenen weiterer Kreis von Wahlberechtigten auf. . . .
Die überragende Bedeutung der Wählerverzeichnisse ist darin begründet, daß sie den an der Wahl teilnahmeberechtigten Personenkreis endgültig abgrenzen.
Nach den §§37 Abs2 und 39 Abs1 der Nationalrats-Wahlordnung 1971 ist das abgeschlossene Wählerverzeichnis der Wahl zugrunde zu legen und nehmen an der Wahl nur Wahlberechtigte teil, deren Namen im abgeschlossenen Wählerverzeichnis enthalten sind.
In der vom Verfassungsgerichtshof aufgeworfenen Frage des Wahlrechtes der sogenannten Auslandsösterreicher kommt damit wohl nur dem §27 Abs1 der Nationalrats-Wahlordnung 1971 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 93/1979 entscheidende Bedeutung zu. Nach dieser Bestimmung ist jeder Wahlberechtigte in das Wählerverzeichnis des Ortes (der Gemeinde, des Wahlsprengels) einzutragen, wo er am Stichtag seinen ordentlichen Wohnsitz hat.
Es scheint daher bedenklich zu sein, bei der Erörterung der Frage des Wahlrechtes der sogenannten Auslandsösterreicher vom §2 Abs1 des Wählerevidenzgesetzes 1973 auszugehen. Eine solche Erörterung könnte wohl nur an §27 Abs1 der Nationalrats-Wahlordnung 1971 anknüpfen.
Es scheint durchaus sachgerecht zu sein, in der Wählerevidenz lediglich einen die überwiegende Anzahl der Wahlberechtigten bildenden Grundstock zu erfassen. Dieser Grundstock ist - nicht zuletzt im Interesse der Verwaltungsökonomie - jährlich um einen weiteren Jahrgang von Wahlberechtigten zu ergänzen.
Die Führung der Wählerevidenz durch die Gemeinde rechtfertigt es auch, nur solche Wahlberechtigte, die innerhalb des durch ihre Grenzen bestimmten Verwaltungssprengels ihren ordentlichen Wohnsitz haben, zu erfassen.
Die Einrichtung einer - gegenüber den Wählerverzeichnissen engeren - Wählerevidenz hat den Vorteil, daß die Gemeinde bei der im Regelfall ohnehin unter Zeitdruck stehenden Anlegung der Wählerverzeichnisse bereits auf einen, den überwiegenden Teil der Wahlberechtigten erfassenden Grundstock zurückgreifen kann.
Dieser Grundstock bedarf selbstverständlich ständig der Bearbeitung und Kontrolle."
In der Sache gibt die Tiroler Landesregierung ungeachtet ihrer Zustimmung zu den vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Bedenken folgendes zu erwägen:
"Weiters ist auch zu überlegen, ob die Anführung der Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Art26 Abs1 B-VG nur deshalb nicht erfolgt ist, weil es nicht für notwendig erachtet wurde. In den Art95 Abs1 und 117 Abs2 B-VG wurde nämlich der ordentliche Wohnsitz im Land bzw. in der Gemeinde deshalb als Voraussetzung normiert, weil eben nur ein Teil der Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die in Österreich ihren ordentlichen Wohnsitz haben, im Land bzw. in der Gemeinde wählen dürfen. Bei Wahlen auf Bundesebene war es nicht erforderlich, diese Voraussetzung ausdrücklich in die Bundes-Verfassung aufzunehmen, weil in diesem Fall klar war, daß alle - und eben nicht nur ein Teil der Wahlberechtigten wie bei der Landtagswahl und der Gemeinderatswahl - wahlberechtigt sein sollen. Daß der ordentliche Wohnsitz in einer Gemeinde Österreichs als Voraussetzung angesehen wurde, ergibt sich aus den Wahlordnungen betreffend den Nationalrat und den Bundespräsidenten. Die Erwähnung des ordentlichen Wohnsitzes im Art95 Abs1 und im Art117 Abs2 B-VG läßt - so gesehen - den Schluß zu, daß die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes für die Wahlen auf Bundesebene als selbstverständlich angesehen wurde.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Wahlrechtes der sogenannten Auslandsösterreicher sollte vom Verfassungsgerichtshof auch bedacht werden, welche Folgen für das System des österreichischen Wahlrechtes mit der Zulässigkeit des Wahlrechtes der Auslandsösterreicher verbunden wären. Zwar wird es primär den Gesetzgeber treffen, die rechtlichen Grundlagen für die Ausübung des Wahlrechtes durch die Auslandsösterreicher zu schaffen, dennoch muß auf einige Folgen einer solchen Entscheidung hingewiesen werden. Der Verfassungsgerichtshof selbst setzt sich im Prüfbeschluß mit einigen Aspekten der Zuordnung der Auslandsösterreicher auseinander. Er verweist auch auf andere Länder und auf verschiedene Modelle, die für die Abwicklung einer Wahl mit Personen, die im Inland keinen Wohnsitz haben, denkbar sind. Auf einige weitere Aspekte soll jedoch bei der Prüfung der gegenständlichen Frage noch Bedacht genommen werden.
a) Österreich ist ein relativ kleines Land. Bei der Nationalratswahl 1986 waren 5,461.414 Personen wahlberechtigt. Nach den im Zusammenhang mit dem Wahlrecht für Auslandsösterreicher veröffentlichten Medienberichten würden etwa 400.000 Personen als zusätzliche Wahlberechtigte in Frage kommen, also etwa 7,3 v.H. der bisher Wahlberechtigten. Das entspricht etwa der Anzahl der Wahlberechtigten des Bundeslandes Tirol (NRW 1986: 411.454), etwa der doppelten Anzahl der Wahlberechtigten des Bundeslandes Vorarlberg (NRW 1986: 198.350) und des Bundeslandes Burgenland (NRW 1986: 200.572), etwa der Anzahl der Wahlberechtigten des Bundeslandes Kärnten (NRW 1986: 393.327) und etwa ein Drittel mehr als die Anzahl der Wahlberechtigten im Bundesland Salzburg (NRW 1986: 316.476). Daraus ist ersichtlich, um welch große Zahl von Personen es sich handelt, die zusätzlich als Wahlberechtigte in Frage kämen. Das bedeutet aber, daß der Zuordnung dieser Wahlberechtigten eine eminente Bedeutung zukommt. Allein durch die Wahl des Modelles der Zuordnung der Auslandsösterreicher zu einem Wohnsitz werden Wahlen entschieden. Die obgenannte Zahl der wahlberechtigten Auslandsösterreicher entscheidet über wenigstens elf der zu vergebenden 183 Mandate. Daraus ergibt sich, daß allenfalls bei Vergleichen mit anderen Ländern Vorsicht geboten ist, da ein so verhältnismäßig großer Anteil an im Ausland lebenden Staatsbürgern ohne Wohnsitz im Inland in anderen Staaten nicht erreicht wird. Die Größenordnung, die hier für Österreich zum Tragen kommt, dürfte weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Staaten liegen, was sowohl in der geschichtlichen Entwicklung Österreichs als auch in der Struktur der Wirtschaft Österreichs begründet sein dürfte.
b) Das Wahlsystem in Österreich ist durch verschiedene Vorschriften des Bundes-Verfassungsgesetzes festgelegt. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch Art26 Abs2 B-VG, wonach die Zahl der Abgeordneten auf die Wahlberechtigten eines Wahlkreises im Verhältnis der Bürgerzahl zu verteilen ist. Dabei ist auf den ordentlichen Wohnsitz abgestellt. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Eine Zulassung der Auslandsösterreicher zum Wahlrecht scheint damit ohne Änderung der Bundes-Verfassung gar nicht möglich zu sein. Die Auslandsösterreicher scheinen bei der Volkszählung nicht bei den Bürgern mit ordentlichem Wohnsitz in Österreich auf. Wird ihnen daher das Wahlrecht zugestanden, ohne daß sie in der Volkszählung erfaßt werden, so beeinflußt ihre Stimmabgabe - in welchem Wahlkreis immer - die Mandatsverteilung dieses Wahlkreises erheblich. Das System der Zuordnung der Mandate zu einem Wahlkreis stimmt in diesem Fall mit dem System der Mandatsverteilung auf die Parteien nicht mehr überein.
Wird aber bereits bei der Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise auf die Auslandsösterreicher Rücksicht genommen, so kann durch die Zuordnung der Auslandsösterreicher zu einem Wahlkreis die Mandatsverteilung unzulässig stark beeinflußt werden. So könnte etwa die in den letzten Jahren durch die Bevölkerungsentwicklung bedingte Wanderung von Mandaten von Ost nach West dadurch beeinflußt werden, daß etwa eine fingierte Zuordnung des Wohnsitzes eines Großteils der Auslandsösterreicher nach Wien - etwa in Anlehnung an §69 JN - durchgeführt wird. Die tatsächlichen Verhältnisse in Österreich werden dadurch aber in einem erheblichen Ausmaß beeinflußt. Dieser Beeinflussung der tatsächlichen Verhältnisse in Österreich würde dabei aber nicht nur bei einer theoretisch möglichen Steuerung der Zuordnung der Auslandsösterreicher stattfinden, sondern in jedem Fall, da vom Wahlsystem nicht erfaßte Personen in einer erheblichen Anzahl in das Wahlgeschehen einwirken. Die Erfassung der Auslandsösterreicher in einem eigenen Wahlkreis scheint aber wegen der Vorschrift des letzten Satzes des Art26 Abs2 B-VG nicht zulässig zu sein. Dies würde eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes notwendig machen.
c) Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Einführung der Briefwahl für nicht zulässig angesehen. Das führt zur grundsätzlichen Frage, wie die Auslandsösterreicher überhaupt von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen könnten. Eine Stimmabgabe im Inland wäre sicherlich möglich. Im Ausland müßte die Stimmabgabe vor den österreichischen Vertretungsbehörden erfolgen. Diese müßten daher in das Wahlverfahren einbezogen werden. Dies könnte aber dem Art26 Abs6 B-VG widersprechen, wonach zur Durchführung und Leitung der Wahl Wahlbehörden zu bestellen sind, die von den Parteien entsprechend ihrer Stärke beschickt werden. Dies dürfte im Ausland kaum möglich sein. Da selbst nur das Sammeln der Stimmen durch die Vertretungsbehörde dem Begriff der Durchführung der Wahl zugeordnet werden muß, wäre eine Änderung des Art26 Abs6 B-VG wohl unumgänglich. Bisher wurden die Stimmen immer vor Wahlbehörden im Sinne des Art26 Abs6 B-VG abgegeben, selbst in dem Fall, daß die Wahlbehörde nur die Stimmen einsammelt, aber das Ergebnis nicht ermittelt, wie etwa bei den besonderen Wahlbehörden nach §74a der Nationalrats-Wahlordnung 1971. Auch diese notwendige Änderung wäre eine Änderung des österreichischen Wahlsystems. Auch erhebt sich die Frage, wie das Problem in jenen Ländern zu sehen ist, in denen Österreich über keine Vertretungsbehörde verfügt. Grundsätzlich wird es kaum möglich sein, das Wahlrecht der Auslandsösterreicher ohne Zulassung der Briefwahl praktikabel zu machen. Das würde aber im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine Änderung der Bundesverfassung bedürfen.
d) Die Zulassung der Auslandsösterreicher zu den Wahlen auf Bundesebene würde sich natürlich auch auf die Wahlen auf Landes- und Gemeindeebene auswirken. Es würde sich nämlich die Frage erheben, ob es sachlich gerechtfertigt ist, die Auslandsösterreicher zwar bei der Wahl des Nationalrates oder des Bundespräsidenten mitwählen zu lassen, nicht aber bei den Wahlen zum Landtag und zum Gemeinderat. Ein Hinweis auf die verhältnismäßige Kleinheit des Gebietes kann dabei nicht zielführend sein, weil die Fingierung eines ordentlichen Wohnsitzes in einer Gemeinde ein bestimmtes Naheverhältnis bedeutet. Wenn ein solcher Anknüpfungspunkt vorhanden ist, so wird auch das Recht der Mitgestaltung in diesem Bereich nicht außer Acht gelassen werden können. Auch die Teilnahme an Volksbegehren und Volksabstimmungen wird man bei einer Zuerkennung des Wahlrechtes an Auslandsösterreicher für zulässig erklären müssen.
Unter diesen Gesichtspunkten wird man davon ausgehen müssen, daß die Zuerkennung des Wahlrechtes für Auslandsösterreicher zu einigen gravierenden Änderungen der Bundesverfassung führen müßte. Das zeigt aber auch, daß das bisher bestehende System des Wahlrechtes in Österreich durch die Zuerkennung des Wahlrechtes für die Auslandsösterreicher grundsätzlich beeinflußt und geändert würde."
g) Die Vorarlberger Landesregierung teilt "im Ergebnis" die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes und führt aus:
"Sie hält es für sachlich nicht gerechtfertigt, daß österreichische Staatsbürger (die durch den aufrechten Bestand ihrer Staatsbürgerschaft die Verbundenheit mit der Republik dokumentieren) nur deshalb von den grundlegendsten politischen Rechten ausgeschlossen werden, weil sie im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz haben.
Nicht anschließen kann sich die Vorarlberger Landesregierung freilich der im Prüfungsbeschluß enthaltenen Argumentation, wonach die Tatsache, daß 'das B-VG zwar in den Art95 Abs1 und 117 Abs2 das aktive Wahlrecht für die Wahlen zum Landtag und in den Gemeinderat vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes abhängig macht, nicht aber in Art26 Abs1 B-VG das Vorhandensein eines Wohnsitzes im Bundesgebiet als Wahlrechtsvoraussetzung nennt', die aufgetretenen Bedenken (mit) zu begründen vermöchte.
Das bundesstaatliche Prinzip der österreichischen Verfassung setzt mit der Gleichheit der Staatsqualität des Bundes und der Länder auch die grundsätzliche Gleichheit der demokratischen Basis des Bundes und der Länder als Staaten voraus. Unterschiede im Wahlrecht zum Nationalrat einerseits und zu den Landtagen andererseits, die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß als 'gewichtig' gewertet werden, wären mit diesem Grundprinzip unvereinbar und für die Länder diskriminierend.
Aber auch die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des Art8 des Staatsvertrages von Wien verbietet eine Interpretation der Wahlrechtsgrundsätze des B-VG, die dazu führen würde, daß Staatsbürger, je nachdem, ob sie einen Wohnsitz in Österreich haben oder nicht, hinsichtlich des Wahlrechtes zu den Landtagen und den Gemeinderäten ungleich behandelt werden.
Eine die gesamte Verfassungsrechtsordnung in den Blick nehmende Auslegung muß zum Ergebnis führen, daß die Regelungen des Art95 Abs1 und des Art117 Abs2 B-VG nicht die Frage betreffen, ob Staatsbürger, die im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz haben, zu den Landtagen bzw. zu den Gemeindevertretungen wahlberechtigt sind, sondern die Frage beantworten, in welchem Land bzw. in welcher Gemeinde Staatsbürger, die im Inland einen ordentlichen Wohnsitz haben, wahlberechtigt sind."
h) Die Stellungnahme der Wiener Landesregierung stimmt weitgehend mit der oben wiedergegebenen zweiten Äußerung der Kärntner Landesregierung überein.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der mit ihr bekämpfte Bescheid stützt sich der Sache nach und explizit auf §2 Abs1 WählerevidenzG, der mit den übrigen Bestimmungen dieses Paragraphen in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Der Verfassungsgerichtshof hat daher die in Prüfung gezogene Bestimmung bei der meritorischen Behandlung der Beschwerde anzuwenden.
b) Im Verfahren ist allerdings die Frage aufgeworfen worden, ob sich die vom Verfassungsgerichtshof relevierten Bedenken überhaupt gegen die in Prüfung gezogene Vorschrift richten oder ob die angenommene Verfassungswidrigkeit ihren Sitz nicht in Bestimmungen der NRWO hat.
Gem. §26 Abs1 NRWO sind die Wahlberechtigten in Wählerverzeichnisse einzutragen, die gem. §37 Abs2 und §39 Abs1 NRWO der Wahl zum Nationalrat (und nach diesen Bestimmungen iVm §5 Abs2 BundespräsidentenwahlG 1971 auch der Wahl des Bundespräsidenten) zugrundezulegen sind. Das bedeutet, daß (erst) das jeweilige Wählerverzeichnis den an der Wahl teilnahmeberechtigten Personenkreis endgültig abgrenzt. Die Anlegung der Wählerverzeichnisse obliegt den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich (§26 Abs2 NRWO).
§26 Abs3 NRWO bestimmt, daß die Wählerverzeichnisse von den Gemeinden auf Grund der Wählerevidenz anzulegen sind. In die Wählerverzeichnisse sind außer den bereits in der Wählerevidenz eingetragenen Wahlberechtigten auch noch alle österreichischen Staatsbürger aufzunehmen, die am Stichtag das 19. Lebensjahr vollendet haben und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Dabei ist gem. §27 Abs1 NRWO jeder Wahlberechtigte ins Wählerverzeichnis des Ortes (der Gemeinde, des Wahlsprengels) einzutragen, wo er am Stichtag seinen ordentlichen Wohnsitz hat. (§27 Abs2 NRWO regelt, wie im Falle mehrerer Wohnsitze vorzugehen ist.)
In den Wählerverzeichnissen scheint damit ein weiterer Kreis von Wahlberechtigten auf als in der Wählerevidenz. Die Wählerevidenz umfaßt sozusagen den Grundstock der Wahlberechtigten, der für die jeweilige Wahl ergänzungsbedürftig ist.
Die Tiroler Landesregierung meint nun, daß es verfassungskonform wäre, in die Wählerevidenz nur Staatsbürger mit einem ordentlichen Wohnsitz im Inland aufzunehmen und die Auslandsösterreicher, also Staatsbürger ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland, erst bei der Anlegung der konkreten Wählerverzeichnisse zu berücksichtigen. Bei dieser Sicht der Dinge wäre der Sitz der vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Auslandsösterreicher vom Wahlrecht §27 Abs1 NRWO. Ähnlich argumentieren die Landesregierungen von Burgenland und Kärnten.
Der Verfassungsgerichtshof vermag der dieser Argumentation zugrundeliegenden Annahme aber nicht zu folgen. Sie berücksichtigt nicht ausreichend den Sinn der Regelung insgesamt, der darin liegt, bei der Führung der Wählerevidenz im Prinzip alle Wahlberechtigten (für künftige Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen) zu erfassen und dabei allenfalls auftretende Zweifelsfragen der Wahlberechtigung ohne den Zeitdruck einer bevorstehenden Wahl rechtlich einwandfrei lösen zu können. Daher ist bei der Anlegung des jeweiligen Wählerverzeichnisses gemäß §26 Abs3 NRWO auf diese möglichst umfassende Wählerevidenz zurückzugreifen; im übrigen soll der Kreis der Wahlberechtigten nur mehr aktualisiert werden.
Es widerspräche dieser Systematik, anzunehmen, daß die Frage der Einbeziehung von Staatsbürgern ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland in den Kreis der Wahlberechtigten erst bei der Anlegung des Wählerverzeichnisses, also aus Anlaß einer konkreten Wahl, geprüft werden soll. Vielmehr läuft die Regelung des §2 WählerevidenzG darauf hinaus, daß Staatsbürger ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland in die laufend geführte Wählerevidenz nicht einzutragen sind, sodaß ein nach §4 WählerevidenzG gestellter Antrag solcher Personen auf Aufnahme in die Wählerevidenz abzuweisen ist, was letztlich den Ausschluß dieser Personen vom Wahlrecht zur Nationalrats- und zur Bundespräsidentenwahl bewirkt.
Die angenommene Verfassungswidrigkeit ist daher die Folge des Zusammenwirkens der in Prüfung gezogenen Bestimmung mit den genannten Bestimmungen der Wahlgesetze. Sie hat daher ihren Sitz (auch) in der in Prüfung gezogenen Rechtsvorschrift.
Dem entspricht auch der (denselben Einschreiter betreffende) Beschluß vom 5. Oktober 1987, G81,97,98/87, in dem der Verfassungsgerichtshof die Zurückweisung eines Individualantrags auf Prüfung u.a. jener Bestimmungen des WählerevidenzG und der NRWO, durch die die Auslandsösterreicher vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, damit begründet hat, daß es dem Antragsteller möglich und zumutbar sei, nach §4 Abs1 WählerevidenzG die Aufnahme in diese Evidenz zu begehren und mit einer Beschwerde gegen einen dieses Begehren abweisenden letztinstanzlichen Bescheid seine verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
c) Da alle Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2.a) Der erste Satz des Art26 Abs1 B-VG lautet:
"Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die am Stichtag der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt."
aa) Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff des Bundesvolks knüpft an die österreichische Staatsbürgerschaft an (vgl. etwa Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 13f; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6, 1988, Rz 306; Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 1985, 194): Dies ergibt sich sowohl aus einer systematischen Interpretation, die den Zusammenhang des Art26 B-VG mit der grundlegenden Aussage des Art1 B-VG und mit anderen Bestimmungen des B-VG, insb. dessen Art44 Abs3 iVm 46 Abs2 bedenkt (vgl. zB Adamovich-Spanner, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts5, 1957, 104f; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, System, 1972, 135ff), als auch aus der Entstehungsgeschichte des Art26 Abs1 B-VG, wie insbesondere der 1. Vorentwurf Kelsens sowie der Entwurf von Renner und Mayr zu dieser Bestimmung zeigen (vgl. Ermacora, Die österreichische Bundesverfassung und Hans Kelsen, 1982, 176ff, sowie derselbe, Quellen zum österreichischen Verfassungsrecht (1920), 1967, insb. 205, 246 und 261).
Auch eine Bedachtnahme auf Art8 Abs1 des Staatsvertrags von Wien, BGBl. 152/1955, (gem. ArtII Z3 des BVG BGBl. 59/1964 im Rang von Bundesverfassungsrecht) macht - worauf etwa Ringhofer, aaO, 103, zutreffend hinweist - deutlich, daß der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft das maßgebliche Kriterium für die Zugehörigkeit zum Bundesvolk darstellt.
bb) Anders als bei der Regelung des aktiven Wahlrechts zum Landtag (Art95 Abs1 B-VG) und in den Gemeinderat (Art117 Abs2 B-VG) wird aber das Wahlrecht zum Nationalrat nicht explizit von der Voraussetzung des Vorliegens eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet abhängig gemacht. Gleiches gilt - da Art60 Abs1 B-VG analog dem Art26 Abs1 B-VG anordnet, daß der Bundespräsident vom Bundesvolk gewählt wird, und damit das Wahlrecht zur Bundespräsidentenwahl ebenfalls nicht an die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet knüpft - auch hinsichtlich des Wahlrechts bei der Bundespräsidentenwahl.
Die Nichterwähnung des ordentlichen Wohnsitzes als Wahlrechtsvoraussetzung bedeutet freilich für sich noch nicht, daß es verfassungsrechtlich unzulässig wäre, einfachgesetzlich eine entsprechende Einschränkung des Wahlrechts auf Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz im Inland vorzusehen. Denn es könnte - was etwa Walter-Mayer, aaO, Rz 323, nicht entsprechend beachten - die Interpretation der Verfassungsnorm des Art26 Abs1 B-VG (bzw. des Art60 Abs1 B-VG) ergeben, daß das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland in diesen Verfassungsbestimmungen als zusätzliche Wahlrechtsvoraussetzung quasi mitgedacht und insoweit vorausgesetzt wurde.
Zentrale Frage dieses Verfahrens ist es daher, ob Art26 Abs1 (und ebenso Art60 Abs1) B-VG ungeachtet seines Wortlauts ein Inhalt beizumessen ist, demzufolge die Wahlberechtigung zur Nationalratswahl (bzw. zur Bundespräsidentenwahl) vom Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland abhängig gemacht werden kann.
b) Es liegt nahe, zur Beantwortung dieser Frage zunächst auf die historische Entwicklung des Wahlrechts zu rekurrieren und insbesondere den Blick auf die einfachgesetzliche Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens des B-VG zu werfen. Zwar geht es nicht - wie etwa bei der sog. "Versteinerungstheorie" - darum, einen in der Verfassung enthaltenen, dort aber nicht näher umschriebenen Begriff durch einen Rückgriff auf den Begriffsinhalt zu bestimmen, wie er ihn nach der einfachgesetzlichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der den zu interpretierenden Verfassungsbegriff enthaltenden Verfassungsnorm hatte, doch könnte dennoch die historisch vorgefundene Situation Rückschlüsse für die zu beantwortende Auslegungsfrage liefern.
Die historische Entwicklung wurde in den (oben wiedergegebenen) Stellungnahmen der Kärntner und der Wiener Landesregierung ausführlich dargelegt. Eine Bewertung dieser Entwicklung zeigt jedoch, daß sich der Schluß, aus ihr ergebe sich die Einschränkung des Wahlrechts auf Staatsbürger mit einem Wohnsitz im Inland, nicht ableiten läßt. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber der Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. 115/1918, die Wahlberechtigung an den Wohnsitz in einer Gemeinde Deutschösterreichs knüpfte und daß auch das Gesetz über die Wahlordnung zur Nationalversammlung vom 20. Juli 1920, StGBl. 316/1920, diesbezüglich keine inhaltliche Änderung erbrachte, ist für die hier zu lösende Frage ambivalent: Denn sie sagt nichts darüber aus, ob die Nichtaufnahme des Erfordernisses des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet als Wahlrechtsvoraussetzung im B-VG vom 1. Oktober 1920 die vorgefundene Situation als selbstverständlich vorausgesetzt hat oder ob sie eine Öffnung des Wahlrechts für Staatsbürger auch ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland bewirken sollte.
Die Tatsache, daß alle Wahlordnungen, die auf dem Boden des Art26 Abs1 B-VG seit 1923 ergangen sind, das Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland als Voraussetzung für das aktive Wahlrecht zum Nationalrat vorgesehen haben, mag - wie die Landesregierungen von Kärnten und Wien meinen - ein Indiz für die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung darstellen. Es läßt sich jedoch aus diesem Umstand der nachfolgenden einfachgesetzlichen Rechtsentwicklung nicht ableiten, daß dem Art26 Abs1 B-VG ein entsprechender Regelungsgehalt zukomme, daß also in dieser Bestimmung die ungeschriebene Einschränkung des Wahlrechts auf Staatsbürger mit inländischem Wohnsitz enthalten sei.
Es ist daher festzuhalten, daß die historische Entwicklung des einfachgesetzlichen Wahlrechts nichts Entscheidendes dazu beizutragen vermag, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob im ersten Satz des Art26 Abs1 B-VG das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland als Wahlrechtsvoraussetzung stillschweigend mitgedacht und anerkannt wurde.
c) Hingegen spricht eine historisch-systematische Interpretation, die den Zusammenhang zwischen der Verbürgung des Wahlrechts durch das B-VG 1920 und dem Staatsbürgerschaftsrecht (zu diesem Zusammenhang allgemein: Ringhofer, aaO, 22f und 102f) bedenkt, gegen ein solches Ergebnis. Sie zeigt nämlich, daß mit Erlassung des B-VG sämtliche Staatsbürger, auch solche ohne Wohnsitz im Inland, einer bestimmten Gemeinde und damit auch einem bestimmten Wahlkreis zugeordnet werden konnten:
Durch den 1. Satz des Art26 Abs1 B-VG wurde das Wahlrecht allen Staatsbürgern zuerkannt. Die Staatsbürgerschaft knüpfte ihrerseits an das Heimatrecht an; §14 Abs2 ÜG 1920 bestimmte nun ausdrücklich, daß Personen, die österreichische Staatsbürger sind, ohne in einer Gemeinde der Republik heimatberechtigt zu sein, Bundesbürger werden. Die Frage der Zuordnung zu einer bestimmten Gemeinde (und damit einem bestimmten Land, der Sache nach aber auch einem bestimmten Wahlkreis) wurde einem eigenen Bundesgesetz vorbehalten (das in Form der Heimatrechtsnovelle 1925, BGBl. 286/1925, ergangen ist, nach der alle Bundesbürger in vollziehbarer Weise sachgerecht einer Gemeinde zugeordnet wurden).
Im Einleitungsbeschluß hat der Verfassungsgerichtshof Zweifel an der Prämisse der älteren Judikatur geäußert, daß ein Anknüpfen der Wahlberechtigung an einen Wohnsitz im Inland aus wahltechnischen Gründen erforderlich sei (so insb. VfSlg. 299/1924), weil nur eine solche Anknüpfung eine ordnungsgemäße Wählerevidenz sicherstelle und die sachgerechte Zuordnung der Wähler zu den Wahlkreisen ermögliche. Die eben angestellten Erwägungen zeigen, daß diese Zweifel berechtigt sind: Der Ausschluß der Auslandsösterreicher vom aktiven Wahlrecht kann durch das Argument, er sei für die Erfassung und Zuordnung der Wahlberechtigten notwendig, nicht gerechtfertigt werden.
d) Zu erwägen ist noch, ob sich nicht aus dem Zusammenhalt der Abs1 und 2 des Art26 B-VG das Erfordernis erweist, das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland als notwendige, implizit angeordnete Wahlrechtsvoraussetzung anzuerkennen. Denn schon in seiner Entscheidung VfSlg. 1362/1930 hat der Verfassungsgerichtshof den Zusammenhang der Abs1 und 2 des Art26 B-VG hervorgehoben und in VfSlg. 1994/1950 hat er - freilich ohne nähere Erörterung - formuliert: "Nach den im B-VG enthaltenen Grundsätzen bildet der ordentliche Wohnsitz (Art26 Abs2 B-VG) eine der Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht."
Nun ging es im damaligen Verfahren (bloß) um die Frage, an welchem Ort ein Staatsbürger seinen ordentlichen Wohnsitz begründet bzw. ob es möglich ist, einen solchen an mehreren Orten des Bundesgebietes zu begründen, nicht aber - wie hier - um den Fall des Ausschlusses eines Staatsbürgers vom Wahlrecht, der keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat; der Gerichtshof war unter dem Gesichtspunkt des damaligen Beschwerdefalles daher nicht veranlaßt, die hier zur Erörterung stehenden Fragen zu erwägen.
Im Anschluß an die genannten Erkenntnisse hat ein Teil der Lehre die Voraussetzung des Vorliegens eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland für das Wahlrecht zum Nationalrat aus der Regelung des Art26 B-VG insgesamt abgeleitet (so insb. M. Nowak, Politische Grundrechte, 1988, 337ff).
In diesem Sinn meinen nun etwa die Landesregierungen von Kärnten und Wien:
"Gemäß Art26 Abs2 B-VG ist . . . die Zahl der Abgeordneten
auf die Wahlberechtigten eines Wahlkreises (Wahlkörper) im
Verhältnis der Bürgerzahl der Wahlkreise, das ist die Zahl der
Bundesbürger, zu verteilen, die nach dem Ergebnis der letzten
Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz
hatten. . . . Der Gedanke der Repräsentation des Bundesvolkes im
Nationalrat wird dadurch verwirklicht, daß bei Aufteilung der zu
vergebenden Mandate auf die einzelnen Wahlkreise die Gesamtzahl der
Staatsbürger berücksichtigt wird, die im Wahlkreis ihren
ordentlichen Wohnsitz haben, unabhängig davon, ob sie das
erforderliche Wahlalter schon erreicht haben oder aus anderen
Gründen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Dieses von der
Bundesverfassung - bereits seit der Stammfassung 1920 - festgelegte
Repräsentationsprinzip würde verzerrt werden, wenn sich der
Wahlkörper, das heißt die Wahlberechtigten eines Wahlkreises, auch
aus Staatsbürgern zusammensetzte, die ihren ordentlichen Wohnsitz
nicht innerhalb des Wahlkreises haben. . . . Aus diesen
Überlegungen folgt, daß Art26 Abs2 B-VG von der zwingenden Voraussetzung ausgeht, daß der Wahlkörper ein Teil der Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz im Wahlkreis sein muß, die ihrerseits für die Zahl der zu wählenden Abgeordneten im Wahlkreis bestimmend sind. Es zeigt sich somit, daß dem Repräsentationssystem, wie es durch Art26 Abs2 B-VG ausgestaltet ist, nur entsprochen wird, wenn das aktive Wahlrecht nur solchen Personen eingeräumt wird, die im betreffenden Wahlkreis den ordentlichen Wohnsitz haben."
Zwar ist auch der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, daß bei Ermittlung der Bürgerzahl im Sinne des Art26 Abs2 B-VG auf den ordentlichen Wohnsitz im Wahlkreis (und nicht, wie es der Gerichtshof im Einleitungsbeschluß als eine Möglichkeit erwogen hat, bei Auslandsösterreichern auf einen fiktiven Wohnsitz im Wahlkreis) abzustellen ist. Der Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, sein Verständnis vom Inhalt des Begriffs des ordentlichen Wohnsitzes, wie er es insb. in VfSlg. 9598/1982 dargelegt hat, zu modifizieren.
Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß Art26 Abs2 B-VG gerade nicht die Ausübung des Wahlrechts zum Gegenstand hat, sondern die Verteilung der Mandate auf die einzelnen Wahlkreise. Daß der Verfassungsgesetzgeber dafür auf die Bürger mit ordentlichem Wohnsitz in den einzelnen Wahlkreisen abstellt, hat mit dem Kreis der gemäß Art26 Abs1 B-VG Wahlberechtigten an sich nichts zu tun. Art26 Abs2 B-VG unterscheidet vielmehr zwischen den "Bundesbürgern", "die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten", und "den Wahlberechtigten eines Wahlkreises", für die auch in Art26 Abs2 B-VG kein Wohnsitzerfordernis aufgestellt wird. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß der Kreis der "Wahlberechtigten" und jener der "Bundesbürger, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten" von vornherein nicht identisch sein kann: Es handelt sich nicht nur deswegen um verschiedene Personenkreise, weil in einem Fall auf die Anzahl der Staatsbürger (unabhängig davon, ob sie das Wahlalter erreicht haben oder etwa vom Wahlrecht ausgeschlossen sind) und im anderen Fall auf die Zahl der Wahlberechtigten abgestellt wird, sondern auch wegen anderer Faktoren, wie etwa dem Umstand, daß zwischen der Feststellung der Bürgerzahl und einer Wahl eine erhebliche Zeitspanne liegen kann, den Wanderbewegungen zwischen den Bundesländern oder auch der zwischenzeitigen Einbürgerung von Personen, die zum Zeitpunkt der Feststellung der Bürgerzahl zwar einen Wohnsitz im Inland hatten, aber (noch) nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft waren.
Eine Identität zwischen der Bürgerzahl und der Zahl der Wahlberechtigten in einem Wahlkreis besteht daher jedenfalls nicht. Aus Art26 Abs2 B-VG kann somit nicht abgeleitet werden, daß die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet eine in Art26 Abs1 erster Satz B-VG mitgedachte Wahlrechtsvoraussetzung darstellt.
Zwar ist der Verfassungsgerichtshof der Ansicht, daß die Grundsätze des gleichen Wahlrechts und des Verhältniswahlrechts eine Ausgestaltung des Wahlrechts erfordern, die ein sachlich nicht gerechtfertigtes allzu großes Auseinanderklaffen zwischen der Zahl der Wahlberechtigten und der Zahl der Bundesbürger mit ordentlichem Wohnsitz in einzelnen Wahlkreisen im Vergleich zu anderen vermeidet. Daß das aktive Wahlrecht von Staatsbürgern ohne ordentlichen Wohnsitz im Inland zu einer Verletzung dieser grundsätzlichen Symmetrie führt, kann jedoch durch eine - insofern verfassungsrechtlich gebotene - sachgerechte Zuordnung von Auslandsösterreichern zu den einzelnen Wahlkreisen vermieden werden. Daß es verschiedene derartige Möglichkeiten gibt (wie etwa die Zuordnung nach dem letzten ordentlichen Wohnsitz, dem Ort der Geburt, dem Wohnsitz des Ehegatten oder bestimmter Verwandter, dem Sitz des Dienstgebers), zeigt etwa die Zuordnung zu Heimatgemeinden nach der Heimatrechtsnovelle 1925, BGBl. 286/1925, aber auch der internationale Vergleich (vgl. die im Einleitungsbeschluß zitierte Untersuchung des Europarates).
e) Dieses Ergebnis wird auch durch eine Bedachtnahme auf Art26 Abs5 B-VG gestützt, demzufolge die Ausschließung vom Wahlrecht nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung oder Verfügung sein darf.
Aber auch andere Erwägungen einer systematischen, den Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des B-VG bedenkenden Interpretation des Art26 Abs1 B-VG führen zu keinem anderen Ergebnis:
Der Hinweis auf das sog. "Homogenitätsprinzip" des Art95 Abs2 B-VG, wonach die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts für Landtagswahlen nicht enger gezogen werden dürfen als für Nationalratswahlen, übersieht, daß aus dieser Regel schon deshalb nichts zur Beantwortung der hier relevanten Frage des Erfordernisses des Wohnsitzes für die Wahlberechtigten gewonnen werden kann, weil die Einschränkung der für den Landtag Wahlberechtigten auf solche Bundesbürger, die im Land ihren ordentlichen Wohnsitz haben, eine (in Art95 Abs1 B-VG ausdrücklich vorgesehene) besondere Voraussetzung für das Wahlrecht in den Ländern darstellt.
Zu dem von der Burgenländischen, der Kärntner und der Wiener Landesregierung ins Treffen geführten Umstand, daß ein Wahlrecht für Österreicher ohne Wohnsitz im Inland in Konflikt mit den Regelungen über die Wahlpflicht kommen könnte, ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Art26 Abs1 B-VG letzter Satz in einem Bundesgesetz insbesondere auch die Gründe festzusetzen sind, aus denen eine Nichtteilnahme an der Wahl trotz Wahlpflicht als entschuldigt gilt; dies ermöglicht es auch, für den Fall der Wahlpflicht etwa das Nichtvorliegen eines Aufenthalts im Inland als entsprechenden Entschuldigungsgrund vorzusehen.
Dem Einwand schließlich, daß die Durchführung einer Wahl unter Beteiligung von Staatsbürgern ohne Wohnsitz im Inland auf rechtliche Schwierigkeiten stoßen würde, ist mit dem Hinweis darauf zu antworten, daß der Verfassung selbstverständlich kein Gebot entnommen werden kann, die Durchführung von Wahlen in einer Art und Weise zu ermöglichen, die mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften, wie den Prinzipien des persönlichen und geheimen Wahlrechts oder der Regelung des Art26 Abs6 B-VG in Widerspruch stünde (vgl. dazu insb. VfSlg. 10412/1985) oder die mit völkerrechtlichen Regeln in Konflikt geraten würde.
f) Zusammenfassend ergibt sich, daß weder eine auf die Entwicklung des Wahlrechts abstellende Interpretation noch eine den Zusammenhang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht bedenkende historisch-systematische Interpretation noch eine systematische Interpretation, die den Zusammenhang des Art26 Abs1 B-VG mit dem Abs2 dieses Artikels und mit anderen verfassungsrechtlichen Bestimmungen beachtet, geeignet ist, die Notwendigkeit des Vorliegens eines Wohnsitzes im Inland als verfassungsrechtliche Voraussetzung für das Wahlrecht darzutun und als eine ungeschriebene, aber implizit angeordnete Wahlrechtsvoraussetzung zu erweisen.
Es trifft somit das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu, daß der einfache Gesetzgeber das Wahlrecht zum Nationalrat auf Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz im Inland beschränkt hat, ohne daß eine solche Beschränkung aus Art26 Abs1 erster Satz B-VG abgeleitet werden könnte. Gleiches gilt im Hinblick auf Art60 Abs1 B-VG für den Ausschluß der genannten Personengruppe vom Wahlrecht zu den Bundespräsidentenwahlen.
Da dieser als verfassungswidrig erkannte Ausschluß vom Wahlrecht - wie oben dargetan wurde (vgl. Pkt. II/1/b) - eine Konsequenz der in Prüfung gezogenen Bestimmung des §2 WählerevidenzG ist, war diese Bestimmung als im Grunde der Art26 Abs1 und 60 Abs1 B-VG verfassungswidrig aufzuheben.
3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle, die sich auch auf jene Bestimmungen auswirkt (vgl. zB VfGH v. 29. 11. 1988, B81/88), die mit der aufgehobenen Vorschrift in einem die Verfassungswidrigkeit insgesamt konstituierenden Zusammenhang stehen (vgl. oben Pkt. II/1/b), gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.