A5/97 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Klagen werden zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Die Kläger (Ordentliche oder Außerordentliche Universitätsprofessoren) sind an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien u.a. als Prüfer tätig.
Für die Abnahme von Prüfungen gebührt(e) den Klägern gemäß §4 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen - ALPG (Stammfassung: BGBl. 463/1974)eine Entschädigung. Die Höhe der Entschädigung richtete sich vor dem 1. Oktober 1996 nach dem ALPG idF der Novelle BGBl. 297/1995. Seither ist das Gesetz in der durch Art90 Z10 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201 (StruktAnpG 1996), verfügten Neufassung des §4 maßgebend.
2. Mit den vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten Klagen machen die Einschreiter gegen den Bund vermögensrechtliche Ansprüche aufgrund des ALPG geltend.
Die Kläger behaupten, daß ihnen höhere Beträge als die tatsächlich überwiesenen gebührten. Die durch das StruktAnpG 1996 angeordnete Neugestaltung und Kürzung der Entschädigungen sei nämlich verfassungswidrig. Die Kläger regen an, aus Anlaß der vorliegenden Klagen von Amts wegen Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Nach Aufhebung der entsprechenden, durch das StruktAnpG 1996 neu gefaßten Bestimmungen stünden ihnen höhere als die ihnen tatsächlich ausbezahlten Geldentschädigungen zu.
Sie beantragen daher, den Bund schuldig zu erkennen, ihnen die - näher bezifferten - Differenzbeträge zuzüglich 4% Zinsen sowie die Kosten der Verfahren binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu zahlen.
3. Der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, erstattete zu A5/97 eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Klage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zu den anderen Klageverfahren wurde von der Einholung einer Gegenschrift abgesehen (s.u. II.5).
Der Kläger zu A5/97 replizierte auf die Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Klagen erwogen:
1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
2. Mit den Klagen werden vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund geltend gemacht. Die Ansprüche gründen sich auf das ALPG; sie wurzeln im öffentlichen Recht. Es handelt sich also nicht um bürgerliche Rechtssachen im Sinne des §1 JN; dieser Meinung sind im übrigen auch die Kläger. Eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung hierüber ist nicht gegeben (vgl. etwa VfSlg. 10266/1984, 11836/1988). Es ist aber zu prüfen, ob über die mit den Klagen geltend gemachten Ansprüche durch Bescheide einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist.
3.a) Die Kläger verneinen dies.
So führt - ähnlich wie die anderen Einschreiter - der Kläger zu A22/97 aus:
"Nach §4 ALPG (idF sowohl vor wie auch nach der Novelle durch Art90 StrukturanpassungsG) hat der Prüfer, der eine Prüfung iS des §23 AHStG abgenommen hat, einen vermögensrechtlichen Anspruch auf eine Prüfungsentschädigung gegen den Bund.
Eine Geltendmachung dieses Anspruches im ordentlichen Rechtsweg ist nicht möglich. Das ALPG sieht keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vor. Die Befugnisse zur Vornahme der Tätigkeiten, für die die Abgeltungen gewährt werden, insb. von Prüfungen, ergeben sich aus dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Vorschriften des UOG und des AHStG. Das Rechtsverhältnis der Prüfer zum Bund wurzelt daher im öffentlichen Recht; es liegt keine 'bürgerliche Rechtssache' vor.
Auch eine Entscheidung durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist nicht vorgesehen. Die Prüfungsentschädigung steht unmittelbar aufgrund des §4 ALPG zu. Sie ist gemäß §7 Abs5 ALPG 'nach Semesterende auszuzahlen'. Die vorherige Erlassung eines Bescheides ist nicht angeordnet, die Entschädigung ist unmittelbar aufgrund des Gesetzes zu liquidieren. Dies wird durch die - jahrzehntelange - Praxis der Universitäten bestätigt. Ein Bescheid ist in §7 Abs1 ALPG iVm §13a GehaltsG nur für den Fall der Rückforderung von Übergenüssen vorgesehen.
Bei den Prüfungsentschädigungen handelt es sich auch nicht um gehaltsrechtliche Ansprüche, bezüglich derer aufgrund der dienstrechtlichen Vorschriften ein Feststellungsbescheid (über die Gebührlichkeit) erlangt werden kann, so daß diesbezüglich eine Klage an den VfGH ausgeschlossen wäre (vgl. z.B. VfSlg. 11395, 11836, 12024, 12313; VfGH 12.6.1995, A13/93; 26.2.1996, A17/94, ua.); die Prüfungsentschädigung nach §4 ALPG steht nämlich allen Prüfern zu, gleichgültig, ob sie in einem Dienstverhältnis (welcher Art immer) zum Bund stehen, ohne daß hinsichtlich Auszahlung oder Entscheidung über die Entschädigung nach dem Rechtsverhältnis des Prüfers zum Bund differenziert würde. Der Gesetzgeber hat somit nicht eine gehaltsrechtliche Regelung für Bundesbedienstete getroffen, vielmehr handelt es sich um eine Funktionsabgeltung für die Tätigkeit als Prüfer. Diese Auffassung hat auch der VfGH in seinem Erk. v. 4.12.1996, G51-54/96, vertreten, und betont, daß es bei den im ALPG geregelten Abgeltungen gerade nicht um Leistungen aus einem Dienstverhältnis geht; diese Abgeltungen seien insb. keine 'Dienstbezüge' iS des GehaltsG, sondern gebührten neben den Dienstbezügen und seien vom Bestand eines Dienstverhältnisses nicht abhängig. Angesicht dieser - 1974 geschaffenen - Rechtslage spricht auch das zu einer früheren Rechtslage ergangene Erk. VfSlg. 1779 nicht gegen die Zulässigkeit der Klage nach Art137
B-VG.
Da somit weder die Gebührlichkeit noch die Auszahlung der Prüfungsentgelte im ordentlichen Rechtsweg oder vor einer Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden kann, kann diese unmittelbar aufgrund des Gesetzes zustehende finanzielle Leistung mit Klage nach Art137 B-VG geltend gemacht werden (so auch zu Entschädigungen für Lehr- und Prüfungstätigkeit im Zusammenhang mit Lehraufträgen Binder, Der Lehrbeauftragte im Universitätsrecht, in Strasser (Hrsg), Grundfragen der Universitätsorganisation III (1988) 47 ff (69f, 70f)."
Der Kläger zu A5/97 führt in seiner zur Gegenschrift des Bundes erstatteten Replik zu den Verfahrensvoraussetzungen aus:
"Der Beklagte behauptet, der Kläger hätte einen bescheidmäßigen Abspruch erwirken müssen. Er hat dabei - wie die Bezugnahme auf das 'dreistufige Verfahren' (S 4 der Gegenschrift) beweist - offenbar das Modell des Gehaltsrechts vor Augen. Nun handelt es sich im vorliegenden Zusammenhang aber nicht um einen gehaltsrechtlichen Anspruch; vielmehr wurden die Prüfungsentschädigungsansprüche, wie in der Klage erläutert, rechtspolitisch bewußt außerhalb des Gehaltsrechts geregelt. Tatsächlich bestimmt §7 Abs5 leg. cit. in unüberbietbarer Deutlichkeit: 'Die Entschädigungen gemäß §§4 bis 6 sind nach Semesterende auszuzahlen'.
Es handelt sich somit um einen gesetzesunmittelbaren vermögensrechtlichen Anspruch, vergleichbar den in VfSlg. 11944/1989, 13132/1992 und 13640, 13642/1993 behandelten Ansprüchen. Tatsächlich kann der Beklagte auch keine Bestimmung der materiellen Verwaltungsvorschriften anführen, aus der sich eine Bescheidbefugnis einer Behörde (Dekan?, Quästur?, Bundesministerium?) ergäbe. Von Bescheiden ist im Bundesgesetz BGBl. 464/1974 - anders als im GehG - auch nicht die Rede. Nun könnte man doch darauf hinweisen, daß §7 Abs1 Satz 2 leg. cit.
- hinsichtlich der Rückersätze und hinsichtlich der Verjährung - auf die §§13a und 13b GehG verweist. Freilich ist auch damit eine Bescheidkompetenz nicht dargetan, da die Aufrechnung nach §13a GehG gemäß VwGH ZfV 897/1995 durch Abzug und nicht durch Bescheid erfolgen soll.
Insgesamt ist es daher verfehlt, wenn der Beklagte wiederkehrend meint, das seit jeher vorgenommene faktische Auszahlen sei bloß eine 'Serviceleistung des Dekanats'. Vielmehr ist ein Bescheid im vorliegenden Zusammenhang gesetzlich nicht vorgesehen.
Da ein solcher Anspruch nach Art137 B-VG einzuklagen ist, und da dies einen zumutbaren Umweg darstellt, kommt ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 B-VG von vorneherein nicht in Betracht."
b) Dieser Auffassung pflichtet der Verfassungsgerichtshof nicht bei:
In den vorliegenden Fällen handelt es sich um (im öffentlichen Recht begründete) Funktionsabgeltungen für die Tätigkeit als Prüfer. Sie sind zwar keine "Dienstbezüge" iS des Gehaltsgesetzes 1956, sondern sind vom Bestand eines Dienstverhältnisses unabhängig (vgl. VfGH 4.12.1996 G51-54/96). Dennoch gleichen sie in der hier maßgebenden Hinsicht den besoldungsrechtlichen Ansprüchen von Beamten (vgl. hiezu VfGH 30.9.1996 V10/96, S 5f., betreffend die Gebührlichkeit des einem Fleischuntersuchungsorgan zustehenden - gleichfalls im öffentlichen Recht wurzelnden - Entgeltes).
Besoldungsrechtliche Ansprüche von Beamten werden, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (z.B. VfSlg. 3259/1937, 7846/1976, 8371/1978, 11836/1988; VfGH 26.2.1996 A17/94) dargetan hat, in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Die letzte Phase (Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der nur der Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid zu erledigen ist, sodaß für die Entscheidung über ein solches Liquidierungsbegehren die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG gegeben ist. Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, nämlich den technischen Vorgang der Auszahlung, sondern um die Rechtsfrage seiner Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen Behörde zu entscheiden (vgl. die mit VfSlg. 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes; weiters etwa VfSlg. 11395/1987 und 11836/1988, weiters VfGH 26.2.1996 A17/94).
Hier ist nun gerade strittig, in welcher Höhe den Klägern Geldentschädigungen für an der Universität Wien durchgeführte Prüfungen zustehen. Sie meinen, daß ihnen höhere als im Gesetz vorgesehene Beträge gebührten. Wenngleich der geltend gemachte Anspruch nicht mit einem Fehler im Vollzugsbereich, sondern mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Gesetzes begründet wird, ist nach dem Gesagten mit Bescheid abzusprechen.
4. Da sohin über die von den Klägern geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Ansprüche mit Bescheiden einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist, sind die Prozeßvoraussetzungen des Art137 B-VG nicht gegeben. Der Verfassungsgerichtshof ist deshalb nicht zuständig, über die Klagebegehren zu entscheiden.
Die Klagen waren sohin wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu A 22, 23, 24, 27/97 außerdem ohne Vorverfahren, beschlossen werden.