JudikaturVfGH

B2622/97 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
06. März 1998

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 20.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) wird ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum 1. Juli 1996 bis 18. Februar 1997 unter Berufung auf §26 Abs3 litb und Abs4 iVm §12 Abs6 litc AlVG mit der Begründung abgewiesen, daß gemäß §36a Abs5 Z1 leg.cit. das aus dem Einkommensteuerbescheid über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr (in concreto: des Jahres 1994) ersichtliche Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit als Bemessungsgrundlage für eine allfällige laufende Leistung aus der Arbeitslosenversicherung heranzuziehen sei und dieses Einkommen sowohl die Geringfügigkeitsgrenze von S 3.600,-- für 1996 als auch von S 3.740,-- für 1997 übersteige.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit Erkenntnis vom 5. März 1998, G284/97, hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Wortfolge "über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr" im ersten Halbsatz des §36a Abs5 Z1 AlVG idF BGBl. 411/1996 als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

3. Die Beschwerde ist am 31. Oktober 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Normenprüfungsverfahren G284/97 war der 27. Februar 1998. Die Gesetzesaufhebung (vgl. Pkt. II.1.) wirkt daher auch für sie.

Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung einer als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmung ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist. Die Beschwerdeführerin ist demnach durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden. Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 2.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von

S 3.000,-- enthalten.

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