JudikaturVfGH

B1366/98 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
15. März 2000

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Steeg vom 11. März 1998 wurde das Bauansuchen der beschwerdeführenden Gesellschaft um Erteilung der Baubewilligung zum Aufbau eines Lagerraumes über dem Südwestteil des bewilligten und im Rohbau fertig gestellten Garagengebäudes und zur Änderung der Außenansicht an der Garage auf Grundstück 3430/2, KG Steeg, gemäß §31 Abs4 lita Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 idF LGBl. Nr. 31/1997 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Gemeinde Steeg mit Bescheid vom 23. April 1998 abgewiesen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Tiroler Landesregierung die Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft zusammengefasst mit der Begründung ab, dass dieser Aufbau den Grundlagen und Festlegungen einer Sonderfläche "Garage für Transport- und Erdbewegungsmaschinen" widerspreche.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Der Gemeinderat der Gemeinde Steeg legte die Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes vom 29. November 1993 hinsichtlich des Grundstückes 3430/2 in EZ 235 GB 86035 Steeg vor, verzichtet jedoch auf die Erstattung einer Äußerung.

6. Die beschwerdeführende Gesellschaft trat in einer Replik der Gegenschrift der belangten Behörde entgegen.

II. 1. Die Beschwerde behauptet zunächst die Verfassungswidrigkeit des zweiten Satzes im §43 Abs2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1997 idF LGBl. Nr. 28/1997 (TROG 1997).

§43 TROG 1997 lautet (die in der Beschwerde als verfassungswidrig bezeichneten Teile sind hervorgehoben):

"§43

Sonderflächen

(1) Als Sonderflächen können außer in den in diesem Gesetz besonders geregelten Fällen Grundflächen gewidmet werden, auf denen

(2) Bei der Widmung von Sonderflächen ist der jeweilige besondere Verwendungszweck genau festzulegen. Auf Sonderflächen dürfen nur Gebäude und sonstige Anlagen, die dem festgelegten Verwendungszweck entsprechen, samt den dazugehörenden Nebenanlagen errichtet werden. Auf Sonderflächen für Dauerkleingärten und Bienenhäuser dürfen überdies nur solche Gebäude und sonstige Anlagen errichtet werden, die zur Verwirklichung des jeweiligen Verwendungszweckes nach Größe, Ausstattung und sonstiger Beschaffenheit unbedingt erforderlich sind.

(3) Als Sonderflächen dürfen nur Grundflächen gewidmet werden, die sich unter Bedachtnahme auf §37 Abs1 und 2 nach ihrer Lage und Beschaffenheit für eine dem festgelegten Verwendungszweck entsprechende Bebauung eignen.

(4) Wird auf einer als Sonderfläche nach Abs1 lita gewidmeten Grundfläche nicht innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten der Widmung mit der Ausführung eines dem festgelegten Verwendungszweck entsprechenden Bauvorhabens begonnen, so hat die Gemeinde die Widmung als Sonderfläche aufzuheben.

(5) Die Abs2, 3 und 4 gelten auch für die in diesem Gesetz besonders geregelten Sonderflächen, soweit für sie nichts anderes bestimmt ist."

2. Die Bestimmung verletze das in Art5 StGG verbürgte Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, weil die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstückes im Sinne des TROG 1997 entgegen der Definition von "Eigentum" gemäß §354 ABGB in verfassungswidriger Weise eingeschränkt würden. Außerdem hätte man als Grundstückseigentümer keinen Anspruch auf eine entsprechende Umwidmung.

3. Auch eine Aufhebung der Sonderflächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof würde an der eigentumsbeschränkenden Situation der beschwerdeführenden Gesellschaft nichts ändern, da die betreffende Grundfläche gemäß §41 Abs1 TROG 1997 folglich als Freiland gelten würde.

§41 TROG 1997 lautet:

"§41

Freiland

(1) Als Freiland gelten alle Grundflächen des Gemeindegebietes, die nicht als Bauland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen gewidmet sind und die nicht Verkehrsflächen nach §54 Abs3 erster Satz sind.

(2) Im Freiland dürfen nur ortsübliche Städel in Holzbauweise, die landwirtschaftlichen Zwecken dienen, Bienenhäuser in Holzbauweise mit höchstens 20 m2 Nutzfläche sowie Nebengebäude und Nebenanlagen errichet werden."

4. Dadurch dass gemäß §43 Abs2 TROG 1997 der jeweilige besondere Verwendungszweck genau festzulegen ist, werde das Eigentum an Sonderflächen praktisch aufgehoben. Eine derartige Einschränkung der Verwendung des Grundstückes entspreche einer Dienstbarkeit und würde den Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes völlig aushöhlen.

5. Weiters werde deshalb ins Eigentumsrecht eingegriffen, da für den Gemeinderat bei der Festlegung des besonderen Verwendungszwecks gar nicht immer bekannt sein kann, welche speziellen Bedürfnisse etwa ein auf einer Sonderfläche zu errichtender Betrieb habe.

6. Schließlich habe es der Gesetzgeber in §43 Abs2 TROG 1997 dem in keiner Weise determinierten Belieben der Planungsbehörde überlassen, welchen Verwendungszweck sie für eine Sonderfläche festlegen will.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Aus den vorgelegten Flächenwidmungsplanakten ergibt sich, dass eine Teilfläche des Grundstückes 3430 in EZ 235 GB 86035 am 29. November 1993 vom Gemeinderat der Gemeinde Steeg in eine Sonderfläche im Freiland mit dem Verwendungszweck "Garage für Transport- und Erdbewegungsmaschinen" umgewidmet wurde. Dieser Gemeinderatsbeschluss wurde von der Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 26. Februar 1996 aufsichtsbehördlich genehmigt. In der Begründung heißt es unter anderem:

"... Die Änderung des Flächenwidmungsplanes einer Teilfläche des Grundstückes 3430 (südöstliche Hälfte) stellt zur Aussiedlung des Transport- und Erdbewegungsunternehmens der Firma B aus dem Ortszentrum von Steeg ein vorrangiges Ziel der Dorferneuerung der Gemeinde Steeg dar, soll genauso aber auch dazu dienen, um den zu einer weiteren positiven Entwicklung der Firma erforderlichen größeren Platzbedarf sicherzustellen ...".

2. Der Amtssachverständige für örtliche Raumplanung stellt in seinem Gutachten Folgendes fest:

"Die Firma B stellt ihre Baumaschinen im Ortskern ab, wodurch eine Störung des Dorfes verursacht wird, die phasenweise (Wintereinsatz) erheblich ist. Die Verlegung dieser Garagen ist ein Ziel der Dorferneuerung. Nun wurde am östlichen Rand des Ortsteils Hägerau an einer Geländekante ein passendes Grundstück gefunden. Von hier ist die Verkehrsanbindung störungsfrei möglich und eine weitergehende Entwicklung des Ortes nicht beeinträchtigt, da der Ortsrand hier ohnehin durch einen Lawinenstrich definiert ist, welcher eine weitere Ausweisung vom Bauland verhindert. Die Ausführung sollte, wie beim Lokalaugenschein besprochen wurde, möglichst in die Geländekante integriert werden, um diesen landwirtschaftlich reizvollen Bereich so wenig wie möglich zu beeinträchtigen ...".

Wie die Beschwerde auch nicht bestreitet, ist daher die Widmung Sonderfläche im Freiland "Garage für Transport- und Erdbewegungsmaschinen" auf dem Grundstück 3430 zunächst gemäß den raumordnungsrechtlichen Vorgaben im TROG 1997 erlassen worden.

3. Soweit jedoch die Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmungen des TROG 1997 behauptet wird, ist der beschwerdeführenden Gesellschaft Folgendes zu entgegnen:

Gegen eine Regelung, die auf Standorten, die für Anlagen mit einem bestimmten Verwendungszweck, für die ein konkreter Bedarf besteht (hier Garage für Transport- und Erdbewegungsmaschinen), ganz besonders geeignet sind (hier die Lage am Ortsrand, die störungsfreie Verkehrsanbindung, geringe Beeinträchtigungsmöglichkeit des Landschaftsbildes, keine Ausweitungsmöglichkeit von Bauland), die Errichtung eben dieser Anlagen (einschließlich Nebenanlagen) erlaubt, bestehen aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes keine Bedenken. Wenn aber ein Standort nur für eine bestimmte Art von Anlagen ganz besonders geeignet ist, ist es nur folgerichtig, die Errichtung anderer Anlagen auszuschließen.

Dass die als Sonderfläche gewidmete Grundfläche 3430/2 für die Anlage besonders geeignet ist, wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft nie bestritten. Sie strebt hingegen auch die Errichtung anderer Anlagen an. Die Einschränkung auf die Anlagen, die dem festgelegten Verwendungszweck entsprechen, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Ausnahmecharakter der Sonderwidmung gegenüber anderen Widmungen, vor allem dem in §41 Abs2 TROG 1997 verankerten Verbot der Errichtung von Bauten in Massivbauweise.

Wenn dem Gemeinderat vorgeworfen wird, bei der Festlegung des Verwendungszweckes nicht ausreichend vorhersehen zu können, welche Bedürfnisse ein Betrieb haben wird, so ist dem zu entgegnen, dass bei der Sonderflächenwidmung nicht auf die Bedürfnisse eines konkreten Betriebes, sondern auf die Standorteignung abzustellen ist.

Vor diesem Hintergrund hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen die genannten Bestimmungen des TROG 1997.

Ein in die Verfassungssphäre reichender Auslegungsfehler ist der belangten Behörde ebenso nicht unterlaufen, da die Bezeichnung der Sonderflächenwidmung grundsätzlich restriktiv auszulegen ist. Ob es sich bei einem bloß über eine Stiege erreichbaren Lagerraum mit Fenstern um eine "dazugehörige Nebenanlage" iSd §43 Abs2 TROG 1997 handelt, ist eine einfachgesetzliche Frage.

Da die beschwerdeführende Gesellschaft nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (zB VfSlg. 9607/1983, 10.981/1986).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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