B1758/07 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist schuldig, der beteiligten Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.160,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist u.a. Inhaberin
der zu AM 2805/81, Reg. Nr. 103 094 und Reg. Nr. 167 568, registrierten Wortmarke "Miss Austria" und "Mister Austria" in der Klasse 41 ("Veranstaltung von Schönheitskonkurrenzen und Misswahlen").
Die beteiligte Partei ist Inhaberin der Wortmarke "Miss Internet" (Reg. Nr. 193 758) in der Klasse 41 ("Unterhaltung").
2. Am 31. Jänner 2003 langte beim Österreichischen Patentamt ein Antrag der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Gesellschaft ein, in dem sie - gestützt auf die §§31 und 33 Markenschutzgesetz 1970, BGBl. 350/1977 idgF (MSchG) iVm §4 Abs1 Z3 MSchG - die Löschung der Marke "Miss Internet" im Umfang der Klasse 41 begehrte. Die Nichtigkeitsabteilung gab dem Löschungsantrag statt und löschte die Marke der Antragsgegnerin und nunmehrigen beteiligten Partei.
3. Gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung brachte die Antragsgegnerin Berufung beim Obersten Patent- und Markensenat ein, der dieser mit Bescheid vom 27. Juni 2007, Z Om 4/07-2, Nm 9/2003, Folge gab. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:
"Die Berufungswerberin steht im Wesentlichen auf dem Standpunkt, dass ihrer Marke keine Registrierungshindernisse iSd §4 Abs1 Z3 bis 5 MSchG entgegenstünden. Die Marke 'Miss Internet' sei nicht deskriptiv iSd §4 Abs1 Z4 MSchG. Zeichen, welche nur Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit enthielten, ohne damit die bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, seien nicht rein beschreibend, sondern als relative Fantasiebezeichnungen aufzufassen. Eine solche liege vor, wenn das Zeichen zwar grundsätzlich eine Bedeutung habe, aber keinen speziellen Aussagegehalt in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aufweise. Eine schutzfähige relative Fantasiebezeichnung liege dann vor, wenn sich die Bedeutung des Zeichens für die beteiligten Verkehrskreise nicht bereits auf den ersten Blick und ohne weiter über den Sinngehalt der Schöpfung nachzudenken 'ins Auge springe'. Die Vermutung der Nichtigkeitsabteilung, dass die beteiligten Verkehrskreise in der Wortfolge 'Miss Internet' einen allgemeinen Hinweis dahingehend erblickten, dass es sich bei den so bezeichneten Dienstleistungen um die Veranstaltung von Misswahlen handle, bei denen die Kandidatinnen via Internet präsentiert würden und/oder die Siegerin via Internet gewählt werde, sei verfehlt. Die Nichtigkeitsabteilung räume damit selbst zwei unterschiedliche Interpretationen der Wortfolge ein. Für die Schlussfolgerungen der angesprochenen Verkehrskreise bedürfe es einer gewissen Einbildungskraft und Fantasie, insbesondere der Verbindung einer Schönheitskonkurrenz mit den technischen Eigenschaften des Internets. Die Marke der Antragsgegnerin sei daher zu Recht ohne das Erfordernis eines Verkehrsgeltungsnachweises registriert worden.
Die Berufungsgegnerin ist der Ansicht, dass der Begriff 'Miss Internet' als rein beschreibendes Zeichen zu werten sei. Es seien keine komplizierten Schlussfolgerungen nötig, dass es sich dabei um Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Misswahl im Internet handle.
Hiezu ist auszuführen:
Für die Frage, ob eine Marke nur rein beschreibende Angaben über Waren oder Dienstleistungen enthält, sind nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (zu §4 MSchG und §9 UWG) und derjenigen des Obersten Patent- und Markensenats, jeweils im Einklang mit der Judikatur der Europäischen Gerichte (EuG und EuGH) folgende Kriterien maßgeblich:
Schutzunfähig (ohne Verkehrsgeltung) sind rein beschreibende Angaben. Als rein beschreibend gelten Zeichen, deren Begriffsinhalt von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschlossen werden kann und die als beschreibender Hinweis auf die Art der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verstanden werden (RIS-Justiz RS0117763; RS0066456; PBl 2000, 14 mwN). Wenn die Angaben vage und unbestimmt sind und beim angesprochenen Durchschnittsverbraucher mehrdeutige und/oder widersprüchliche Vorstellungen und verschiedene Interpretationen hervorrufen, ist das Zeichen nicht rein beschreibend. Die Unterscheidungskraft ist nur zu verneinen, wenn der größere Teil des Gesamtverkehrs bzw ein beachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises der Marke jegliche Unterscheidungskraft abspricht, in der Marke also keine Aussage zur Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennt (PBl 2002, 97 mwN aus der Judikatur des EuG und des EuGH zur Gemeinschaftsmarkenverordnung).
Die Registrierbarkeit einer Marke unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidungskraft ist stets. unter Bedachtnahme auf die Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen, für die das Zeichen bestimmt ist (4 Ob 101/01 h uva), hier also für den weiten Dienstleistungsbegriff 'Unterhaltung'.
In Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die Argumente der Berufungswerberin als richtig, dass mit ihrer Marke nicht schon zwanglos und ohne besondere Denkarbeit die Dienstleistung des Unternehmens beschrieben wird:
Mit dem Markenbestandteil 'Miss' wird zwar ein Zusammenhang mit der Dienstleistung einer 'Misswahl' hergestellt, dieser Zusammenhang allein reicht aber mangels näherer Bestimmtheit noch nicht aus, von einer bloß beschreibenden Angabe ausgehen zu können (vgl 4 Ob 7/96 = SZ 69/38). Für den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreis (also praktisch für jedermann) sind mehrere Schlussfolgerungen möglich, dass nämlich die Marke nicht nur eine im Internet durchgeführte Wahl einer 'Miss Internet', sondern auch die Präsentation bzw der Auftritt einer schon gewählten Miss in anderen Medien oder an bestimmten Orten (beispielsweise in Hotels oder Gaststätten) bezeichnet wird. Nach dem aktenkundigen Ergebnis einer Ähnlichkeitsprüfung wird der Markenbestandteil 'Miss' mit unterschiedlichen Zweitbegriffen kombiniert ('Miss Austria', 'Miss Blond', 'Miss Disco Katze', 'Miss Erotic', 'Miss Fitness', 'Miss Golf' uva). Die Qualifikation als zumindest relative Fantasiebezeichnung (vgl 4 Ob 369/80: 'Miss Broadway') ist dann geboten, wenn nicht schon ohne besondere Gedankenarbeit der beschreibende Charakter klar ist. Eine solche Denkarbeit ist hier aber aufgrund des weiten Klassenbegriffs 'Unterhaltung' erforderlich. Die Marke 'Miss Internet' wäre zwar für eine Dienstleistung, die darin bestünde, eine 'Miss Internet' wählen zu lassen, rein beschreibend (vgl 4 Ob 35/91: 'Disco Queen'; 4 Ob 365/85: 'Miss Austria'), nicht aber für Dienstleistungen der Klasse 41 'Unterhaltung', weil bei einem solchen weiten Dienstleistungsgegenstand die Markenangaben die Art der Dienstleistung offen lassen und die Auslegung durch die angesprochenen Verkehrskreise eine besondere Gedankenarbeit erfordert, die durchaus zu verschiedenen Auslegungen führen kann. Das angesprochene Publikum gelangt keineswegs zwanglos zum übereinstimmenden Ergebnis, dass (ausschließlich) die Durchführung der Wahl einer Miss im Internet den Gegenstand der Dienstleistung im Unterhaltsbereich bildet. Die Berufung der Antragsgegnerin ist daher berechtigt und der Löschungsantrag abzuweisen."
II. 1. Der Beschwerde liegt folgende Rechtslage zu Grunde:
Der an die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes gerichtete Löschungsantrag stützt sich auf die §§31 und 33 MSchG. Diese Bestimmungen lauten in der Fassung der Novellen BGBl. 773/1992 und BGBl. I 111/1999:
"§31. (1) Die Löschung einer Marke kann begehren, wer nachweist, daß das von ihm für dieselben oder für ähnliche Waren oder Dienstleistungen geführte nichtregistrierte Zeichen bereits zur Zeit der Anmeldung der angefochtenen, seinem nichtregistrierten Zeichen gleichen oder ähnlichen Marke innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen der Waren oder Dienstleistungen seines Unternehmens gegolten hat, es sei denn, die Marke wurde vom Markeninhaber mindestens ebenso lange unregistriert geführt, wie vom Unternehmen des Antragstellers.
(2) Der Antrag ist abzuweisen, wenn der Antragsteller die Benutzung der eingetragenen Marke während eines Zeitraumes von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat. Dies gilt nur für die Waren und Dienstleistungen, für die die eingetragene Marke benutzt worden ist, und auch nur dann, wenn die Anmeldung der eingetragenen Marke nicht bösgläubig vorgenommen worden ist.
(3) Das Löschungserkenntnis wirkt auf den Beginn der Schutzdauer (§19 Abs1) zurück.
§33. (1) Aus einem von Amts wegen wahrzunehmenden Grund kann die Löschung einer Marke von jedermann begehrt werden.
(2) Wird die Marke deshalb gelöscht, weil sie nicht hätte registriert werden dürfen, wirkt das Löschungserkenntnis auf den Beginn der Schutzdauer (§19 Abs1) zurück."
Gemäß §4 Abs1 Z3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft macht die Verletzung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend.
2.1 Zur Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit führt sie aus, dass die belangte Behörde willkürlich vorgegangen sei, weil sie entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung dem §4 MSchG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe. Sie habe zu Unrecht das zwingende Registrierungserfordernis der Wortmarke "Miss Internet" nicht gefordert und auch nicht zur Erbringung eines Verkehrsgeltungsnachweises aufgefordert.
Im Detail legt die beschwerdeführende Gesellschaft dann ihre Rechtsansicht unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen dar.
2.2 Zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums führt die beschwerdeführende Gesellschaft aus, warum durch die nach ihrer Ansicht willkürliche Registrierung der Marke "Miss Internet" auch ihr Eigentum an ihren eigenen Marken verletzt worden sei. Durch die Abweisung ihres Löschungsantrags würden Grundsätze der bisherigen Rechtspraxis und Rechtsprechung verletzt, wodurch der Wert ihrer Marken massiv gemindert werde.
3. Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte und Kostenzuspruch begehrte.
4. Die beteiligte Partei gab eine Äußerung ab, in der sie der Rechtsansicht der belangten Behörde beitritt.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
All dies ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen. Sie hat sich mit der Sach- und Rechtslage ausführlich auseinandergesetzt und ist schließlich zu dem Schluss gekommen, dass mit dem Markenbestandteil "Miss" zwar ein Zusammenhang mit Misswahlen hergestellt werde, dieser Zusammenhang allein aber mangels näherer Bestimmtheit nicht ausreiche, von einer bloß beschreibenden Angabe ausgehen zu können. Auch verweist die belangte Behörde auf die Rechtsprechung, nach der sie den vorliegenden Fall beurteilt.
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht dazu berufen, im Einzelnen zu beurteilen, ob die Entscheidung der belangten Behörde richtig ist und ob sie einen Fall auf Grund der von ihr für relevant gehaltenen Rechtsprechung richtig beurteilt hat. Von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage kann im vorliegenden Fall jedenfalls keine Rede sein.
Dies gilt auch in Fällen, in denen die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen ist. Die Beschwerde geht inhaltlich nicht über den Rahmen einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde hinaus und verkennt damit den Schutzumfang des Grundrechtes.
2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
Aus den bereits unter Punkt 1 angeführten Gründen hat die belangte Behörde das Gesetz auch nicht in denkunmöglicher Weise angewendet.
IV. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich
gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.