JudikaturVfGH

B1313/07 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2008

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Edikt vom 22. Dezember 2006 ordnete das Bezirksgericht

Reutte die erneute (Zwangs )Versteigerung näher bezeichneter Liegenschaften für den 18. April 2007 an; gemäß §20 Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG) sind zur Wiederversteigerung einer land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft nur Personen als Bieter zuzulassen, die eine Bieterbewilligung oder eine Bestätigung des Landesgrundverkehrsreferenten gemäß §20 Abs3 letzter Satz TGVG vorweisen.

Die Beschwerdeführerin beantragte beim Landesgrundverkehrsreferenten (im Folgenden: LGVR) fristgerecht die Erteilung der Bieterbewilligung.

2. Der LGVR wies den Antrag mit Bescheid vom 1. Februar 2007 gemäß §20 Abs3 iVm §§4 und 6 TGVG (idF LGBl. 85/2005) ab.

Der Versuch, der Beschwerdeführerin diesen Bescheid an die von ihr im Bewilligungsantrag angeführte Adresse zuzustellen, blieb erfolglos; die Sendung wurde mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" an den LGVR retourniert.

Daraufhin veranlasste der LGVR die Zustellung der Sendung an die (neue) Abgabestelle "...". Nach dem Inhalt des Zustellnachweises wurde der Bescheid an dieser Adresse am 19. Februar 2007 von einem dort anwesenden "Mitbewohner", der "i.A. C..." unterfertigte, übernommen.

3. Am 18. April 2007 fand die erneute Versteigerung der Liegenschaften statt, die einer dritten Person zugeschlagen wurden.

4. Die Beschwerdeführerin teilte dem LGVR am 19. April 2007 fernmündlich mit, den in Rede stehenden Bescheid vom 1. Februar 2007 nicht erhalten zu haben; der LGVR äußerte gegenüber der Beschwerdeführerin die Auffassung, dass durch die Übergabe der Sendung an einen Mitbewohner eine rechtsgültige (Ersatz )Zustellung erfolgt sei.

5. Über Ersuchen der Beschwerdeführerin wurde der Bescheid des LGVR per Fax an sie übermittelt.

6. Mit selbstverfasstem Schreiben vom 30. April 2007 richtete die Beschwerdeführerin einen "Berufungsantrag" an den LGVR.

7. Mittels Faxeingabe vom 4. Mai 2007 - beim LGVR eingelangt am 7. Mai 2007 - erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter Berufung gegen den in Rede stehenden Versagungsbescheid. Die Berufung sei rechtzeitig, weil eine rechtswirksame Zustellung des Bescheides erst mittels Fax (am 20. April 2007) stattgefunden habe. Eine rechtsgültige Ersatzzustellung gemäß §16 Zustellgesetz (im Folgenden: ZustG) am 19. Februar 2007 sei nicht erfolgt: Falls überhaupt, komme nur der (den Namen "C..." tragende) Vater des (an der Abgabestelle wohnhaften) Schwiegersohnes der Beschwerdeführerin (mit demselben Nachnamen) als Übernehmer der Sendung in Betracht, da an der Abgabestelle zum maßgeblichen Zeitpunkt keine andere (dort wohnhafte) Person anwesend gewesen sei. Sollte der Vater des Schwiegersohnes der Beschwerdeführerin die Sendung in Empfang genommen haben (wogegen der Schriftzug der Unterschrift spreche), sei die Zustellung nicht an eine als Ersatzempfänger gemäß §16 Abs1 und Abs2 ZustG in Betracht kommende Person erfolgt, weil der Betreffende nicht an der Abgabestelle (sondern in Wien) wohne und kein Arbeitnehmer oder Arbeitgeber der Beschwerdeführerin sei. Da die Sendung der Beschwerdeführerin nicht ausgehändigt worden sei, habe - vor der Faxübermittlung des Bescheides - auch keine Heilung des Zustellmangels stattgefunden. Zum Nachweis ihres Vorbringens bot die Beschwerdeführerin die Einvernahme bestimmter Zeugen an.

8. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 31. Mai 2007 wies die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) die Berufung als verspätet zurück: Erhebungen des LGVR hätten ergeben, dass an der Abgabestelle neben der Beschwerdeführerin fünf weitere Personen, darunter drei mit Nachnamen "C...", gemeldet seien. Da der Bescheid nach dem Inhalt des Zustellvermerkes von einem Mitbewohner dieses Namens übernommen worden sei, handle es sich um eine zulässige Ersatzzustellung iSd §16 Abs1 (iVm Abs2) ZustG; die Zustellung gelte mit dem Zeitpunkt der Übernahme der Sendung durch den Ersatzempfänger, also mit 19. Februar 2007 als bewirkt, weshalb die Berufungsfrist mit Ablauf des 5. März 2007 geendet habe, sodass die danach eingebrachte Berufung verspätet sei. Die Zustellung des Konzeptes an die Beschwerdeführerin per Fax am 20. April 2007 habe gemäß §6 ZustG keine Rechtswirkungen ausgelöst.

9. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (sowie der Sache nach des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen willkürlichen Behördenhandelns) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, der in Rede stehende erstinstanzliche Bescheid - von dem sie durch den ersten Zustellvorgang ("wenngleich nicht inhaltliche") Kenntnis erlangt habe - sei ihr vom LGVR trotz mehrfacher Urgenz nicht ausgehändigt bzw. zugestellt worden. Die Zustellung des Bescheides sei vielmehr erst am 23. April 2007 (richtig wohl: 20. April 2007) mittels Telefax erfolgt, weshalb die Berufung vom 4. Mai 2007 zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden sei.

Unter Hinweis auf die Judikatur des VwGH wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vor, die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens trotz Bestreitung der Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges am 19. Februar 2007 unterlassen zu haben, sodass insb. ungeklärt geblieben sei, wer die Sendung am 19. Februar 2007 tatsächlich übernommen habe, ob diese von einem der drei an der Abgabestelle wohnhaften Personen mit dem Namen "C..." oder - wie im

Berufungsvorbringen behauptet - von F. C... (sen.), dem nicht an der

Abgabestelle wohnhaften Vater des Schwiegersohnes der Beschwerdeführerin, in Empfang genommen wurde; sollte Letztgenannter die Sendung übernommen haben, lägen die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung gemäß §16 ZustG nicht vor. Die belangte Behörde habe das Berufungsvorbringen in Bezug auf die Unwirksamkeit des Zustellvorganges sowie konkret angebotene Beweismittel (u.a. die

Einvernahme des Zustellorgans sowie des F. C... sen.)

unberücksichtigt gelassen. Überdies sei die Beschwerdeführerin nicht über die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (insb. über die ZMR-Abfrage) informiert und ihr keine Möglichkeit zur Stellungnahme geboten worden.

Die LGVK habe ihre Zuständigkeit daher in gesetzwidriger Weise abgelehnt und zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, wodurch die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

10. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002). Dies ist u.a. dann der Fall, wenn die Behörde einen Antrag zu Unrecht zurückweist (zB VfSlg. 10.123/1984, 12.768/1991 und 15.919/2000).

2. Gemäß §16 Abs1 ZustG darf in Fällen, in denen die Sendung dem Empfänger nicht zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, an diesen unter bestimmten Voraussetzungen wirksam zugestellt werden (Ersatzzustellung). Als Ersatzempfänger kommt gemäß §16 Abs2 ZustG jede erwachsene Person in Betracht, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

3. Das nach Art einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde formulierte, teils unsubstantiiert gebliebene Beschwerdevorbringen ist unbegründet:

Der belangten Behörde kann nämlich unter verfassungsrechtlichen Aspekten (und nur auf diese kommt es hier an) nicht entgegengetreten werden, wenn sie - gestützt auf die oben dargelegten (Pkt. I.8.) Ergebnisse des (mit keinem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behafteten) Ermittlungsverfahrens - zu der Annahme gelangte, dass eine wirksame Ersatzzustellung des in Rede stehenden Bescheides am 19. Februar 2007 gemäß §16 ZustG stattgefunden hat. Die daraus gefolgerte rechtliche Konsequenz, dass die Berufung der Beschwerdeführerin nach den einschlägigen Vorschriften des AVG und des ZustG als verspätet zurückzuweisen war, ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde. Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften wurden nicht vorgebracht und sind aus Anlass der vorliegenden Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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