JudikaturVfGH

V27/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2009

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. 1. Mit seinem auf Art139 B-VG gestützten Individualantrag vom

9. April 2009 begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"a) feststellen, dass die Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003), StF:

BGBl. II Nr. 333/2003, gesetz- bzw. verfassungswidrig war;

b) Der belangten Behörde den Ersatz der Kosten im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution auferlegen."

Weiters richtete der Antragsteller an den Verfassungsgerichtshof

"in eventu die Anregung,

die Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003), StF: BGBl. II Nr. 333/2003, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens auf die Konformität mit dem geltenden EU-Recht hin überprüfen zu lassen."

2. Der Antragsteller führte dazu aus, er habe gemäß §23 AlVG Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss bezogen. Nach seiner Ausreise nach Deutschland im Jahr 2004 seien die Zahlungen eingestellt worden. Sein Antrag auf Weitergewährung des Pensionsvorschusses sei in allen Instanzen abgewiesen, die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abgelehnt und von diesem an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) abgetreten worden.

Der Verwaltungsgerichtshof habe beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet, im Zuge dessen auch auftragsgemäß ein Schriftsatz erstattet worden und der Antragsteller mit seinem Rechtsvertreter persönlich zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH erschienen sei. Der Antragsteller habe auch nach Art104 §6 der Verfahrensordnung des EuGH Prozesskostenhilfe erhalten. Im Vorabentscheidungsverfahren seien die Vorlagefragen des VwGH im Sinne des Antragstellers beantwortet worden. Der Antragsteller habe daraufhin beim VwGH Kostenzuspruch beantragt und bereits angeregt, der VwGH möge zur Überprüfung der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 den Akt dem Verfassungsgerichtshof vorlegen.

Im Erkenntnis des VwGH habe dieser den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, hinsichtlich des Aufwandersatzes des Antragstellers habe er sich auf §§47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333 (im Folgenden: VwGH-AufwandersatzVO 2003) gestützt, sodass gemäß §1 Z1 lita leg.cit. lediglich der pauschalierte Schriftsatzaufwand zugesprochen worden sei.

3. Zur Zulässigkeit des Antrages führte der Antragsteller aus, die VwGH-AufwandersatzVO 2003 sei für den Antragsteller unmittelbar wirksam, weil der Antragsteller für das Zwischenverfahren beim EuGH keinen Kostenersatz erhalte, bedingt durch die planwidrige Regelungslücke in der bekämpften Verordnung. Ein Amtshaftungsverfahren komme nicht in Betracht, da das zuständige Landesgericht dem Einwand der Finanzprokuratur zustimmen würde, dass nämlich der Kostenersatz durch die bekämpfte Verordnung determiniert und in diesem Umfang beschränkt sei. Dies obwohl die belangte Behörde schon im Vorabentscheidungsverfahren schuldhaft und fehlerhaft EU-Recht nicht zur Anwendung gebracht habe.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Ein Individualantrag nach Art139 B-VG ist u.a. dann unzulässig, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in dem Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bestand (vgl. VfSlg. 8890/1980, 14.752/1997, 15.333/1998). Ein Individualantrag wäre in solchen Fällen bloß bei Vorliegen - hier gar nicht behaupteter - besonderer außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg. 8312/1978, 11.823/1988). Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. z.B. VfSlg. 8890/1980, 11.823/1988, 13.659/1993). Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen (vom Standpunkt des Betroffenen aus gesehen) zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, gefährdet auch nicht den Grundrechtsschutz (vgl. VfSlg. 11.889/1988).

2. Im vorliegenden Fall weist der Antragsteller selbst darauf hin, dass er im Verfahren vor dem VwGH bereits die Frage der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Verordnung releviert hat. Die Möglichkeit, ein Verordnungsprüfungsverfahren anzuregen, stand dem nunmehrigen Antragsteller somit offen und wurde von diesem auch tatsächlich wahrgenommen. Dass der VwGH die Bedenken des Antragstellers nicht teilte, begründet nicht die Zulässigkeit eines Individualantrages (vgl. VfSlg. 14.752/1997 mwN).

3. Der vorliegende Individualantrag erweist sich daher schon aus diesem Grunde als nicht zulässig und ist daher zurückzuweisen.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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