JudikaturVfGH

G56/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2009

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung:

I. 1.1. Die Antragstellerin zu G56/09 bezieht von der

VBV-Pensionskasse seit dem 1. Jänner 2002 eine Pension. Sie führt hiezu aus, dass sie zu Beginn der Auszahlungen monatlich € 2.149,11 brutto bezogen habe. Im Jahr 2008 habe sie monatlich € 2.126,61 bezogen. Mit Schreiben vom 3. Februar 2009 sei ihr mitgeteilt worden, dass sich die Ausgangsrückstellung per 31. Dezember 2007 in Höhe von € 438.630,28 sowohl um die ausbezahlten Pensionsbeträge von € 29.772,54 als auch um das "zuteilbare Veranlagungsergebnis auf Basis einer vorläufigen Performance zum 31.12.2008 von minus 15,42%" vermindern würde. Somit würde ihre Deckungsrückstellung per 31. Dezember 2008 nur mehr € 345.000,-- betragen, sie würde auch nur mehr eine Pension von € 1.807,62 akontiert bekommen. Sie habe deshalb mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 die VBV-Pensionskasse um Einstellung der Pensionszahlungen und Überweisung des "verbliebenen, noch nicht vernichteten Pensionskapitals" ersucht. Die Pensionskasse habe ihr daraufhin mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 mitgeteilt, dass eine "Kapitalauszahlung nur bei Eintritt des Leistungsfalles und wenn die Kapitalhöhe bei Pensionsantritt nicht den Betrag von derzeit @ 10.200,--" übersteige, möglich sei.

1.2. In ihrem Antrag gemäß Art140 B-VG vom 18. März 2009 bekämpft die Antragstellerin §1 Abs2 Pensionskassengesetz, BGBl. 281/1998 idF BGBl. I 8/2005 (im Folgenden: PKG) und beantragt:

"§1 Abs2, Satz 4 des Bundesgesetzes vom 17.05.1990 über die Errichtung, Verwaltung und Beaufsichtigung von Pensionskassen (Pensionskassengesetz - PKG), BGBl. Nr. 281/1990, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23.09.2005, BGBl. I. Nr. 8/2005, welcher lautet:

'Die von einer Pensionskasse auszuzahlenden Pensionen dürfen nur dann abgefunden werden, wenn

1. bei Eintritt des Leistungsfalles der Barwert des Auszahlungsbetrages 9.300 Euro nicht übersteigt oder

2. sich eine Person, die einen Anspruch in Sinne dieses Bundesgesetzes auf eine Hinterbliebenenpension hat, wiederverehelicht hat.'

als verfassungswidrig aufzuheben.

In eventu möge aus dieser Gesetzesstelle lediglich die Wortfolge 'nur dann, wenn 1. bei Eintritt des Leistungsfalles der Barwert des Auszahlungsbetrages 9.300 Euro nicht übersteigt oder

2. sich eine Person, die einen Anspruch in Sinne dieses Bundesgesetzes auf eine Hinterbliebenenpension hat, wiederverehelicht hat' als verfassungswidrig aufgehoben werden, sodass die nachstehende Wortfolge verbleibt: 'Die von einer Pensionskasse auszuzahlenden Pensionen dürfen abgefunden werden'."

Des Weiteren beantragt die Antragstellerin den Zuspruch aller regelmäßig anfallenden Kosten.

1.3. Bei der Darstellung der Rechtslage führt die Antragstellerin aus, dass die Möglichkeit der Abfindung von Bagatellpensionen bereits in der Stammfassung des PKG vorgesehen gewesen sei, während die Möglichkeit der Abfindung der Hinterbliebenenpensionen bei Wiederverehelichung erst durch das BGBl. I 8/2005 eingefügt worden sei. Den Arbeitgebern sei die Kündigung eines Pensionskassenvertrages erschwert, Anwartschafts- und Leistungsberechtigten gar nicht möglich. Auch könne ein Pensionsberechtigter nicht auf die Veranlagung des Kapitals Einfluss nehmen.

Ihre Bedenken fasst sie wie folgt zusammen:

Eine Regelung, bei der ein Leistungsberechtigter tatenlos zusehen müsse, wie sein Kapital sich vermindere, stelle eine ungleiche Behandlung von Pensionskassen-Beziehern mit all jenen dar, welche ihr Vermögen anderweitig absicherten. Eine solche Regelung könne nicht sachgerecht sein. Auch würde dies in das Eigentumsrecht nach Art5 StGG eingreifen, dessen Schutz neben jenem des Art7 B-VG auch für kollektivvertragliche Anwartschaften bestünde. Das Vorerkenntnis zu G79/05 habe nur deshalb nichts zu fehlenden Kündigungsmöglichkeiten gesagt, weil dies nicht vorgebracht worden sei.

Zudem hätten sich die Umstände seit diesem Erkenntnis dramatisch verändert. Der Anlageverlust von Pensionskassen habe 2008 13,1% betragen, 42.000 Personen hätten daraufhin Pensionskürzungen hinnehmen müssen; da könne man nicht von einzelnen Härtefällen sprechen. Obwohl solidarische Pensionsvorsorge Sinn mache, widerspräche die Vernichtung des eingesetzten Kapitals ebendiesem Sinne. Die Regelung, mit der die Absicherung der Pensionskassen durch finanzielle Belastungen der Kunden bezweckt würde, stehe dem Gleichheitsgrundsatz und dem Schutz des Eigentums entgegen.

§1 Abs2 Satz 4 PKG würde die Abfindung und Entnahme durch den Kunden weitgehend ausschließen. Das vorliegende Rechtsverhältnis sei ein Dauerschuldverhältnis, welche aus wichtigen Gründen aufgehoben werden könnten, vor allem wenn die weitere Fortführung unmöglich oder unzumutbar geworden wäre. Die Einzahlungen in die Kasse seien Lohnbestandteil, deren Vernichtung tatenlos beobachten zu müssen, sei unzumutbar. Sobald die Beschränkungen aufgehoben wären, wäre eine Lösung aus wichtigem Grunde möglich.

2.1. Bei den "Beschwerdeführern" (wohl: Antragstellern) zu G140/09 handelt es sich nach den Angaben im gemäß Art140 B-VG eingebrachten Antrag auf Gesetzesprüfung um 2164 Leistungsberechtigte und 414 Anwartschaftsberechtigte nach dem PKG, deren Situation anhand mehrerer Beispielfälle in dem Antrag dargestellt wird. Mit diesem Antrag begehren sämtliche Antragsteller wie folgt:

"Aus all diesen Gründen stellen die Beschwerdeführer den Antrag, in §1 Abs2, Satz 4 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Errichtung, Verwaltung und Beaufsichtigung von Pensionskassen (Pensionskassengesetz - PKG), BGBl. Nr. 281/1990, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. September 2005, BGBl. I Nr. 8/2005, die Wortfolgen 'nur dann' und ',wenn 1. bei Eintritt des Leistungsfalles der Barwert des Auszahlungsbetrages 9.300 Euro nicht übersteigt oder

2. sich eine Person, die einen Anspruch im Sinne dieses Bundesgesetzes auf eine Hinterbliebenenpension hat, wiederverehelicht hat' und §1 Abs2, Satz 5 leg.cit. und in Verbindung damit §1 Abs2a leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben."

Zudem beanspruchen die Antragsteller den Zuspruch aller regelmäßig anfallenden Kosten.

2.2. In der Sache selbst bringen die Antragsteller vor, dass Anwartschafts- und Leistungsberechtigte den Pensionskassenvertrag gar nicht, ihre Arbeitgeber nur sehr eingeschränkt kündigen könnten und die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten auf die Veranlagung des Kapitals keinen Einfluss hätten. §1 Abs2 Satz 4 PKG würde eine Abfindung nur in den dort vorgesehenen Fällen ermöglichen, wobei die Bagatellgrenze nach der Kundmachung der Finanzmarktaufsichtsbehörde AÖF Nr. 261/2008 ab 1. Jänner 2009 bei € 10.500,-- liegen würde.

Pensionskassen hätten hohe Verluste hinnehmen müssen, die Mindestertragsgarantie sei unter dem Vorwand des Schutzes vor Insolvenz völlig verwässert, wenn nicht gar abgeschafft worden. Die Pensionkassenberechtigten hätten die erforderliche Aufstockung des Eigenkapitals von 1% auf 4% tragen müsse und auch Körperschaftssteuer abführen müssen, weshalb 80% aller Berechtigten nach der PKG-Novelle 2005 auf die Garantie verzichtet hätten. 2008 seien die Veranlagungsergebnisse weiter eingebrochen und dies hätte 2009 zu Pensionskürzungen von bis zu 25% geführt. Seit 2000 ergäbe dies Einbußen von bis zu 45% gegenüber der ursprünglich in Aussicht gestellten Pension.

Anwartschaftsberechtigte könnten die Veranlagungsverluste und Minderperformance auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht mehr aufholen und müssten mit ähnlichen Kürzungen rechnen. Alle Antragsteller könnten sich gegen die stete Verminderung ihrer Ansprüche nicht wehren und hätten keine rechtliche oder faktische "Möglichkeit, sich gegen die Herabsetzung ihrer Pensionen zu wehren oder die ihnen zugemuteten finanziellen Einbußen auf andere Art wettzumachen", so etwa durch Abfindung und anderweitige Veranlagung. In den Beispielen werden der Kaufkraftrückgang, die ausgezahlten, verminderten monatlichen Pensionen, somit die wirtschaftlichen Folgen der Kürzungen und Minderperformances dargestellt, bzw. der im Vergleich zum Beginn der jeweiligen Beitragsleistungen schlechtere Ausblick für die Anwartschaftsberechtigten beschrieben.

Die Pensionskassen hätten auch in der Vergangenheit ihre Ziele verfehlt. Vielmehr sei "die Hoffnung auf dauerhaft motivierte Veranlagungsergebnisse von über 4% entweder gutgläubig illusorisch - oder politisch motivierter Unfug." Man müsse mit weiteren Kürzungen rechnen. Die Berechtigten würden de-facto enteignet und zu Opfern der Finanzmarktentwicklung werden.

2.3. Die Antragsteller seien antragslegitimiert, da die mangelnde Abfindungsmöglichkeit für sie unmittelbar und nachteilig wirksam sei, die bekämpften Bestimmungen rechtlich geschützte Interessen der Antragsteller aktuell beeinträchtigen würden und somit rechtliche Wirkungen auf sie hätten. Das Verbot der Abfindung würde ihnen die sonst selbstverständliche Möglichkeit der Kündigung nehmen. Es würde ihnen die Aufkündigung eines Dauerschuldverhältnisses verboten und damit in ein grundlegendes Recht der Antragsteller eingegriffen. Sie wären von wirtschaftlichen Nachteilen betroffen und in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt. Der Pensionskassenvertrag habe sich von einem Vertrag zu ihren Gunsten in einen zu ihren Lasten verwandelt, jedoch hätten sie keine Möglichkeit dagegen vorzugehen. Auch stünde ihnen kein zumutbarer Umweg offen, da Pensionskassen nicht hoheitlich tätig wären und zudem keine Möglichkeit bestünde, die Zivilgerichte anzurufen. Die Antragsteller hätten keine direkte vertragliche Verbindung mit den Pensionskassen, man könne daher nicht klagen und ergo auch nicht die Bedenken gegen die hier bekämpften Gesetzesstellen vorbringen. Auch gäbe es keine deliktische Haftung der Pensionskassen. Eine Klage würde auch deshalb scheitern, weil die Antragsteller den Wert ihres Pensionskapitals gar nicht benennen könnten, die Pensionskasse nur ihre "eigenen" Gelder verwalten würde und somit ein schlüssiges Vorbringen, warum und was herausgegeben werden sollte, nicht erbracht werden könne, "obwohl die Beschwerdeführer durch das Pensionsversprechen der Pensionskassen einen entsprechenden Anspruch auf Zahlung jeweils 'ihrer' (kapitalgedeckten) Pension haben".

Die Aufhebung der Bestimmungen würde das PKG auch nicht völlig verändern, sondern die Rechtsverletzung beseitigen. Die Alterspension sei nicht lebenslang, sondern nur für die "Dauer des Bestehens des 'zu Gunsten' des jeweils Begünstigten wirkenden Pensionskassenvertrages" zu leisten. Auch nach einer Kündigung der Pensionskasse nach §17 PKG müsse die Pensionskasse nicht mehr leisten. Die Aufhebung solle lediglich die Möglichkeit der Abfindung einem weiteren Personenkreis zugänglich machen.

Individuelle Abfindungsrechte würden auch dem kollektiven Charakter des Pensionskassensystems nicht widersprechen, da dem Solidargedanken nur eingeschränkte Bedeutung zukäme. Die Risikogemeinschaft des §12 PKG würde auch bei der Möglichkeit eines individuellen Abfindungsrechts weiterhin bestehen bleiben.

2.4. Hinsichtlich ihrer Bedenken führen die Antragsteller zu G140/09 wie folgt aus:

2.4.1. Die Antragsteller sehen ihr Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK verletzt, da die Privatautonomie ausgeschlossen sei. Zudem fielen sozialversicherungsrechtliche Rechtsansprüche unter den Eigentumsschutz. Das Beendigungsverbot des PKG würde in das Eigentumsrecht der Antragsteller eingreifen und sei nicht durch öffentliches Interesse gedeckt. Die Antragsteller seien auf ewig gebunden, dies sei sittenwidrig. Das Pensionskapital würde zwar nicht rein aus Beiträgen der Arbeitnehmer bestehen, jedoch seien ihnen die Beiträge der Arbeitgeber während der aktiven Dienstzeit vorenthalten worden, somit würden sie den Arbeitnehmern gehören. Das Beendigungsverbot selbst würde einen sittenwidrigen Vertrag zu Lasten Dritter enthalten und würde es sich dabei weiters um eine "gravierende, besonders intensive Beschränkung der Privatautonomie der Pensionskassen-Berechtigten aus Pensionskassenverträgen" handeln.

Das Erkenntnis zu G79/05 enthalte den Ausspruch, dass gesetzlich aufgetragene Nachschusspflichten der Gründung neuer Pensionskassen entgegenwirken würden; diese Neugründungen lägen aber wiederum im Interesse der Pensionskassenberechtigten. Dies sei eine ideologische Formel und keine tatsächliche, sachgerechte Einschätzung. Es würde keine Begründung dafür gegeben, warum Pensionskassen überbetrieblich sein dürften und wo das öffentliche Interesse daran liege.

2.4.2. Weiters machen die Antragsteller eine Verletzung ihres Rechts auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG geltend.

Die Abfindungsmöglichkeit des §1 Abs2 Satz 4 PKG würde nur zwei Personengruppen offen stehen, der Rest müsse der Vernichtung des angesparten Kapitals tatenlos zusehen. Personen, die anderweitig vorgesorgt hätten, könnten entweder individuell disponieren oder wären deren Pensionen gesetzlich abgesichert.

Hinsichtlich der Bagatellgrenze des §1 Abs2 Z1 PKG führen die Antragsteller aus, dass sie den pensionskasseninternen Verwaltungsaufwand minimieren sollte mit der Überlegung, dass das damit bezweckte Ausscheiden dieser Berechtigten "den Gesamt-Barwert aller Pensionsberechtigten in einer Pensionskasse nicht übermäßig verringern würde". Die abgefundenen Personen würden aber unsachlich bevorzugt, da sie über ihr Kapital verfügen und dieses anderweitig veranlagen könnten. Alle übrigen Pensionskassenberechtigten müssten auf den Zeitpunkt warten, bei dem ihr Kapital wegen der laufenden Kapitalvernichtung unter die Bagatellgrenze sinken würde, um darüber verfügen zu können. Die Abfindungsmöglichkeit schiene in wirtschaftlich stabilen Phasen gerechtfertigt, nicht aber in Zeiten der Krise. Die gebundenen Berechtigten würden verhöhnt. Im Computerzeitalter sei es völlig unerheblich, welche Summe ein Pensionskassenberechtigter im Monat überwiesen bekäme, der Aufwand wäre derselbe. Das Argument der Verwaltungsökonomie könne deshalb nicht ziehen. Die Ungleichberechtigung würde nicht in der Natur der Sache liegen, sie sei weder sachgerecht noch aus der Regelungsmaterie heraus begründbar. Zudem fehle der sachbezogene Konnex zum Regelungsgegenstand. Die Regelung sei "sachfremd und -widrig", willkürlich.

Zur Abfindungsmöglichkeit von Hinterbliebenen bei Wiederverehelichung nach §1 Abs2 Z2 PKG führen die Antragsteller aus, dass sie all jene diskriminieren würde, die für ihr Zusammenleben auf eine Wiederverehelichung verzichten würden und die Wahlmöglichkeit für die Hinterbliebenen eine unsachliche Privilegierung darstellen würde. Vielmehr hätten alle Pensionskassenberechtigten das Recht auf die Wahl, ob sie sich abfinden lassen sollten oder aber das Kapital ausbezahlt haben möchten.

Schließlich bringen die Antragsteller vor, dass das Beendigungsverbot dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vertrauensschutz widersprechen würde, da es in der Wirtschafts- und Finanzkrise zu plötzlichen Eingriffen in die Rechtsposition der Leistungs- und Anwartschaftsberechtigten gekommen sei. Mit der De-facto-Abschaffung der Mindestverzinsung durch Einführung des Mindestertrages wären diese Gruppen den Wirren des Finanzmarktes schutzlos ausgeliefert. Die Pensionskassenberechtigten seien den anderen Gruppen von Pensionisten - als Beispiele werden ASVG-Pensionen, private Pensionsvorsorge und eigene Vermögensbildung angeführt - gegenüber benachteiligt, da diese auf solche Entwicklungen reagieren und sich anpassen könnten. Dies könnten die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten nicht.

Elaborierte Ausführungen zur behaupteten Verfassungswidrigkeit von §1 Abs2 Satz 5 und Abs2a PKG sind dem Antrag nicht zu entnehmen.

3. Die Bundesregierung erstattete am 13. Mai 2009 eine Äußerung zu G56/09, beantragt den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen bzw. im Falle einer Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstelle eine Frist von einem Jahr für die Umsetzung der erforderlichen legistischen Maßnahmen zu setzen. In dieser Äußerung hielt sie fest, dass diese auch für allenfalls noch weitere Individualanträge zur selben Gesetzesstelle Geltung haben solle.

Bezüglich der Antragslegitimation brachte die Bundesregierung vor, dass es der Antragstellerin an der aktuellen rechtlichen Betroffenheit fehle, sie habe nur wirtschaftliche Nachteile in Form der Höhe der Deckungsrückstellung, ihres Kaufkraftverlustes, respektive ihrer Pensionskürzung vorgebracht. Konkrete rechtliche Auswirkungen seien nicht geltend gemacht worden. Faktische Auswirkungen bewirkten aber keine rechtliche Betroffenheit im Sinne des Art140 Abs1 B-VG.

Weiters stünde der Antragstellerin eine Klage auf Herausgabe im Zivilrechtsweg und in weiterer Folge die Geltendmachung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken zu §1 Abs2 PKG offen, somit ein zumutbarer Ausweg. Schließlich sei das Aufhebungsbegehren nicht zielführend. Der Pensionskassenvertrag bestünde nur zwischen der Pensionskasse und dem Arbeitgeber und wirke zugunsten Dritter, zugunsten der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten. Ein Wegfall der verwaltungsökonomischen Bagatellregelung ergäbe nicht automatisch die Abfindungsmöglichkeit für jeden Leistungsberechtigten, schließlich seien Alterspensionen dem §1 Abs2 Satz 3 PKG nach lebenslang zu leisten. Die behauptete Rechtsverletzung könne daher durch die Aufhebung nicht behoben werden, weshalb der Antrag auch unzulässig sei.

Auch sei das Eventualbegehren unzulässig und stelle sich die Frage, warum lebenslange Alterspensionen gewährt werden sollten, wenn eine Abfindungsmöglichkeit bestünde. Man könne ja auch nicht von vornherein Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren vereinbaren.

In der Sache selbst bringt die Bundesregierung hinsichtlich der Gleichheitsbedenken vor, dass der einfache Gesetzgeber innerhalb der verfassungsrechtlichen Schranken einfache und leicht handhabbare Regelungen im Sinne der Verwaltungsökonomie treffen könne. Weiters bestünde ein öffentliches Interesse an Sicherheit in einem volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich wie den Pensionskassen, sicherte doch deren Funktionsfähigkeit die 2. Säule des Pensionssystems und würden die Interessen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer gewahrt.

Man könne auch nicht von einem Entzug der Verfügungsmöglichkeit sprechen. Bei Abschluss des Vertrages müsse bekannt gewesen sein, dass bis auf die Bagatellfälle keine Abfindungsmöglichkeit bestehe und auch nie bestanden hätte. Die Antragstellerin verkenne hier das Wesen einer Pensionskasse, deren System als kapitalgedecktes Altersvorsorgesystem die gesetzliche Pension ergänzen sollte. In einem beitragsorientierten Modell besteht im Gegensatz zum leistungsorientierten Modell eine Nachschusspflicht des Arbeitgebers. Wesentliches Merkmal des kapitalgedeckten Verfahrens sei die unmittelbare Auswirkung von Kapitalmarktentwicklungen positiver wie negativer Natur auf die Pensionsberechtigten. Die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten sind nie selbst Vertragspartner der Pensionskasse, sondern sind Berechtigte dieses Vertrages zugunsten Dritter. Eine Auflösung eines Vertrages käme aber immer nur zwischen den eigentlichen Vertragspartnern in Frage.

Der Grundgedanke des Pensionskassensystems sei die Langfristigkeit und die Gemeinschaft der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten. Diesem Gemeinschaftsgedanken würde die individuelle Abfindungsmöglichkeit widersprechen. Weiters würde ein willkürliches Herausnehmen des Pensionskapitals sämtliche Berechnungen auf den Kopf stellen, die im System verbleibenden Personen würden nachhaltig geschädigt werden. Der kollektive Charakter des Systems ginge verloren. Auch habe der Gesetzgeber nur dort die volle Absetzbarkeit von Arbeitgeberbeiträgen und weitere Förderungen ermöglicht, wo eine Abfindung oder ein Rückkauf ausgeschlossen worden wären. Das Pensionssystem sollte niemals ein gefördertes Sparbuch darstellen.

Mit der Pension der Antragstellerin vergleichbar sei jene im System der betrieblichen Vorsorge, wo dem Arbeitgeber gegenüber in der direkten Leistungszusage kein Kapitalanspruch bestünde. Auch in den Systemen des Betriebspensionsgesetzes bzw. des Versicherungsaufsichtsgesetzes gäbe es keine Auszahlungsmöglichkeit bei Kapital über der Grenze des §1 Abs2 PKG.

Weiters könne man Anwartschafts- und Leistungsberechtigte nach dem Pensionskassensystem mit seinen arbeitgeberfinanzierten Pensionen auf kollektiver Basis nicht mit Personen vergleichen, die ihr eigenes Vermögen privat veranlagt hätten. Dort stünde die stetige Dispositionsmöglichkeit im Vordergrund und nicht unbedingt die Langfristigkeit. Das Pensionskassensystem sei ein eigenständiges, in sich geschlossenes System.

Schließlich sei die Möglichkeit der Abfindung der Bagatellpension verwaltungsökonomisch gerechtfertigt und habe der Gesetzgeber dabei im Rahmen seines vorgegebenen, verfassungsrechtlichen Spielraums gehandelt.

Zur behaupteten Eigentumsverletzung führt die Bundesregierung aus, dass Art5 StGG keine Vermögensgarantie gäbe, sondern vielmehr schütze er Rechtspositionen, keine Vermögenserwartungen oder bloß wirtschaftliche Interessen. Schließlich würde dem Gesetzgeber auch hier ein großer Ermessensspielraum innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen eingeräumt. Dem Argument, Pensionskassenpensionen würden auf Kollektivverträgen beruhen, müsse entgegengehalten werden, dass oft auch Betriebsvereinbarungen die Grundlage sein könnten wie auch die Vertragsmuster des §3 BPG. Kursschwankungen auf den Kapitalmärkten könnten nicht dartun, dass der Abfindungsgrenzbetrag nicht mehr verfassungskonform wäre. Die Pensionskassen hätten langjährig einen Ertrag von durchschnittlich 5% erwirtschaftet, es ging bei den Behauptungen der Antragstellerin also vielmehr um die "Verringerung von Zinsbeträgen und nicht um eine 'Vernichtung' eingezahlter Beträge." Hinsichtlich der von der Antragstellerin vorgebrachten Belastung und ihres Risikos verweise die Bundesregierung auf §12 PKG zur Veranlagungs- und Risikogemeinschaft; es sei dem Gesetzgeber bewusst gewesen, dass dieses Risiko gemeinschaftlich zu tragen sei.

Die Antragstellerin zu G56/09 würde offensichtlich einer beitragsorientierten Pensionskassenlösung angehören, in der sie und nicht ihr Arbeitgeber das Veranlagungsrisiko trage. Mit dem Risiko habe sie aber auch Chancen auf höhere Pensionen, insbesondere habe es in der Vergangenheit auch Pensionserhöhungen gegeben. Schließlich gäbe es auch noch die gesetzlich vorgesehene Mindestertragsgarantie, jedoch habe die Antragsstellerin nicht ausgeführt, ob sie in Genuss einer solchen komme.

II. Die - gemäß §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Anträge sind unzulässig:

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag von Personen, die behaupten, unmittelbar durch eine Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Personen wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der Antragsteller nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 15.860/2000, 11.726/1988, 13.765/1994).

2. Beim Pensionskassenvertrag handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter iSd §881 ABGB, bei dem der Schuldner - die Pensionskasse - dem Gläubiger und Versprechensempfänger - dem Arbeitgeber - verspricht, dem Dritten - einem Anwartschafts- oder Leistungsberechtigten - seine Pension bei Leistungsanfall auszubezahlen (vgl. ua. Heidinger, Das neue Pensionskassenrecht, PKG-Nov 1998 [1998] 69). Neben dem Leistungsberechtigen erwirbt also auch der Anwartschaftsberechtigte gegenüber der Pensionskasse aus diesem Vertrag zugunsten Dritter einklagbare Rechte (vgl. Farny/Wöss, Betriebspensionsgesetz - Pensionskassengesetz [1992] §1 PKG, Erl 4, [277 f.]). Zusätzlich ist noch zu beachten, dass die anwartschafts- oder leistungsberechtigten ArbeitnehmerInnen bei Verpflichtung zu eigener Beitragsleistung auch in einer direkten Beziehung mit der Pensionskasse stehen würden, und deshalb in solchen Fällen eine Klage im Zivilrechtsweg möglich ist (vgl. Binder, Rechtsprobleme des Dreiecksverhältnisses zwischen Unternehmer, Pensionsbegünstigten und Pensionskasse, ZAS 1991, 106 ff. (108); zur Klagslegitimation siehe auch OLG Wien, 25.10.2006, 10 Ra 96/06w).

2.1. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist es grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8979/1980, 8890/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10.445/1985, 10.785/1986, 11.551/1987, 11.759/1988, 11.890/1988, 12.046/1989, 12.775/1991, 16.653/2002). Wollte man wegen des bloßen Prozessrisikos und damit allfällig verbundener Kostenfolgen oder wegen der mit gerichtlichen Verfahren im Regelfall verbundenen Zeitdauer grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, verlöre die in Art140 Abs1 letzter Satz B-VG - wie auch in der dazu korrespondierenden Bestimmung des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG - enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz [die Verordnung] ohne Fällung einer

gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam geworden ist"

ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10.785/1986, 11.551/1987, 11.759/1988, 11.889/1988, 12.046/1989 ua.). Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen des Antragstellers im Gerichtsverfahren, sondern bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10.592/1985, 11.889/1988, 16.653/2002). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter eines Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 9939/1984, 11.454/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 11.890/1988, 12.046/1989, 16.653/2002).

3. Die Anträge waren daher schon aus diesen Gründen gemäß §19 Abs3 Z2 lit2 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

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