G53/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Die Antragstellerin führt aus, dass sie eine "Investorin"
sei "etwa in den Fällen Immoeast AG/Convert AG/Meinl European Land". Sie sei hiebei zu Schaden gekommen, den sie im Wege der Amtshaftung gegen den Bund geltend machen möchte. Dies sei ihr aber "mit einem notwendigen Prozessverlust in erster Instanz" unzumutbar. Sie
verweist ferner darauf, dass "rund 100.000 Anleger ... insgesamt
mehrere Milliarden Euro verloren" hätten, die bei Einbringung von Amtshaftungsklagen erhebliche Gerichtsgebühren aufzuwenden hätten. Eine solche Investition in die Rechtspflege sei unzumutbar.
2. Sie bezeichnet ihre Eingabe als "Beschwerde gemäß Art140 B-VG". Gemäß Art140 B-VG werde "§3 Abs1 2. Satz Finanzmarktsaufsichtsbehördengesetz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts bekämpft." Schließlich wird der Antrag gestellt "die angefochtene Gesetzesstelle aufzuheben" und dem Bund die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
3. Bei der Darstellung der Rechtslage führt die Antragstellerin aus:
"§3 Abs1 FMABG lautet: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetzes zugefügten Schäden haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes - AHG, BGBl. Nr. 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.'
Der zweite Satz dieser Bestimmung wurde durch BGBl. 136/2008 eingefügt und wie folgt begründet: 'Durch diese Bestimmung werden Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, ausgeschlossen.' (GP XXIII RV 682)."
Ihre Bedenken fasst sie wie folgt zusammen:
"Art 23 B-VG regelt den Amtshaftungsanspruch hinsichtlich Schäden, die in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt worden sind. Für die einfachgesetzliche Beschränkung der Haftung hat der Bundesverfassungsgesetzgeber im Zusammenhang mit der Finanzmarktaufsicht keinen Gesetzesvorbehalt ausgesprochen. Die Beschränkung der Amtshaftung auf die beaufsichtigten Gesellschaften und der Ausschluss der Ansprüche der Anleger erscheinen daher verfassungsrechtlich bedenklich".
4. In ihrem Antragsbegehren wird die "angefochtene Gesetzesstelle" nicht genannt. Bei Bezeichnung der "Beschwerdepunkte" wird nicht erwähnt, in welcher Fassung §3 Abs1 2. Satz Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (im Folgenden: FMABG) angefochten wird. Lediglich aus der Darstellung der Rechtslage kann man schließen, dass der durch Art6 Z2 des Bundesgesetzes BGBl. I 136/2008 eingefügte 2. Satz des §3 FMABG BGBl. I 97/2001 (zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I 2/2008) gemeint sein könnte. Dieser lautet:
"Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen."
5. Die Bundesregierung erstattete am 13. Mai 2009 eine Äußerung, beantragt den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und brachte vor, dass es der Antragstellerin an der aktuellen rechtlichen Betroffenheit fehle. Die Antragstellerin habe lediglich das Bestehen einer Vertragsbeziehung mit der P AG nachgewiesen, aber es sei weder dem Grunde noch der Höhe nach ein vermögensrechtlicher Schaden nachvollziehbar. Es würden bloß wirtschaftliche Nachteile in Form allfälliger Kursverluste dargelegt werden. Faktische Auswirkungen bewirkten aber keine rechtliche Betroffenheit im Sinne des Art140 Abs1 B-VG.
Weiters würde der Antragstellerin auch eine Amtshaftungsklage als zumutbarer Umweg offen stehen, der bloße Verweis auf rund 100.000 weitere mögliche Antragsteller belege noch nicht die Unzumutbarkeit, ebenso die Aussicht auf die materiellen Erfolgschancen, wobei auf VfSlg. 14.310/1995 verwiesen würde.
In der Sache selbst bringt die Bundesregierung vor, dass die in Art23 B-VG enthaltene Wortfolge "wem immer" nicht dahingehend interpretiert werden könne, dass auf dem Gebiet der Amtshaftung eine uferlose Ersatzpflicht gefordert würde. Deshalb könne der einfache Gesetzgeber auch jene Schäden ausschließen, welche als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter entstünden. Eine Amtshaftungspflicht gegenüber Dritten bestehe nicht, daran ändere auch der Verweis auf Gesamtinteressen neben dem öffentlichen Interesse in den Wirtschaftsgesetzen nichts. Schließlich dürfte deshalb auch nur jenen Personen der Schaden ersetzt werden, die der Staatsaufsicht durch die Wertpapierbehörde unterliegen würden. Dies bliebe unberührt.
Auch würden keine europarechtlichen Vorgaben bestehen, aus welchen aus Fehlern einer Aufsichtsbehörde Amtshaftungsansprüche des Einzelnen gegenüber dem Staat ableitbar wären. Weiters hätten auch weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Haftung gegenüber Anlegern und Gläubigern der Beaufsichtigten eingeschränkt oder ausgeschlossen, wobei auf Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Großbritannien und Irland verwiesen würde.
Die angefochtene Norm sei eine im öffentlichen Interesse gelegene, sachlich gerechtfertigte und nicht unverhältnismäßige Regelung.
II. Der Antrag ist unzulässig:
1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag von Personen, die behaupten, unmittelbar durch eine Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Personen wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der Antragsteller nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 15.860/2000, 11.726/1988, 13.765/1994).
2. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist es grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8979/1980, 8890/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10.445/1985, 10.785/1986, 11.551/1987, 11.759/1988, 11.890/1988, 12.046/1989, 12.775/1991, 16.653/2002). Wollte man wegen des bloßen Prozessrisikos und damit allfällig verbundener Kostenfolgen oder wegen der mit gerichtlichen Verfahren im Regelfall verbundenen Zeitdauer grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, verlöre die in Art140 Abs1 letzter Satz B-VG - wie auch in der dazu korrespondierenden Bestimmung des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG - enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz [die Verordnung] ohne Fällung einer
gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam geworden ist"
ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10.785/1986, 11.551/1987, 11.759/1988, 11.889/1988, 12.046/1989 ua.). Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen des Antragstellers im Gerichtsverfahren, sondern bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10.592/1985, 11.889/1988, 16.653/2002). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter eines Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 9939/1984, 11.454/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 11.890/1988, 12.046/1989, 16.653/2002).
3. Der Umstand, dass möglicherweise eine Vielzahl von Personen von der angefochtenen Norm betroffen sein könnte, macht den Individualantrag der Antragstellerin nicht zulässig.
4. Der Antrag war daher schon aus diesen Gründen gemäß §19 Abs3 Z2 lit2 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.