JudikaturVfGH

B347/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2009

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung:

I. Mit am 17. März 2009 zur Post gegebenem Schriftsatz begehrt

die antragstellende Gesellschaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundeskommunikationssenates.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt sie Folgendes aus:

"Dem Auftrag des Beschwerdeführers entsprechend hat der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 4. Dezember 2007 die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verfasst.

[...]

Nach Kontrolle des Schriftsatzes durch den Rechtsvertreter und Unterfertigung wurde vom Original der Beschwerde eine in gelb gehaltene Kopie angefertigt und der Kanzlei zur Abfertigung übergeben. Der Postausgang wurde am 5. Dezember 2007 im Postausgangsbuch des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vermerkt und die Post in die Kuverts eingelegt. Die damalige Mitarbeiterin des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin [...] hatte den Auftrag die Post im Postamt abzugeben, wobei die gegenständliche Verfassungsgerichtshofbeschwerde mittels Einschreiben aufgegeben hätte werden sollen.

[...]

Unmittelbar nach Einbringung der Beschwerde wurde das Vertretungsverhältnis zwischen dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer in allen Angelegenheiten beendet, der Handakt abgerechnet und beim Rechtsvertreter des Beschwerdeführers außer Evidenz genommen.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde überraschend am 4. März 2009 vom Beschwerdeführer telefonisch kontaktiert und auch mittels E-mail vom 4. März 2009 verständigt, dass der Beschwerdeführer vom Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshof auf eine Anfrage bezüglich der Beschwerde mitgeteilt bekommen hat, dass die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verfasste, mit 4. Dezember 2007 datierte und mit 5. Dezember 2007 zur Post gegebene Beschwerde in der Angelegenheit weder beim Verfassungs- noch beim Verwaltungsgerichtshof aktenkundig ist.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat daraufhin den bereits im Dezember 2007 abgelegten Akt aus dem Aktenlager geholt und Erhebungen getätigt.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat nunmehr umfangreiche Erhebungen bezüglich der Poststücke vom 05. Dezember getätigt, welche mit dem Ergebnis geendet haben, dass der gesamte Postausgang vom 5. Dezember 2007 nie die Empfänger erreicht hat. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist daher auch nach Rücksprache mit der Österreichischen Post AG und nach Rücksprache mit allen Mitarbeitern zur Auffassung gelangt, dass die ehemalige Mitarbeiterin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers [...] den gesamten Postausgang nicht bei der Post abgegeben hat. Der Rechtsvertreter hat [die ehemalige Mitarbeiterin] mit dem Sachverhalt konfrontiert. Die ehemalige Mitarbeiterin [...] hat nunmehr am 17.03.2008 - wie aus der eidesstättigen Erklärung ersichtlich - zugestanden die Post am 5. Dezember 2007 nicht zur Post gegeben zu haben. Begründung dafür hat sie keine geliefert. Die eidesstättige Erklärung wurde von [ihr] in Anwesenheit der Kanzleileiterin [...] und der Mitarbeiter des Rechtsvertreters [...] unterfertigt und auch persönlich der Sachverhalt zugestanden. Der Rechtsvertreter hat sich eine Strafanzeige wegen des Verdachtes der Urkundenunterdrückung und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vorbehalten.

[...]

Weder der Beschwerdeführer noch der Vertreter des Beschwerdeführers konnten vorhersehen, dass die ehemalige Mitarbeiterin des Rechtsvertreters entgegen der ausdrücklichen Anordnung die Poststücke nicht bei der Post abgeben würde.

In der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführer[s] liegt aber auch kein Organisationsmangel vor, zumal die Beschwerde einen Tag vor dem Fristende verfasst, genau am Tag des Fristendes die Pauschalgebühr bezahlt wurde und auch am Tag des Fristendes der Beschwerde der Klient von der Einbringung der Beschwerde verständigt wurde und die Beschwerde von der Kanzlei des Rechtsvertreters abgefertigt wurde. Auch wurde der Postausgang eigens im Postausgangsbuch angeführt und damit die gegenständliche Frist als erledigt abgehakt.

Es war weder für den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers noch den Beschwerdeführer vorhersehbar, dass die bis dahin tüchtige Mitarbeiterin die Post einfach nicht aufgeben würde, sondern diese einfach wegwirft. Hinzu kommt aber auch noch, dass das Vollmachtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem damaligen Rechtsvertreter, welcher nunmehr nur die Vollmacht hat, den Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen und die Beschwerde einzubringen, unmittelbar nach Verfassung der Beschwerde beendet wurde und daher der gegenständliche Handakt auch nicht mehr in der Kanzlei des Rechtsvertreters im Fristvormerk gehalten war.

Die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag beginnt mit 4. März 2009, dem Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis dieser Angelegenheit zu laufen.

[...]

Jedes Rechtsmittel und jeder Postausgang wird beim Rechtsvertreter in einem Postausgangsbuch vermerkt und dann vom Sekretariat immer von zwei Personen kontrolliert, nämlich in dem das Poststück, welches in das Kuvert eingesackt wird, gleichzeitig im Postbuch eingetragen wird. Es ist daher evident, dass die Beschwerde in ein Kuvert eingesackt wurde.

Die ehemalige Mitarbeiterin des Rechtsvertreters hat sohin arglistig zum Nachteil des Rechtsvertreters und auch der Partei gehandelt. Mit solch einem Verhalten konnte und musste der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht rechnen und ist dieses böswillige Verhalten insbesondere auch keinesfalls der Partei, nämlich der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Gegen diese Vorgangsweise konnte der Rechtsvertreter keine Vorsorge treffen und trifft daher weder die Beschwerdeführerin noch den Rechtsvertreter ein Verschulden an der Versäumung der Prozesshandlung. Es handelte sich sohin um ein für die Beschwerdeführerin und den Rechtsvertreter unabwendbares Ereignis".

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen

die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel am 4. März 2009 weg. Mit dem am 17. März 2009 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens im vorliegenden Fall - ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorausgesetzt - nicht gesprochen werden: Der Rechtsvertreter der antragstellenden Gesellschaft bringt vor, dass "der Postausgang eigens im Postausgangsbuch angeführt und damit die gegenständliche Frist als erledigt abgehakt" wurde und ihn somit kein Organisationsverschulden treffe. Aus dem beigelegten Auszug aus dem Postbuch ist jedoch lediglich ein Eintrag "VWGH-Beschwerde zu WKK-RTR" am 5. Dezember 2007 ersichtlich. Es genügt darauf hinzuweisen, dass kein Eintrag über eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufscheint. Damit wird deutlich, dass die Fristversäumung die Folge eines Organisationsverschuldens ist, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt.

4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

III. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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