G196/08 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen, soweit sie sich gegen §2 Abs1 Z3, §8, in eventu §8 Abs1, und §31 Abs2 zweiter Satz des Kinderbetreuungsgeldgesetzes jeweils in der Stammfassung BGBl. I Nr. 103/2001 und gegen §2 Abs6 des Bundesgesetzes über ein Karenzgeld, BGBl. I Nr. 47/1997 idF BGBl. I Nr. 103/2001, richten.
Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit auf Art140 B-VG gestützten Anträgen begehrt das
Oberlandesgericht Wien (in der Folge: OLG Wien) die Aufhebung des §31 Abs2 zweiter Satz des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (in der Folge: KBGG) in der Stammfassung BGBl. I 103/2001, des §2 Abs6 des Bundesgesetzes über ein Karenzgeld (in der Folge: KGG), BGBl. I 47/1997 idF BGBl. I 103/2001, und des §39 KGG idF BGBl. I 71/2003 bzw. den Ausspruch, dass §2 Abs1 Z3 KBGG und §8, in eventu §8 Abs1, KBGG, jeweils in der Stammfassung BGBl. I 103/2001, verfassungswidrig waren.
Diese Anträge werden aus Anlass von beim OLG Wien anhängigen Verfahren gestellt, denen jeweils folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Mit Bescheid der zuständigen Gebietskrankenkasse wurde die Zuerkennung des Karenzgeldes im Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2002 (G28,29/09) bzw. 1. Jänner bis 19. Mai 2003 (G196/08) widerrufen und die jeweilige Klägerin zum Rückersatz des Karenzgeldes mit der Begründung verpflichtet, dass im maßgeblichen Zeitraum ihr Einkommen den Grenzbetrag des §2 Abs1 Z3 KBGG iVm §2 Abs6 KGG (Jahresbetrag von € 14.600,--) überschritten habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde in beiden Fällen vom Erstgericht abgewiesen. Gegen diese Urteile erhob jeweils die Klägerin Berufung an das OLG Wien aus dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (G196/08) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (G196/08 und G28,29/09).
2. Rechtslage:
2.1. §2 KGG, BGBl. I 47/1997 idF BGBl. I 103/2001, lautet (auszugsweise) wie folgt (die angefochtene Gesetzesstelle ist hervorgehoben):
"Abschnitt 2
Karenzgeld
Anspruch der Mutter
§2. (1) Anspruch auf Karenzgeld hat eine Frau, deren Kind (Adoptivkind, Pflegekind), abgesehen von einer allfälligen Pflege in einer Krankenanstalt, mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt und von ihr selbst betreut wird, wenn sie
1. die Anwartschaft (§3) erfüllt und
(2) Vom Anspruch auf Karenzgeld ausgeschlossen ist, wer
2. selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet, wenn
5. als geschäftsführender Gesellschafter tätig ist, wenn
6. einen Karenzgeldbezug nicht länger als 30 Tage unterbricht und
(3) Das aus vorübergehender Erwerbstätigkeit erzielte Nettoeinkommen in einem Kalendermonat ist auf das Karenzgeld in diesem Kalendermonat anzurechnen.
(4) Als Nettoeinkommen im Sinne des Abs3 gilt das auf der Lohnbestätigung bzw. auf der Honorarnote ausgewiesene Einkommen abzüglich der abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.
(5) Bei der Anwendung des Abs3 ist der tägliche Anrechnungsbetrag in der Weise zu ermitteln, daß das Nettoeinkommen um den der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß §5 Abs2 ASVG entsprechenden Betrag zu vermindern und 50 vH des verbleibenden Betrages durch die Zahl der Tage im Kalendermonat zu teilen ist.
(6) Für Ansprüche auf Grund von Geburten vom 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2001 gilt ab 1. Jänner 2002, dass abweichend von Abs2 bis 5 vom Anspruch auf Karenzgeld ausgeschlossen ist, wer ein Einkommen gemäß §8 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, erzielt, das den Grenzbetrag gemäß §2 Abs1 Z3 KBGG übersteigt."
2.2. §39 KGG, BGBl. I 47/1997 idF BGBl. I 71/2003, gilt gemäß '53 Abs20 leg.cit. (rückwirkend) für Bezugszeiträume nach dem 31. Dezember 2001 und bestimmt Folgendes:
"Rückforderung
§39. §31 KBGG ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Kinderbetreuungsgeldes das Karenzgeld oder die Teilzeitbeihilfe und an die Stelle der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse die jeweils zuständige Gebietskrankenkasse tritt."
2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des KBGG lauten in der Stammfassung BGBl. I 103/2001 wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen bzw. Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Abschnitt 2
Kinderbetreuungsgeld
Anspruchsberechtigung
§2. (1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern
(2) Unbeschadet des Abs1 Z1 hat Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ein Elternteil, für dessen Kind kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, der
Vom Erfordernis der Erfüllung der Anwartschaft gemäß Z1 ist abzusehen, wenn die Voraussetzungen gemäß §2 Abs1 Z2 bis 4 oder §5 Abs1 Z2 bis 4 KGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 erfüllt sind. Kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
(3) Zeiten der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG bzw. nach dem BSVG sind Zeiten gemäß Abs2 Z1 gleichzuhalten.
(4) Für ein Kind ist ein gleichzeitiger Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile ausgeschlossen.
(5) In Zweifelsfällen hat das Vorrecht auf Kinderbetreuungsgeld derjenige Elternteil, der die Betreuung des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, überwiegend durchführt.
(6) Bei Mehrlingsgeburten gebührt Kinderbetreuungsgeld nur für ein Kind.
(7) Auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld kann verzichtet werden (§5 Abs6), wodurch sich der Anspruchszeitraum (§8) um den Zeitraum des Verzichts verkürzt. Ein Verzicht ist nur für ganze Kalendermonate möglich.
...
Gesamtbetrag der Einkünfte
§8. (1) Der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§2 Abs1 Z3) ist wie folgt zu ermitteln:
(2) Wird auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld verzichtet (§2 Abs7), so bleiben die während der Dauer des Verzichtes erzielten Einkünfte bei der Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrages der Einkünfte gemäß Abs1 außer Ansatz.
...
Abschnitt 7
Allgemeine Bestimmungen
...
Rückforderung
§31. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Leistungsbezieher zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
(2) Die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung besteht auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrages der Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat.
(3) Wenn eine dritte Person eine ihr obliegende Anzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch einen unberechtigten Bezug verursacht hat, kann sie zum Ersatz verpflichtet werden.
(4) Rückforderungen, die gemäß den Abs1 bis 3 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen bis zur Hälfte derselben aufgerechnet werden; sie vermindern den Leistungsanspruch entsprechend. Der Krankenversicherungsträger kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände (Härtefälle), insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers,
1. die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zulassen,
2. die Rückforderung stunden,
3. auf die Rückforderung verzichten.
Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung die Kriterien für Härtefälle sowie Art und Weise der Rückforderung festzulegen.
(5) Anlässlich der Vorschreibung von Rückforderungen sind Ratenzahlungen zu gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen.
(6) Werden Ratenzahlungen bewilligt oder Rückforderungen gestundet, so dürfen keine Zinsen ausbedungen werden.
(7) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Kinderbetreuungsgeld oder eine Verfügung zur Nachzahlung ist für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab der Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch den Krankenversicherungsträger, zurückliegen. Ebenso tritt ein Bescheid über eine Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Eintritt der Rechtskraft außer Kraft, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollzogen wurde."
3. Das antragstellende Gericht begründet seine Anträge wie folgt:
3.1. Zur Antragslegitimation führt das OLG Wien aus, dass es bei der Entscheidung über die Rechtsmittel der Klägerinnen u.a. die jeweils angefochtenen Bestimmungen anzuwenden hätte.
3.2. In der Sache hegt das OLG Wien - auf das Wesentliche zusammengefasst - folgende Bedenken:
3.2.1. Die Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nach §8 KBGG sei bereits deshalb bedenklich, weil die Berechnungsweise "sehr kompliziert gestaltet und für einen juristischen Laien kaum nachvollziehbar" sei. Darüber hinaus führt das OLG Wien diesbezüglich folgende Bedenken an: Das um die gesetzlichen Abzüge reduzierte Bruttoeinkommen sei auch dann um 30 Prozent zu erhöhen (§8 Abs1 Z1 dritter Satz KBGG), wenn im Einzelfall kein Anspruch auf Sonderzahlungen besteht. Im Voraus sei es "mit zumutbarem Aufwand fast nicht möglich" zu beurteilen, ob die Zuverdienstgrenze überschritten werde, zumal die Überschreitung durch nicht im Einflussbereich des Dienstnehmers bzw. der Dienstnehmerin liegende Umstände (zB kollektivvertragliche Lohnerhöhungen, angeordnete Überstunden) erfolgen könne. Durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung könne es (insbesondere bei verspäteter Auszahlung des Arbeitslohns durch den Arbeitgeber) zu "willkürlichen und grob unbilligen Ergebnissen" kommen. Gegen die Hochrechnung der auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf einen Jahresbetrag bestünden insofern Bedenken, als es sich dabei oftmals um Zufallsergebnisse handle, die für die Betroffenen nicht vorhersehbar seien und insbesondere bei starken Einkommensschwankungen die beim Anspruchsberechtigten tatsächlich bestehenden Einkommensverhältnisse nicht richtig wiedergäben. Nach Auffassung des OLG Wien erscheint es "daher auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für die einzelnen Betroffenen bedenklich", "eine für Familien so zentrale Leistung an einen derart schwer durchschau- und nachvollziehbaren Sachverhalt zu binden".
3.2.2. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden darüber hinaus auch gegen die in §8 Abs1 Z1 KBGG normierte Ermittlungsweise des Gesamtbetrags der Einkünfte bei unselbständiger Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die davon unterschiedliche Regelung des §8 Abs1 Z2 KBGG für "andere Einkünfte" aus selbständiger Erwerbstätigkeit: Das steuerliche Einkommen bei selbständiger Erwerbstätigkeit sei leicht von einem Jahr in ein anderes verschiebbar und müsse daher nicht dem tatsächlich erwirtschafteten Einkommen entsprechen. Zudem komme es zu einer Benachteiligung unselbständig Erwerbstätiger auch aus dem Grund, dass für sie eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung der Einkünfte zwischen Kalenderjahr und Anspruchsjahr nicht bestehe.
3.2.3. Das OLG Wien hält es ferner für bedenklich, dass die Rückforderung nach §31 KBGG an keine weiteren Voraussetzungen als das Überschreiten der Zuverdienstgrenze, insbesondere nicht an das Verschulden des Leistungsempfängers, geknüpft ist. Das Kinderbetreuungsgeld (Karenzgeld) sei daher auch dann rückzufordern, wenn zum Zeitpunkt des Empfangs (Verbrauchs) der Leistung die Überschreitung der Zuverdienstgrenze noch nicht vorhersehbar, sondern erst nachträglich erkennbar war oder überhaupt erst durch nachfolgende Ereignisse ausgelöst wurde. Nach Ansicht des OLG Wien sei diese Form der Rückforderung mit dem erklärten Zweck der teilweisen Abgeltung der Betreuungsleistung und der mit einer außerhäuslichen Betreuung von Kindern verbundenen finanziellen Belastung der Eltern nicht vereinbar. Durch die KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl. II 405/2001 idgF) werde eine mögliche Verletzung des aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebots zwar für bestimmte Fälle (Härtefälle) ausgeschlossen, aber nicht grundsätzlich behoben.
3.2.4. Dieselben Bedenken gälten auch für die angefochtenen Bestimmungen des KGG, die auf die entsprechenden Vorschriften des KBGG verweisen.
4. Die Bundesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Anträge beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Zulässigkeit:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Die Anwendung der jeweils angefochtenen Bestimmungen des KBGG in den den Anträgen zugrunde liegenden Verfahren ist jedenfalls denkmöglich.
1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 8461/1978 dargelegt hat, soll ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu dienen, die behauptete Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen (vgl. etwa VfSlg. 13.299/1992, 16.191/2001 mwH, 16.801/2003). Unzulässig ist ein Antrag daher auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (VfSlg. 16.191/2001 mwN).
Der vorliegende Antrag begehrt unter anderem die Aufhebung des §2 Abs6 KGG idF BGBl. I 103/2001. Das antragstellende Gericht scheint davon auszugehen, dass diese Norm in untrennbarem Zusammenhang mit den von ihm angefochtenen Normen des KBGG steht. Es übersieht dabei, dass die Aufhebung dieser Vorschrift zur Folge hätte, dass sich die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des Karenzgeldes ab 1. Jänner 2002 auch für Geburten zwischen dem 1. Juli 2000 und dem 31. Dezember 2001 (weiterhin) nach den Abs2 bis 5 des §2 KGG - und damit nicht nach der durch BGBl. I 71/2003 wesentlich erhöhten "Zuverdienstgrenze" des KBGG, sondern nach der Geringfügigkeitsgrenze des §2 Abs2 bis 5 KGG - richteten. Mit der Eliminierung des §2 Abs6 KGG aus der Rechtsordnung wäre somit nicht eine Rechtslage hergestellt, auf die die vom antragstellenden Gericht geltend gemachten Bedenken, die im Ergebnis auf eine Beseitigung der "Zuverdienstgrenze" gerichtet sind, nicht mehr zuträfen. Das Ziel des Aufhebungsbegehrens wäre sohin durch Aufhebung dieser Vorschrift nicht erreicht.
Die Anträge sind deshalb unzulässig, soweit sie sich gegen §2 Abs6 KGG idF BGBl. I 103/2001 richten.
1.3. Gemäß Art140 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes u.a. auf Antrag des Obersten Gerichtshofes oder eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, kann dem Art140 Abs1 B-VG nur der Sinn beigemessen werden, dass über bestimmt umschriebene Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes lediglich ein einziges Mal entschieden werden kann. Eine Entscheidung über bestimmte, im Sinne des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG dargelegte Bedenken gegen ein Gesetz schafft also nach allen Seiten hin Rechtskraft (vgl. VfSlg. 5872/1968; ferner zB VfSlg. 10.311/1984 mwN).
Entschiedene Sache liegt im Verhältnis zwischen einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und einem weiteren Gesetzesprüfungsantrag allerdings nur vor, wenn zum einen zwischen der seinerzeit geprüften und der nunmehr zur Prüfung gestellten Norm Identität besteht (vgl. hiezu zB VfSlg. 11.646/1988 und 12.784/1991) und zum anderen über das im Antrag vorgetragene Bedenken vom Verfassungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis abgesprochen wurde (zur Zulässigkeit einer neuerlichen Sachentscheidung ob bisher nicht behandelter Bedenken vgl. zB VfSlg. 10.841/1986, 11.259/1987, 13.179/1992).
Mit den auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Anträgen trägt das antragstellende Gericht auf Basis derselben Rechtslage (Stammfassung BGBl. I 103/2001) dieselben unter Pkt. I.3.2. wiedergegebenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der unter Pkt. I.1. näher bezeichneten Bestimmungen des KBGG vor, die der OGH und die Oberlandesgerichte Graz, Innsbruck, Linz und Wien in ihren zu G128/08 ua. protokollierten Anträgen gegen die Verfassungsmäßigkeit derselben Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof erhoben haben, die aber mit Erkenntnis vom 26. Februar 2009, G128/08 ua., als unbegründet abgewiesen worden sind. Neue Bedenken wurden nicht vorgebracht. Soweit das antragstellende Gericht beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass §2 Abs1 Z3 KBGG und §8, in eventu §8 Abs1, KBGG, jeweils in der Stammfassung BGBl. I 103/2001, verfassungswidrig waren, steht den Anträgen daher im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2009, G128/08 ua., das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen. Daran ändert auch nichts, dass das antragstellende Gericht zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über die Antragstellung vom genannten Erkenntnis keine Kenntnis haben konnte.
Die Anträge sind daher auch unzulässig, soweit sie sich gegen §2 Abs1 Z3 und §8 KBGG idF BGBl. I 103/2001 richten.
1.4. Soweit die Aufhebung des §39 KGG idF BGBl. I 71/2003 beantragt wird, sind die Anträge hingegen zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, dass er sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003) und sohin ausschließlich zu beurteilen hat, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Soweit die Anträge sich gegen §39 KGG idF BGBl. I 71/2003 richten, verweist das antragstellende Gericht lediglich auf die zu §31 Abs2 zweiter Satz des KBGG in der Stammfassung BGBl. I 103/2001 geäußerten Bedenken. Dass der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken hinsichtlich der Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld) nicht teilt, hat er bereits ausführlich in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 2009, G128/08 ua., dargelegt. Die hiebei angestellten Überlegungen lassen sich uneingeschränkt auch auf die Rückforderung von Karenzgeld übertragen. Die Anträge sind daher, soweit sie sich auf §39 KGG idF BGBl. I 71/2003 beziehen, als unbegründet abzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litd und Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.