JudikaturVfGH

B2033/08 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2009

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Partei ist eine

Verwertungsgesellschaft im Sinne des Verwertungsgesellschaftengesetz 2006 (Verwertungsgesellschaftenrechtsänderungsgesetz 2006), BGBl. I 9/2006 (im Folgenden: VerwGesG 2006) und als Verein organisiert.

2. Die Aufsichtsbehörde "KommAustria" hat von Amts wegen eine Überprüfung der Betriebsgenehmigung der beschwerdeführenden Partei durchgeführt und mit Bescheid vom 30. Juni 2008, zur GZ KOA 9.102/08-22, den Inhalt der Betriebsgenehmigung der beschwerdeführenden Partei festgestellt. Obwohl diese eine dementsprechende Anregung im Verfahren abgegeben hätte, ist der in der ursprünglichen Betriebsgenehmigung enthaltene Verweis auf die - nun - nicht mehr in Geltung stehenden §§59a und 59b Urheberrechtsgesetz idF vor der Urheberrechtsnovelle 1996 (siehe dazu im Folgenden), nicht in die neue Betriebsgenehmigung aufgenommen worden.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am 14. Juli 2008 Berufung an den Urheberrechtssenat und beantragte eine Abänderung des Bescheides dahingehend, dass die Betriebsgenehmigung

"auch auf Ansprüche nach §59a UrhG idF vor der UrhG-Nov 1996 (Weitersendung ausländischer Rundfunksendungen - Kabelvergütung) und §59b UrhG idF vor der UrhG-Nov 1996 (Weitersendung von über Satellit ausgestrahlten Rundfunksendungen - Satellitvergütung), sofern diese Ansprüche weiterhin nach den genannten Bestimmungen zu beurteilen sind,"

erstreckt würde.

4. Dieser Berufung gab der Urheberrechtssenat mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 vollinhaltlich statt und erlegte der berufungswerbenden, hier beschwerdeführenden Partei eine Gebühr für die Inanspruchnahme des Urheberrechtssenates auf und bestimmte diese mit € 800,00 gemäß §32 Abs3 VerwGesG 2006 iVm §4 Urheberrechtssenatsgebührenverordnung, BGBl. II 247/2006 (im Folgenden: UrhRSGV).

5. Gegen diesen Bescheid, insoweit dieser die Entrichtung einer Gebühr vorschreibt, richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG, mit welcher die beschwerdeführende Partei die Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und die Verletzung in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, allenfalls einer rechtswidrigen Verordnung geltend macht.

Zudem regt die beschwerdeführende Partei noch an, hinsichtlich der §§32 Abs3 VerwGesG 2006 und 4 UrhRSGV ein Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten. §32 Abs3 VerwGesG 2006 mangle es an der von Art18 B-VG verlangten Determinierung, die Gesetzesstelle sei demnach verfassungswidrig. Aus demselben Grund sei auch §4 UrhRSGV gesetzwidrig, es mangle dieser Verordnungsstelle an der notwendigen sachgerechten Abstufung.

6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Mit §4 Abs3 VerwGesG 2006 wurde die Aufsichtsbehörde (im Folgenden: KommAustria) dazu ermächtigt, jederzeit die Erteilungsvoraussetzungen für die Betriebsgenehmigung überprüfen zu dürfen, wobei sie hiezu nach den ersten 10 Jahren und jeden weiteren 10 Jahren verpflichtet ist.

2.1. Gegen Bescheide der Aufsichtsbehörde steht den Verwertungsgesellschaften die Anrufung des Urheberrechtssenates offen, dessen Zuständigkeit in §30 VerwGesG 2006 geregelt ist:

"Urheberrechtssenat

§30. (1) Beim Bundesministerium für Justiz wird ein Urheberrechtssenat eingerichtet.

(2) Der Urheberrechtssenat ist zuständig

(3) Rechtssachen, für die der Urheberrechtssenat zuständig ist, sind den ordentlichen Gerichten entzogen.

(4) Vor dem Urheberrechtssenat geschlossene Vergleiche haben die Wirkung gerichtlicher Vergleiche."

2.2. Für diese Inanspruchnahme ist eine Gebühr zu entrichten, wobei sich die gesetzliche Grundlage dafür in §32 VerwGesG 2006 findet:

"Vergütungen und Gebühren

§32. (1) Die Mitglieder und Schriftführer des Urheberrechtssenats haben Anspruch auf eine Vergütung für ihren Zeit- und Arbeitsaufwand. Die Vergütung ist in einer Verordnung des Bundesministers für Justiz unter Bedachtnahme auf die Bedeutung und den Umfang der Aufgaben des Urheberrechtssenates zu regeln.

(2) Für die Inanspruchnahme des Urheberrechtssenates ist eine Gebühr zu entrichten, deren Höhe durch eine Verordnung des Bundesministers für Justiz festzulegen ist. Die Gebühren sind so festzulegen, dass der durch die Inanspruchnahme des Urheberrechtssenates und des für ihn zur Verfügung gestellten Personals verursachte Aufwand im Durchschnitt gedeckt wird.

(3) Der Urheberrechtssenat hat nach Abschluss jedes Verfahrens die in Abs2 vorgesehene Gebühr nach Maßgabe des durch das Verfahren verursachten Aufwandes zu bestimmen und dem Antragsteller oder dessen Gegner oder beiden von ihnen nach billigem Ermessen die Bezahlung dieser Gebühr aufzuerlegen."

ISd §32 Abs2 VerwGesG 2006 erließ das Bundesministerium für Justiz 2006 die UrhRSGV, BGBl. II 247/2006, wobei für den vorliegenden Fall vor allem die §1 Abs2 und §4 leg.cit. von Bedeutung sind:

"§1. (2) In den Fällen des §30 Abs2 Z1 und 2 VerwGesG 2006, wenn die Zuständigkeit des Urheberrechtssenates überhaupt verneint wird, oder in anderen Fällen einfacher Erledigung reduziert sich der Multiplikator gemäß Abs1 auf die Hälfte.

...

§4. Die Gebühr für die Inanspruchnahme des Urheberrechtssenates beträgt für jedes Verfahren 1 800 €, in den in §1 Abs2 bezeichneten Fällen jedoch 800 €."

III. 1. Zur zunächst behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums durch die Vorschreibung von € 800,00 als Inanspruchnahmegebühr erstattete die beschwerdeführende Partei keine näheren Ausführungen, äußerte jedoch zur Gebührenpflicht Gleichheitsbedenken. Im Einzelnen führte sie aus:

Knüpfe man an das Vorerkenntnis vom 28.9.2007, B133/07 ua. (= VfSlg. 18.222/2007) an, so sei die Tätigkeit des Urheberrechtsenates inhaltlich mit jener der Schiedskommission gleichzusetzen. Das Verfahren bei der Schiedskommission sei ein kontradiktorisches gewesen, während das vorliegende Verfahren von Amts wegen eingeleitet worden sei.

Nach §32 Abs3 VerwGesG 2006 sei "dem Antragsteller oder dessen Gegner oder beiden von ihnen nach billigem Ermessen die Bezahlung dieser Gebühr aufzuerlegen". Die beschwerdeführende Partei sei aber eine siegreiche Berufungswerberin und die Behörde nicht ihr Gegner, sodass schon auf Grund der Wortanalyse das Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde nicht gebührenpflichtig gewesen sei.

Selbst wenn der Wortsinn auch den vorliegenden Fall umfassen sollte, so seien antragsbedürftige Verwaltungsakte und amtswegig erlassene Verwaltungsakte so gravierend unterschiedlich, dass sie nicht gleich behandelt werden dürften.

Es sei auch unsachlich, den siegreichen Berufungswerber dann, wenn es sich um ein kontradiktorisches Verfahren handelt, von der Gebührenpflicht freizustellen, den gleichfalls siegreichen Berufungswerber im amtswegig eingeleiteten Verfahren jedoch mit der vollen Gebührenpflicht zu belasten.

Das Erkenntnis VfSlg. 8305/1978 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dieses Erkenntnis habe die Eingabengebühr nach TP14 Abs6 und damit eine niedrige Stempelgebühr betroffen, die ohne Rücksicht auf den Ausgang eines Berufungsverfahrens zu zahlen war, während die Inanspruchnahme der Behörde im vorliegenden Fall zu einer hohen Gebühr (€ 1.800,00 bzw. € 800,00) führe.

Damit würde auch die Effizienz des Rechtsschutzes in Frage gestellt.

2. Es mangle auch an einer "gesetzlichen Determinierung der Inanspruchnahme." Hiezu führt die Beschwerdeführerin aus:

"Satz 1 des §32 Abs2 VerwGesG 2006 spricht von eine[r] 'Gebühr' (Singular!), der Satz 2 von der Festlegung der (Höhe der) 'Gebühren' (Plural!). Mit zwei Gebühren(an)sätzen (€ 1.800,- bzw. € 800,-) beschränkt sich die Verordnung auf das absolute Minimum der gebotenen Differenzierungen in Form von Abstufungen der Höhe nach als Ergebnis der Berücksichtigung unterschiedlicher Sachverhalte, die zur 'Inanspruchnahme' der belangten Behörde führen."

Es fehlten gesetzliche Vorgaben, die der sachgerechten Berücksichtigung der verschiedenen Fallkonstellationen Rechnung tragen.

3. Der Berufungswerber sei auch kein Antragsteller im Sinne der Gebührenbestimmung. Zum Vergleich führt die beschwerdeführende Partei §73 Abs1 AVG an, der ausdrücklich zwischen "Anträgen von Parteien" und "Berufungen" unterscheide.

4. Die Verordnung sei gesetzwidrig, weil keine sachgerechte Abstufung in der weitgehend undifferenzierten Festlegung der "Inanspruchnahmegebühr" besteht. Die Unterteilung in bloß zwei Stufen sei nicht sachgerecht.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat zur - zulässigen - Beschwerde

erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof vermag der Auslegung des §32 Abs3 VerwGesG 2006 durch die belangte Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie einen Berufungswerber als "Antragsteller" behandelt und ihm als solchen die Gebühr vorschreibt, enthält eine Berufung doch zwingend den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Dass ein Berufungswerber die Berufungsbehörde "in Anspruch nimmt", kann auch nicht zweifelhaft sein.

2. §32 VerwGesG 2006 ist auch nicht gleichheitswidrig:

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg. 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg. 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.2. Ob ein Verfahren kontradiktorisch ist oder nicht, sagt noch nichts über den Grad der Inanspruchnahme der Behörde aus, sodass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten ist, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln. Da bei einem kontradiktorischen Verfahren zwei (oder mehr) Parteien die Behörde in Anspruch nehmen, bestehen mehr Parteien, unter denen die Gebühr aufgeteilt werden kann. Dabei bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, wie er diese Gebühr unter den mehreren Gebührenpflichtigen aufteilt. Er kann die Aufteilung auch - wie in §32 VerwGesG 2006 vorgesehen - der Behörde nach billigem Ermessen überlassen. Besteht aber bloß eine Partei, so kann nur diese gebührenpflichtig sein. §32 VerwGesG 2006 stellt also - entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Partei - nicht den siegreichen Berufungswerber gebührenfrei, sondern stellt sicher, dass die Gebühr entrichtet wird. Der Umstand, dass bei Bestehen bloß einer Partei nur dieser die Gebühr vorgeschrieben werden kann, folgt der Tatsache, dass es eben keine weitere Partei gibt und ist nicht eine Diskriminierung gegenüber jener Partei, der im kontradiktorischen Verfahren unter Umständen "nach billigem Ermessen" keine Gebühr vorgeschrieben wird, weil sie ohnehin von der anderen Partei getragen wird.

2.3. Dass in einem verwaltungsrechtlichen Berufungsverfahren auch einem erfolgreichen Berufungswerber Gebühren vorgeschrieben werden können, ist nicht unsachlich, würde doch andernfalls der Behördenaufwand in keiner Weise abgegolten. Beruht die Notwendigkeit zur Erhebung einer Berufung auf dem Verschulden einer Behörde, so kann dies allenfalls Anlass für eine Amtshaftung geben, doch ist der Gesetzgeber deshalb nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, erfolgreichen Berufungswerbern die Bezahlung einer Gebühr überhaupt zu erlassen.

2.4. §32 Abs2 VerwGesG 2006 widerspricht auch nicht dem Determinierungsgebot, mag der Wechsel von Singular und Plural auch einen sprachlichen Mangel darstellen. Die Verordnungsermächtigung sieht jedenfalls im Ergebnis die Festlegung von nicht bloß einer Gebühr vor. Bei der Gebührenfestlegung ist auf den durchschnittlichen Aufwand abzustellen. Die UrhRSGV trägt dem durch die Differenzierung der Gebührenhöhe nach Art der zu erledigenden Fälle - nämlich einerseits Normalfälle und andererseits Zurückweisungen mangels Zuständigkeit und andere einfache Erledigungen - Rechnung. Eine weitergehende Differenzierung, insbesondere auch durch Wegfall der Gebühr bei erfolgreichen Berufungen sieht weder die Verordnungsermächtigung vor, noch ist diese sachlich geboten.

2.5. Die Höhe der Gebühr von € 800,00 erreicht auch nicht eine finanzielle Belastung von Parteien, die den Rechtsschutz in Frage stellt.

In den Erkenntnissen betreffend die Gebühren im Vergabeverfahren, auf das die beschwerdeführende Partei hinweist, erfolgte die Aufhebung der Gebührenbestimmungen auch nicht bloß wegen der Höhe der Gebühr, sondern weil es unsachlich war, die Gebühr bei mehrfacher Antragstellung im gleichen Verfahren mehrfach in gleicher Höhe vorzuschreiben (VfSlg. 17.783/2006 ua.).

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

V. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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