B1675/08 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit der am 3. Juli 2006 dem Beschwerdeführer persönlich
zugestellten Strafverfügung vom 27. Juni 2006 legte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (im Folgenden: BH Salzburg-Umgebung) dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach §58 Abs1 Z1a KDV 1967 iVm §134 Abs1 KFG 1967 mit der Begründung zur Last, er habe am 9. Juni 2006 als Lenker eines Spezialkraftwagens die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen überschritten.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 24. Juli 2006 Einspruch, der mit Bescheid der BH Salzburg-Umgebung vom 16. April 2007 als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde. Zuvor hatte der Beschwerdeführer am 13. April 2007 eine Rechtfertigung erstattet.
1.2. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 gab der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg (im Folgenden: UVS Salzburg) der dagegen erhobenen Berufung mit der Maßgabe keine Folge, als der Satzteil "gemäß §49 Abs1 VStG als verspätet" entfiel und stattdessen "als unzulässig eingebracht" eingefügt wurde. Begründend führte der UVS Salzburg aus, dass die Strafverfügung dem ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers - nicht dem Beschwerdeführer persönlich - zugestellt hätte werden müssen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters gemeinsam mit der Strafverfügung der BH Salzburg-Umgebung vom 27. Juni 2006 am 29. Oktober 2007 zugestellt.
1.3. Gegen die Strafverfügung der BH Salzburg-Umgebung vom 27. Juni 2006 erhob der Beschwerdeführer am 5. November 2007 Einspruch. Am 6. Dezember 2007 erstattete er eine Rechtfertigung. Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 verständigte ihn die BH Salzburg-Umgebung vom Ergebnis der Beweisaufnahme.
2.1. Am 10. Juli 2008 richtete der Beschwerdeführer an den UVS Salzburg einen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung in der Verwaltungsstrafsache, dieser möge das Verwaltungsstrafverfahren mit Einstellung abschließen.
2.2. Der UVS Salzburg wies - durch ein Einzelmitglied - mit Bescheid vom 29. September 2008 den Devolutionsantrag gemäß §52b VStG als unzulässig zurück. Begründend führte der UVS Salzburg aus, eine Entscheidungsbefugnis über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen komme ihm nur in Privatanklagesachen und im landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht zu.
3.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK und eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Normen (§52b VStG, Art129a Abs1 Z4 B-VG) geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides in eventu die Feststellung der Verletzung gemäß Art6 Abs1 und 13
EMRK.
In der Begründung der Beschwerde führt der Beschwerdeführer zunächst aus, warum er die angeführten Bestimmungen für verfassungswidrig erachte und sich daraus ein Verstoß gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte ergebe. Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liege insoweit vor, als die belangte Behörde durch das gemäß der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entschieden habe, obwohl nach §67a AVG in Angelegenheiten der Z1 über Anträge, für deren Erledigung die unabhängigen Verwaltungssenate in erster Instanz oder gemäß §73 Abs2 AVG zuständig seien, die Entscheidung durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer vorgesehen sei. Zudem dauere das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren bereits unangemessen lang, worin eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK liege.
3.2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch mit dem Hinweis, sie sehe im angefochtenen Bescheid weder eine inhaltliche Rechtswidrigkeit noch eine Rechtswidrigkeit durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften, auf die Erstattung einer Gegenschrift.
4. Das Berufungsverfahren gegen das Straferkenntnis der BH Salzburg-Umgebung behängt am UVS Salzburg.
II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens keine Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften entstanden (vgl. insbes. VfGH 6.11.2008, G86,87/08; 9.12.2008, B1110/08).
2. Der Beschwerde kommt allerdings Berechtigung zu, als darin die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet wird:
2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000, 16.572/2002; VfGH 9.12.2008, B1110/08).
2.2. Da §67a AVG gemäß §24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren keine Anwendung findet, ergibt sich die Besetzung der unabhängigen Verwaltungssenate für Verwaltungsstrafverfahren aus §51c VStG.
§51c VStG regelt die Besetzung der unabhängigen Verwaltungssenate ausdrücklich nur für die Entscheidung über Berufungen, sieht aber darüber hinaus in einer Generalklausel vor, dass die Entscheidung "ansonsten ..., abgesehen von den gesetzlich besonders geregelten Fällen" durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, erfolgt. Diese Generalklausel wurde mit der Novelle BGBl. I 158/1998 eingeführt; sie dient - den diesbezüglichen Materialien gemäß - insbesondere dazu, die - bis dahin ungeregelte - Besetzung der unabhängigen Verwaltungssenate in Verfahren aufgrund eines Devolutionsantrages klarzustellen (s. AB 1167 BlgNR 20. GP). Im vorliegenden Verfahren hatte der UVS Salzburg über einen - im Hinblick auf §52b VStG grundsätzlich unzulässigen - Devolutionsantrag in einem Verwaltungsstrafverfahren zu entscheiden. Da für ein solches Verfahren keine besondere Besetzungsregel besteht, gelangt die Generalklausel des §51c VStG zur Anwendung.
2.3. Der UVS Salzburg hat über den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers durch ein Einzelmitglied entschieden. Nach §51c VStG hätte die Entscheidung aber durch eine Kammer des UVS Salzburg erfolgen müssen.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,-- sowie die Eingabegebühr in Höhe von € 220,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.