JudikaturVfGH

V3/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
21. September 2009

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. 1. Beim Bundesvergabeamt (im Folgenden: BVA) war zu

Z N/0144-BVA/08/2008 ein Verfahren anhängig, in welchem ein Bieter einen Nachprüfungsantrag sowie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stellte, aber etwa einen Monat später wieder zurückzog. Ferner stellte der Bieter einen Antrag auf Rückerstattung der bereits entrichteten Pauschalgebühr von € 2.400,--. Das BVA veranlasste unter Anwendung des §318 Abs1 Z7 Bundesvergabegesetz 2006 idF BGBl. I 86/2007 (im Folgenden: BVergG 2006) zunächst die Rücküberweisung der halben Pauschalgebühr für den Nachprüfungsantrag, somit € 800,--. Auf Grund eines nachfolgenden Senatsbeschlusses wurden auch die restlichen entrichteten Pauschalgebühren im Umfang von € 1.600,-- rücküberwiesen. Daraufhin zog die Antragstellerin auch ihre Anträge auf Rückerstattung der Gebühren zurück, sodass kein Bescheid über die Rückzahlung erlassen wurde.

2. Weiters ist beim BVA zu Z N/0158-BVA/08/2008 ein Verfahren anhängig, in welchem zunächst ein Antrag auf Nichtigerklärung einer Ausschreibung samt einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags im Oberschwellenbereich sowie ein Pauschalgebührenersatzantrag gestellt wurden.

Nach Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Berichtigung der Ausschreibung offenbar im Sinne der Antragstellerin zog die Antragstellerin die Nichtigerklärungs- bzw. Pauschalgebührenersatzbegehren zurück und begehrte an Stelle des Pauschalgebührenersatzes gemäß §319 BVergG 2006 nunmehr den Rückersatz im Gesamtumfang von € 2.400,-- der an das BVA entrichteten Pauschalgebühren. Die Antragstellerin qualifizierte die Verordnung BGBl. II 366/2007 alternativ als gesetzwidrig oder aber als gemäß der Herzog-Mantel-Theorie nicht mehr geltend, so dass für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich und diesbezügliche Anträge iSd §318 BVergG 2006 verfassungskonform keine Gebühren mehr zu entrichten wären.

Vor dem Hintergrund des §318 Abs1 Z7 BVergG 2006 wurde auch in diesem Fall vorläufig die Rücküberweisung von € 800,-- an diese Antragstellerin veranlasst. Der Antrag auf Rückerstattung der Gebühren ist im Umfang der restlichen € 1.600,-- noch beim BVA anhängig.

3. Aus Anlass dieser Verfahren stellt das BVA gemäß §291 Abs3 BVergG 2006 iVm Art89 Abs2 B-VG den vorliegenden Antrag, die Wortfolge "und Dienstleistungs" in der letzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II 366/2007, als gesetzwidrig aufzuheben.

3.1. Dazu führt das BVA zunächst aus, der antragstellende Senat sei

"in Erledigung des Gebührenrückzahlungsbegehrens zu N/0144-BVA/08/2008, insbesondere soweit selbiges über den gemäß §318 Abs1 Z7 BVergG 2006 jedenfalls zurückzuzahlenden Betrag hinausgeht, davon ausgegangen, dass durch die Aufhebung des §349 Abs3 BVergG 2006 idF BGBl I 17/2007 ab 1.1.2008 der Gesetzgeber in jedem Fall die gesetzliche Grundlage für die Verordnung BGBl II 366/2007 selbst beseitigt hat, so dass die genannte Verordnung BGBl II 366/2007 ipso iure ab 1.1.2008 entsprechend der Herzog-Mantel-Theorie ihre Geltung verloren hat.

Das Außerkrafttreten des §349 Abs3 BVergG 2006 idF BGBl I 17/2006 ergibt sich dabei im vorliegenden Fall aus den Ziffern 100 und 102 des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006 geändert wird (= BGBl I 86/2007), siehe dazu den durch die Ziffer 100. dieses Gesetzes BGBl I 86/2007 geschaffenen §345 Abs13 Z2 BVergG 2006 einerseits und die durch die Ziffer 102 des Gesetzes BGBl I 86/2007 ausdrücklich erfolgende Aufhebung §349 Abs3 andererseits.

Die Verordnung BGBl II 366/2007, die sich ausdrücklich auf §349 Abs3 BVergG 2006 idF BGBl I 17/2006 stützt, wurde insoweit am 13.12.2007, also vor dem Außerkrafttretenszeitpunkt des §349 Abs3 BVergG 2006 idF BGBl I 17/2006 gemäß §345 Abs13 Z2 BVergG 2006 idF BGBl I 86/2007 im BGBl kundgemacht."

Nunmehr sehe sich das BVA "mit Zweifeln an der von ihm insoweit beurteilten Rechtslage konfrontiert und geht damit von Zweifeln an der aufrechten Zulässigkeit einzelner Bestimmungen der Verordnung BGBl. II 366/2007 im Lichte des Art18 B-VG aus."

3.2. Zur Präjudizialität führt das BVA aus, dass nach

Aufhebung der Wortfolge "Dienstleistungsaufträge ... 1600 €" in der

Stammfassung des Anhangs XIX des BVergG 2006, BGBl. I 17/2006 durch den VfGH mit seinem Erkenntnis vom 8. Oktober 2007, G47/07-9, kundgemacht mit BGBl. I 84/2007 am 19. November 2007, Nachprüfungsanträge und Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei den beiden Ausgangsverfahren jeweils "betreffend sonstige Vergaben von Dienstleistungsaufträgen im Oberschwellenbereich nur mehr dann einer Pauschalgebührenpflicht gemäß Anhang XIX unterliegend betrachtet werden können, wenn die Verordnung BGBl. II 366/2007 und der dadurch angepasste Anhang XIX zum BVergG 2006 insoweit auch einen entsprechenden Gebührensatz vorsehen."

Die VO BGBl. II 366/2007 sei, soweit sie nicht ohnehin als bereits ipso iure gemeinsam mit dem Wegfall des §349 Abs3 BVergG 2006 ab 1. Jänner 2008 als außer Kraft getreten zu bewerten sei, als gesetzwidrig aufzuheben. Die Aufhebung habe auf die genannten Ausgangsverfahren folgende Auswirkungen:

"a) Im Ausgangsverfahren N/0144-BVA/08/2008 wäre die bereits erfolgte Gebührenrückzahlung auch außerhalb des §318 Abs1 Z7 BVergG 2006 idF BGBl I 86/2007 jedenfalls rechtmäßig. Das Bundesvergabeamt müsste diese Gebühren dann keinesfalls neuerlich mit Bescheid vorschreiben.

b) Im Ausgangsverfahren N/0158-BVA/08/2008 wäre dem Gebührenrückzahlungsbegehren - nach einer entsprechenden Aufhebung der präjudiziellen Verordnungsteile, die derzeit eine Gebührenpflicht für Nachprüfungsanträge und eV-Anträge begründen - jedenfalls auch über den ohnehin durch §318 Abs1 Z7 BVergG 2006 idF BGBl I 86/2007 gedeckten Bereich auch für die restlichen 1600 € Folge zu geben."

3.3. Zu seinen Bedenken führte das BVA u.a. Folgendes aus:

"Ausgehend von der Position, dass die Verordnung BGBl II 366/2007 dem aufrechten Rechtsbestand angehört, erscheinen damit jene Verordnungsbestandteile ohne entsprechende gesetzliche Grundlage erlassen, die bewirken, dass über den Verordnungstext in Zusammenschau mit §318 Abs1 BVergG 2006 idF BGBl I 86/2007 Anträge auf Nachprüfung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Vergaben betreffend Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich derzeit einer Pauschalgebührenpflicht unterliegen.

a) Seit der Aufhebung des Gebührentatbestands für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich durch den VfGH, Aufhebungskundmachung am 19.11.2007 in BGBl I 84/2007, konnte die Bundesregierung insoweit keinen Gebührensatz im Anhang XIX zum BVergG 2006 mehr gemäß §349 Abs3 BVergG 2006 idF BGBl I 17/2006 anpassen.

Da insoweit auch keine sonstige Verordnungsermächtigung ersichtlich ist, auf Basis welcher die Bundesregierung durch eine Verordnung im Sinne des Art18 B-VG neuerlich einen Gebührensatz für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich einführen hätte können, erscheinen die oben als präjudiziell bezeichneten Verordnungsbestandteile gesetzwidrig, weil eben ohne entsprechende gesetzliche Grundlage erlassen.

b) Die präjudiziellen Verordnungsbestandteile, mit denen letztlich derzeit zB durch die unter Punkt I dieses Verordnungsprüfungsantrags zitierten Bescheide eine Gebühren(ersatz-)pflicht für Nachprüfungs- und eV-Anträge an das Bundesvergabeamt betreffend Dienstleistungsanträge im Oberschwellenbereich angenommen werden kann, erscheinen weiters unmittelbar dem Art18 Abs1 B-VG widersprechend, da im insoweit gegebenen gesetzlichen Hintergrund keine Verordnungsermächtigung exisitiert, die nach der hier vertretenen Auffassung einen gesetzlich nicht mehr vorhandenen Gebührensatz für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich neu einzuführen ermächtigen würde.

Insoweit widersprechen die präjudiziellen Normbestandteile nach der hier vertretenen Auffassung auch dem Art18 Abs2 B-VG, da die Bundesregierung durch die Einführung eines Gebührensatzes für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich - jedenfalls zum Zeitpunkt der Kundmachung der Verordnung BGBl II 366/2007 am 13.12.2007 - kein Gesetz mehr heranziehen konnte, auf Grund dessen sie in ihrem Wirkungsbereich einen Gebührensatz iS des §318 Abs1 Z1 BVergG 2006 idF BGBl. I 86/2007 für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich im Betrage von 1600 € schaffen hätte dürfen."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Präjudizialität der angefochtenen Norm für das erstgenannte Anlassverfahren bestritt und im Übrigen den vom BVA geäußerten Bedenken wie folgt entgegentrat:

Zu den Bedenken im Hinblick auf den Umfang der Verordnungsermächtigung des §349 Abs3 BVergG 2006 in der Stammfassung, BGBl. I 17/2006, führt die Bundesregierung aus, dass dem Wort "anpassen" jener Bedeutungsumfang zuzumessen sei, der notwendig sei, um den im zweiten Halbsatz formulierten Zweck zu erreichen. Unter Anpassung in diesem Sinn sei daher die Adaption des Anhangs XIX des BVergG 2006 in dem Umfang zu verstehen, der notwendig sei, um die aus dem Personal- und Sachaufwand der Vergaberechtsschutzeinrichtung (voraussichtlich) resultierenden finanziellen Mehrbelastungen zu decken. Die Bundesregierung sei daher aufgrund des §349 Abs3 BVergG 2006 in der Stammfassung dazu angehalten gewesen, die Gebührensätze des Anhangs XIX des BVergG 2006 dahingehend anzupassen, dass für alle Verfahren, die einen Personal- und Sachaufwand erfordern, Gebühren in ausreichender Höhe eingehoben werden können.

Zu den Bedenken im Hinblick auf die mangelnde gesetzliche Grundlage der angefochtenen Verordnung nach der Bundesvergabegesetz-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 86, führte die Bundesregierung aus, dass die Verordnung BGBl. II 366/2007 von der Bundesregierung am 12. Dezember 2007 beschlossen und am 13. Dezember 2007 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und damit erlassen worden sei. Die Verordnungsermächtigung des §349 Abs3 BVergG 2006 in der Stammfassung, auf die sich die Verordnung stütze, sei erst am 1. Jänner 2008 außer Kraft getreten, weshalb die Verordnung am 13. Dezember 2007 nicht ohne Rechtsgrundlage erlassen worden sei. Durch den Entfall des §349 Abs3 BVergG 2006 mit 1. Jänner 2008 sei lediglich die Verpflichtung des Verordnungsgebers zu weiteren Anpassungen des Anhangs XIX abgeschafft worden. Bereits erfolgte Anpassungen würden aber weiterhin in Geltung bleiben. Der Fortbestand dieser Verordnung, d.h. die Anwendung der Gebührensätze in ihrer angepassten Form, stütze sich nicht, wie das BVA vermeine, auf §349 Abs3 BVergG 2006, sondern auf §318 BVergG 2006, der auch in seiner mit der BVergG-Novelle 2007 novellierten Fassung auf die im Anhang XIX festgesetzten bzw. ausgewiesenen (Gebühren)Sätze verweise. Die rechtliche Grundlage für die Anwendung der - durch die Verordnung BGBl. II 366/2007 angepassten - Gebührensätze bestehe somit seit 1. Jänner 2008 in §318 Abs1 Z1 BVergG 2006.

Für den Fall der Aufhebung beantragte die Bundesregierung für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten.

5. Die T GmbH erstattete als Partei des Anlassverfahrens zu

Z N/0158-BVA/08/2008 eine Äußerung, in der sie dem BVA hinsichtlich der vorgebrachten Bedenken beitritt.

II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die Stammfassung des BVergG 2006, BGBl. I 17/2006, sah für die Vorschreibung der Gebühr für Verfahren vor dem BVA Folgendes vor:

"Gebühren

§318. (1) Für Anträge gemäß den §§320 Abs1, 328 Abs1 und §331 Abs1 und 2 hat der Antragsteller jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten. Für diese Anträge und die Verfahren vor dem Bundesvergabeamt fallen keine Gebühren nach dem Gebührengesetz an.

(2) Die Höhe der Pauschalgebühr gemäß Abs1 richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren. Bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, dessen geschätzter Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert gemäß den §§12 und 180 nicht erreicht, so ist lediglich die Pauschalgebühr für das dem Los entsprechende Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zu entrichten.

(3) Die Pauschalgebühr ist gemäß den in Anhang XIX ausgewiesenen Sätzen bei Antragstellung zu entrichten. Bieter- und Arbeitsgemeinschaften haben die Pauschalgebühr nur einmal zu entrichten.

(4) Die Pauschalgebühren sind durch Barzahlung, durch Einzahlung mit Erlagschein, mittels Bankomatkarte oder Kreditkarte zu entrichten. Die über die Barzahlung und Einzahlung mit Erlagschein hinausgehenden zulässigen Entrichtungsarten sind durch das Bundesvergabeamt nach Maßgabe der vorhandenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen festzulegen und entsprechend bekannt zu machen."

Anhang XIX sah vor, dass bei Verfahren betreffend Dienstleistungsaufträge eine Gebühr von € 1.600,-- zu entrichten ist.

Ferner enthielt das BVergG 2006 in §349 Abs3 in der Stammfassung eine Verordnungsermächtigung zur Anpassung der Gebühr, welche lautete:

"(3) Die Bundesregierung hat die Gebührensätze in Anhang XIX durch Verordnung entsprechend anzupassen, falls es der mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes verbundene Personal- und Sachaufwand zur Deckung der Kosten der Rechtsschutzeinrichtung erfordert."

2. Mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2007, VfSlg. 18.248/2006, hatte der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Wortfolge

"Dienstleistungsaufträge ... 1600 €" in der letzten Zeile des

Anhanges XIX des BVergG 2006 in seiner Stammfassung als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung war vom Bundeskanzler am 19. November 2007, sohin mit Wirksamkeit ab 20. November 2007 mit BGBl. I 84/2007 kundgemacht worden.

3. Die Aufhebung von Bestimmungen des BVergG 2006 wurde nicht zum Anlass einer Änderung des Anhangs XIX des BVergG 2006 genommen. Vielmehr erließ die Bundesregierung am 13. Dezember 2007 unter Berufung auf §349 Abs3 BVergG 2006 in seiner Stammfassung, BGBl. I 17/2006, die Verordnung BGBl. II 366/2007, deren teilweise Aufhebung das BVA nunmehr begehrt.

Die Verordnung lautet (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Auf Grund des §349 Abs3 des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, wird verordnet:

§1. Die Gebührensätze in Anhang XIX des Bundesvergabegesetzes 2006 werden wie folgt angepasst:

Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes

Direktvergaben 200 €

Direkte Zuschlagserteilungen (§132 Abs3, §273

Abs3) im Oberschwellenbereich 600 €

Direkte Zuschlagserteilungen (§132 Abs3, §273

Abs3) im Unterschwellenbereich 300 €

Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung

im Unterschwellenbereich

Bauaufträge 400 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 300 €

Geistige Dienstleistungen 350 €

Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung

im Unterschwellenbereich

Bauaufträge 600 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 350 €

Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich

Bauaufträge 2500 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 800 €

Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich

Bauaufträge 5000 €

Liefer- und Dienstleistungsaufträge 1600 €

§2. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2008 in Kraft."

4. Mit dem BG BGBl. I 86/2007 wurde das BVergG 2006 geändert. Von der Änderung betroffen sind auch die Bestimmungen über die Gebühr.

4.1. §318 lautet nunmehr:

"§318. (1) Für Anträge gemäß den §§320 Abs1, 328 Abs1 und §331 Abs1 und 2 hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:

1. Die Pauschalgebühr ist gemäß den in Anhang XIX festgesetzten Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten. Bieter- und Arbeitsgemeinschaften haben die Pauschalgebühr nur einmal zu entrichten. Die Gebührensätze können nach objektiven Merkmalen abgestuft sein. Als objektive Merkmale können insbesondere der Auftragsgegenstand, die Art des durchgeführten Verfahrens sowie die Tatsache, ob es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich oder im Unterschwellenbereich handelt, herangezogen werden.

2. Die in Anhang XIX festgesetzten Gebührensätze vermindern oder erhöhen sich jährlich in dem Maß, das sich aus der Veränderung des von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2005 oder des an seine Stelle tretenden Index gegenüber der für Juni 2007 verlautbarten und in der Folge gegenüber der der letzten Festsetzung zugrunde gelegten Indexzahl ergibt. Der Bundeskanzler hat nach Verlautbarung der für Juni des laufenden Jahres maßgeblichen Indexzahl die neu festgesetzten Gebührensätze im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Die neu festgesetzten Gebührensätze gelten ab dem der Kundmachung folgenden Monatsersten. Die Gebührensätze sind auf ganze Euro ab- oder aufzurunden.

3. Die Pauschalgebühren sind durch Barzahlung, durch Einzahlung mit Erlagschein, mittels Bankomatkarte oder Kreditkarte zu entrichten. Die über die Barzahlung und Einzahlung mit Erlagschein hinausgehenden zulässigen Entrichtungsarten sind durch das Bundesvergabeamt nach Maßgabe der vorhandenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen festzulegen und entsprechend bekannt zu machen.

4. Für Anträge gemäß §328 Abs1 ist eine Gebühr in der Höhe von 50 vH der festgesetzten Gebühr zu entrichten.

5. Hat ein Antragsteller zum selben Vergabeverfahren bereits einen Antrag gemäß §320 Abs1 oder gemäß §331 Abs1 oder 2 eingebracht, so ist von diesem Antragsteller für jeden weiteren Antrag gemäß §320 Abs1 oder gemäß §331 Abs1 oder 2 eine Gebühr in der Höhe von 80 vH der festgesetzten Gebühr zu entrichten.

6. Bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, dessen geschätzter Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert gemäß den §§12 und 180 nicht erreicht, so ist lediglich die Pauschalgebühr für das dem Los entsprechende Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zu entrichten.

7. Wird ein Antrag vor Kundmachung der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gemäß §323 Abs5 oder, wenn keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, vor Erlassung des Bescheides zurückgezogen, so ist lediglich eine Gebühr in der Höhe von 50 vH der für den jeweiligen Antrag festgesetzten Gebühr zu entrichten. Wird ein Antrag nach Kundmachung der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gemäß §323 Abs5 aber vor Durchführung der mündlichen Verhandlung zurückgezogen, so ist lediglich eine Gebühr in der Höhe von 80 vH der für den jeweiligen Antrag festgesetzten Gebühr zu entrichten. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind rückzuerstatten.

(2) Für Anträge gemäß Abs1 und die Verfahren vor dem Bundesvergabeamt fallen keine Gebühren nach dem Gebührengesetz an."

4.2. Die Änderung des BVergG 2006, BGBl. I 86/2007, wurde am 26. November 2007 kundgemacht. Dem §345 BVergG 2006 wurde als Übergangsbestimmung ein Absatz 13 angefügt, welcher lautet:

"(13) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2007 neu gefassten Bestimmungen und für das Außerkrafttreten der durch dieses Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen gilt Folgendes:

...

2. Die Überschriften des 4. Teiles, §292 Abs3, §306 Abs2,

§307 Abs2 bis 7, §312 Abs3 Z2 und Z3 litb sowie Abs4 Z2, §314 samt Überschrift, §318, §319 Abs3, §320 Abs2 und 4, §321 Abs1 Z2 und Abs2,

§322 Abs3, §331 Abs2, §332 sowie §333 samt Überschrift treten mit dem zweiten der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 86/2007 folgenden Monatsersten in Kraft; gleichzeitig tritt §349 Abs3 außer Kraft. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 86/2007 beim Bundesvergabeamt anhängige Verfahren sind vom Bundesvergabeamt nach der bisherigen Rechtslage fortzuführen."

4.3. Die novellierte Fassung des §318 BVergG 2006 trat am 1. Jänner 2008 und somit gleichzeitig mit der Gebührenverordnung BGBl. II 366/2007 in Kraft.

4.4. Das BG BGBl. I 86/2007 bestimmte ferner, dass die Verordnungsermächtigung der Stammfassung, nämlich §349 Abs3 BVergG 2006 entfällt.

In den Gesetzesmaterialien (RV 127 BlgNR 23. GP) wird zur Novellierung des §318 BVergG 2006 (Ziffer 89) und dem Entfall der Verordnungsermächtigung des §349 Abs3 BVergG 2006 (Ziffer 102) Folgendes ausgeführt:

"Zu Z89 (§318) und Z102 (Entfall des §349 Abs3):

Aus Anlass des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes G154/05, V118/05 wird die Gebührenregelung des BVergG 2006 einer Neuregelung unterzogen. Die grundsätzliche Festlegung der gebührenpflichtigen Anträge (§§320 Abs1, 328 Abs1 und 331 Abs1 und 2 BVergG 2006) bleibt davon ebenso unberührt wie die Befreiung von einer Gebührenpflicht nach dem Gebührengesetz (Abs2).

Gemäß den Vorgaben des Regierungsprogramms für die XXIII. Gesetzgebungsperiode im Kapitel Budgetpolitik sollen zur Abgeltung der Teuerung sämtliche Gebühren einer jährlichen Valorisierung unterzogen werden. Eine Valorisierung der Pauschalgebühren gemäß §318 soll zweckmäßiger Weise im Wege einer Kundmachung des Bundeskanzlers erfolgen, da die Erlassung einer Verordnung für die bloße Neuberechnung der Gebührensätze nach einer im Gesetz vorgegebenen Methode einen unverhältnismäßigen Aufwand mit sich bringen würde (vgl. etwa die Regelung des §16 Abs6 des Mietrechtsgesetzes [MRG], BGBl. Nr. 520/1981, wonach sich die in §16 Abs5 MRG genannten Beträge entsprechend den Veränderungen des Verbraucherpreisindex vermindern oder erhöhen; die geänderten Beträge sind vom Bundesminister für Justiz kundzumachen). Da es im Sinne einer möglichst klaren und lesbaren Gebührenregelung nicht zweckmäßig ist, Gebührenvorschriften im Gesetz, in einer Kundmachung sowie zusätzlich in einer allenfalls zu erlassenden Verordnung zu treffen, soll die Verordnungsermächtigung entfallen. Es gelten somit weiterhin die in Anhang XIX festgesetzten Gebührensätze, wobei es basierend auf den Veränderungen des Verbraucherpreisindex zu einer jährlichen Anpassung kommen wird. Die neu festgesetzten Gebührensätze sind - nach vorheriger Befassung des Bundesministeriums für Finanzen - im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Die Gebührensätze des Anhangs XIX können nach objektiven Merkmalen gestaffelt werden, einzelne mögliche Merkmale, die für eine Abstufung herangezogen werden können, werden in §318 demonstrativ genannt. Zu diesen Merkmalen ist anzumerken, dass Anträge im Zusammenhang mit Bauaufträgen zumindest im Regelfall einen komplexeren Verfahrensgegenstand nach sich ziehen als dies bei Lieferungen oder Dienstleistungen der Fall ist, wobei geistige Dienstleistungen wiederum als komplexer anzusehen sind als 'sonstige' Dienstleistungen. Weiters kann man bei einer Durchschnittsbetrachtung davon ausgehen, dass so genannte beschränkte Verfahren mit weniger Teilnehmern und daher weniger umfangreichen Unterlagen einen geringeren Verfahrensaufwand mit sich bringen als offene Verfahren. Schließlich ist zu beachten, dass der Nutzen eines Rechtsschutzverfahrens bei einem Verfahren im Oberschwellenbereich (auf Grund der regelmäßig höheren Gewinne bzw. Deckungsbeiträge) für den Antragsteller größer ist als bei einem Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich.

Die Z3 des §318 Abs1 entspricht dem bisherigen Abs4 des §318 BVergG 2006; die Z6 entspricht dem bisherigen §318 Abs2 zweiter Satz BVergG 2006.

Die Z4, 5 und 7 des §318 Abs1 stellen die Reaktion auf die bezogene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dar: Demnach ist für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Gebühr in der Höhe von 50% der festgesetzten Gebühr zu entrichten, für jeden weiteren Nachprüfungs- oder Feststellungsantrag eines Antragstellers, der zu diesem Vergabeverfahren bereits einen Nachprüfungs- oder Feststellungsantrag eingebracht hat, eine Gebühr in der Höhe von 80% der festgesetzten Gebühr. Gemäß Z7 besteht bei einer rechtzeitigen Zurückziehung des Antrags ein Rückerstattungsanspruch in der Höhe von 50 bzw. 80% der festgesetzten Gebühr. Die Zurückziehung eines Antrages erfolgt 'vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung', wenn die Zurückziehung vor dem tatsächlichen Beginn der mündlichen Verhandlung (Aufruf des Verfahrens) beim Bundesvergabeamt eingelangt ist."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrags erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende BVA an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden BVA im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

2. Aus der Darstellung des erstgenannten Verfahrens, Z N/0144-BVA/08/2008, im Antrag des BVA ergibt sich, dass die Antragstellerin beim BVA nach formloser Rückerstattung der gesamten Gebühr auch den Antrag auf Rückerstattung der Gebühr zurückzog. Es ist somit nicht ersichtlich, dass zu dieser Geschäftszahl vor dem BVA noch ein Verfahren anhängig ist, für welches die angefochtenen Verordnungsbestimmungen präjudiziell sein könnten. Die formlose Rückerstattung erledigt den Antrag positiv, sodass ein Bescheid über den Antrag nicht (mehr) zu erlassen ist.

Soweit sich der Aufhebungsantrag auf das Verfahren Z N/0144-BVA/08/2008 stützt, ist er daher zurückzuweisen.

3. Im zweiten Anlassfall, Z N/0158-BVA/08/2008, beabsichtigt das BVA eine Gebühr gemäß §318 Abs1 Z7 BVergG 2006, idF BGBl. I 86/2007, zu den Gebührensätzen der VO BGBl. II 366/2007 vorzuschreiben. Die angefochtene Bestimmung ist daher präjudiziell.

Das BVA hegt allerdings Zweifel, ob diese Verordnung noch dem Rechtsbestand angehört.

4. Wenngleich die Gesetzestechnik der Änderung des BVergG 2006, BGBl. I 86/2007, hinsichtlich der Gebührenbestimmungen an Klarheit zu wünschen übrig lässt, ist sie doch gerade noch auslegbar:

Angesichts der Bezugnahme in §318 Abs1 BVergG 2006 auf die Gebührensätze des Anhangs XIX der Stammfassung als Ausgangswert für zukünftige Anpassungen muss davon ausgegangen werden, dass diese Gebührensätze auch nach dem 1. Jänner 2008 bis zur ersten weiteren Anpassung weiter gelten sollen. Das Gesetz bezieht sich bloß auf die gesetzlichen Gebührensätze in Anhang XIX der Stammfassung des BVergG 2006 und erwähnt mögliche "Anpassungen" wie sie §349 Abs3 BVergG ermöglicht, nicht, sondern hebt im Gegenteil §349 Abs3 BVergG auf. Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber die Anpassungen bis zum In-Kraft-Treten der Änderungen durch das BG BGBl. I 86/2007 unbeachtet lassen will. Weitere Anpassungen auf Grund des nunmehrigen §318 Abs1 Z2 BVergG 2006 idF BGBl. I 86/2007 sollen auf den gesetzlichen Gebührensätzen des Anhanges XIX und nicht auf allfälligen zwischenzeitig erlassenen Anpassungsverordnungen aufbauen. Auch die Gesetzesmaterialien bestätigen diese Auslegung. Es heißt dort:

"Es gelten weiterhin die in Anhang XIX festgesetzten Gebührensätze."

Die Berücksichtigung allfälliger Anpassungen wird nicht erwähnt.

Durch das BG BGBl. I 86/2007 hat der Gesetzgeber bezüglich der Gebühren ein auf die Ansätze des Anhanges XIX aufbauendes neues Anpassungssystem und kein Mischsystem gewählt, sodass zwischenzeitige Anpassungsverordnungen mit dem 1. Jänner 2008 außer Kraft getreten sind.

Dies bedeutet für den vorliegenden Antrag des BVA, dass nach dem 1. Jänner 2008 bis auf weiteres die Gebührensätze des Anhanges XIX, nicht aber jene der VO BGBl. II 366/2007, gelten. Diese Verordnung ist daher nicht präjudiziell, sodass der Antrag des BVA zur Gänze zurückzuweisen ist.

Ergänzend ist zu bemerken, dass auf Grund des Erkenntnisses des VfGH VfSlg. 18.248/2006 und des Umstandes, dass der Gesetzgeber dieses Erkenntnis nicht zum Anlass genommen hat, in Anhang XIX eine Gebühr für Dienstleistungsaufträge vorzusehen, auch nach dem 1. Jänner 2008 keine solche Gebühr zu entrichten ist. Sollte dies ein Versehen des Gesetzgebers sein, so kann es dennoch auch in Zukunft nicht durch "Anpassung" des nicht vorhandenen Gebührensatzes bereinigt werden (vgl. VfSlg. 17.970/2006).

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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