JudikaturVfGH

G137/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
21. September 2009

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung:

1. Mit (selbst verfasster) Eingabe vom 22. Mai 2009 beantragt der seinem Vorbringen zufolge in der Justizanstalt Wels (zuvor Justizanstalt Graz-Karlau) im Strafvollzug angehaltene Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zwecks Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit insbesondere der Bestimmung des §150 Abs3 Strafvollzugsgesetz (StVG) idgF.

Der Antragsteller bringt vor, (voraussichtlich) am 23. Oktober 2009 aus dem Vollzug entlassen zu werden, weshalb er beim Anstaltsleiter gemäß §150 Abs3 StVG "die Entlassungshilfe in der Höhe des unpfändbaren Freibetrages nach §291a Abs1 Exekutionsordnung [EO] idgF" begehre. Die Bestimmung des §150 Abs3 StVG verweise jedoch "auf eine Gesetzesstelle bzw. [einen] Passus nach §291a Abs1 'Ziffer 1'

der Exekutionsordnung, welche(n) es seit dem BGBl I 2001/98 ... nicht

mehr gibt!". Die angeführte Wortfolge sei für einen Strafgefangenen "irreführend". Der in der anzufechten beabsichtigten Vorschrift in Bezug auf die verwiesene Bestimmung des §291a Abs1 Z1 EO enthaltene Hinweis "in der jeweils geltenden Fassung" ändere nach seiner Auffassung nichts an der behaupteten Verfassungswidrigkeit.

2. Zur maßgeblichen Rechtslage:

§150 Abs3 StVG (BGBl. 144/1969 idF BGBl. I 26/2000) hat (samt Überschrift) folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Wortlaut:

"Entlassungshilfe

§150. (1) - (2) ...

(3) Erreichen die dem Strafgefangenen bei der Entlassung nach §54 Abs5 auszuzahlenden Beträge ohne sein Verschulden nicht den unpfändbaren Freibetrag nach §291a Abs1 Z1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 in der jeweils geltenden Fassung, und ist für den Unterhalt des Strafgefangenen in der ersten Zeit nach der Entlassung nicht anderweitig ausreichend vorgesorgt, so ist ihm ein Zuschuß bis zur Höhe dieses Betrages zu gewähren."

Nach §54 Abs5 StVG sind dem Strafgefangenen bei der Entlassung als Hausgeld und Rücklage gutgeschriebene Geldbeträge auszuzahlen.

§291a EO (RGBl. 79/1896 idF BGBl. I 31/2003) lautet samt Überschrift:

"Unpfändbarer Freibetrag

('Existenzminimum')

§291a. (1) Beschränkt pfändbare Forderungen, bei denen der sich nach §291 ergebende Betrag (Berechnungsgrundlage) bei monatlicher Leistung den Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen (§293 Abs1 lita ASVG) nicht übersteigt, haben dem Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag).

(2) Der Betrag nach Abs1 erhöht sich

1. um ein Sechstel, wenn der Verpflichtete keine Leistungen nach §290b erhält (erhöhter allgemeiner Grundbetrag),

2. um 20% für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt (Unterhaltsgrundbetrag); höchstens jedoch für fünf Personen.

(3) Übersteigt die Berechnungsgrundlage den sich aus Abs1 und 2 ergebenden Betrag, so verbleiben dem Verpflichteten neben diesem Betrag

1. 30% des Mehrbetrags (allgemeiner Steigerungsbetrag) und

2. 10% des Mehrbetrags für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt; höchstens jedoch für fünf Personen (Unterhaltssteigerungsbetrag).

Der Teil der Berechnungsgrundlage, der das Vierfache des Ausgleichszulagenrichtsatzes (Höchstberechnungsgrundlage) übersteigt, ist jedenfalls zur Gänze pfändbar.

(4) Bei täglicher Leistung ist für die Ermittlung des unpfändbaren Freibetrags nach den vorhergehenden Absätzen der

30. Teil des Ausgleichszulagenrichtsatzes, bei wöchentlicher Leistung das Siebenfache des täglichen Betrags heranzuziehen.

(5) Die Grundbeträge sind auf volle Euro abzurunden; der Betrag nach Abs3 letzter Satz ist nach §291 Abs2 zu runden."

Bis 31. Dezember 2001 hatte §291a Abs1 (idF BGBl. 628/1991) folgenden (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von §150 Abs3 StVG maßgeblichen) Wortlaut:

"Unpfändbarer Freibetrag

('Existenzminimum')

§291a. (1) Von dem sich nach §291 ergebenden Betrag (Berechnungsgrundlage) hat dem Verpflichteten je nach dem Zeitraum, für den die Leistungen gezahlt werden,

1. 6 500 S monatlich,

2. - 3. ...

zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag).

(2) - (7) ..."

3. Der angestrebte Individualantrag wäre mangels Legitimation nicht zulässig:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

3.2. Dem Antragsteller stünde zur Geltendmachung seiner Bedenken ein zumutbarer Weg zur Verfügung.

Er hätte nämlich hinsichtlich einer Regelung wie jener des §150 StVG, deren Vollziehung in die Kompetenz der Vollzugsbehörden fällt, die zumutbare (nach dem insoweit nicht eindeutigen Antragsvorbringen allenfalls bereits in Anspruch genommene) Möglichkeit, einen (bei der gemäß §11a Abs1 StVG zuständigen Vollzugskammer des Oberlandesgerichtes anfechtbaren) Bescheid des Anstaltsleiters (§11 Abs1 StVG) zu erwirken, den er letztlich (nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges) beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG bekämpfen könnte (vgl. zB VfSlg. 12.975/1992 mwN, VfGH 29.1.2009, G169/08). Auf die materiellen Erfolgsaussichten des (ordentlichen) Rechtsmittels kommt es dabei nicht an, sodass selbst eine zurückweisende Entscheidung die Möglichkeit der Herantragung der Bedenken an den Verfassungsgerichtshof nicht hindern würde (zB VfSlg. 15.260/1998, 16.134/2001, 17.359/2004). Auf diese Weise könnte (bzw. konnte) der Antragsteller eine gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung der Bestimmung des §150 Abs3 StVG auf ihre Verfassungsmäßigkeit beim Verfassungsgerichtshof erwirken (vgl. zB VfSlg. 14.702/1996).

Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können (vgl. zB VfSlg. 12.379/1990 und VfSlg. 16.772/2002), liegen nicht vor.

3.3. Daraus folgt, dass dem Antragsteller schon deshalb die Legitimation zur Stellung eines Individualantrages fehlt. Da somit die Zurückweisung des intendierten Individualantrages zu gewärtigen wäre, erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein als offenbar aussichtslos.

Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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