A13/08 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Das mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2009, A13/08-16, abgeschlossene Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I und Spruchpunkt II wiederaufgenommen.
II. Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2009, A13/08-16, wird hinsichtlich Spruchpunkt I und Spruchpunkt II aufgehoben.
III. Der Antrag vom 31. Dezember 2008 auf Fristerstreckung wird abgewiesen.
IV. Der Antrag vom 13. Jänner 2009 auf Fristerstreckung wird zurückgewiesen.
V. Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Mit Beschluss vom 7. November 2008 hat der
Verfassungsgerichtshof den (neuerlichen) Antrag des Einschreiters auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in dem zu A13/08 protokollierten Verfahren zurückgewiesen. In der Folge wurde der Einschreiter mit Verfügung vom 28. November 2008 aufgefordert, seine selbst verfasste Klage gemäß §17 Abs2 VfGG binnen vier Wochen durch einen (selbst gewählten) bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Auf die nach §19 Abs3 VfGG eintretenden Säumnisfolgen wurde hingewiesen.
2. Mit am 31. Dezember 2008 zur Post gegebenem Schreiben beantragte der Einschreiter zunächst, die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Verfügung vom 28. November 2008 gesetzte Frist bis 14. Jänner 2009 zu erstrecken. Mit Schreiben vom 13. Jänner 2009 ersuchte der Einschreiter erneut um Erstreckung der mit hg. Verfügung vom 28. November 2008 gesetzten Frist bis 31. Jänner 2009.
Mit Schriftsatz vom "31. Jänner 2009" (eingelangt am 30. Jänner 2009) brachte der Einschreiter unter Hinweis auf die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2008 und die in der Folge von ihm eingebrachten Fristerstreckungsanträge, vertreten durch einen selbst gewählten Rechtsanwalt, Klage gemäß Art137 B-VG ein.
3. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2009, A13/08-16, wurde der Antrag vom 31. Dezember 2008 auf Erstreckung der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist als verspätet zurückgewiesen. Da bereits der erste Antrag auf Fristerstreckung nach Fristablauf gestellt wurde, war die Erhebung eines erneuten Fristerstreckungsantrages unzulässig, sodass der Antrag vom 13. Jänner 2009 ebenfalls zurückzuweisen war. Die vom Einschreiter durch einen selbst gewählten Rechtsanwalt eingebrachte Klage gemäß Art137 B-VG wurde wegen nicht rechtzeitig behobenen Mangels eines formellen Erfordernisses zurückgewiesen (vgl. Spruchpunkt I und II des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2009, A13/08-16).
4. Mit Eingabe vom 13. Mai 2009 stellt der Einschreiter nunmehr den Antrag, "den Beschluss vom 23.02.2009 von amtswegen dahingehend zu berichtigen, dass in Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der vermeintlichen Verspätung über die Anträge
bzw. die eingebrachte Klage entschieden wird. In eventu ... auf
Wiederaufnahme des Verfahrens und neuerliche Entscheidung über die gestellten Anträge unter Abstandnahme vom geltend gemachten Zurückweisungsgrund des verspäteten Fristerstreckungsantrages vom 31.12.2008".
Der Einschreiter führt begründend aus, dass sich dieser auf Grund des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2009, A13/08-16, eine Abschrift der Hinterlegungsanzeige vom 2. Dezember 2008 besorgt habe, aus der der Beginn der Abholfrist mit 3. Dezember 2008 hervorgehe, sodass der am 31. Dezember 2008 gestellte Fristerstreckungsantrag rechtzeitig eingebracht worden sei.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg. 11.041/1986, 12.306/1990, 14.695/1996), dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes - insbesondere auch seine Beschlüsse - endgültig sind, sofern es sich nicht um Fälle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Wiederaufnahme des Verfahrens handelt. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens in seinen §§33 und 34 nicht selbst regelt, hat der Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Bestimmungen der ZPO (§§146 und 530 ff.) sinngemäß anzuwenden.
Die Bewilligung der Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens wegen des Vorliegens des - hier allein in Frage kommenden - Wiederaufnahmegrundes gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO (iVm §35 Abs1 VfGG) setzt voraus, dass "die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeigeführt haben würde". Darüber hinaus findet die Wiederaufnahme nur statt, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen (§530 Abs2 ZPO).
2. Der Einschreiter legte mit seiner Eingabe vom 13. Mai 2009 eine Ablichtung der an ihn ergangenen Verständigung über die Hinterlegung der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2008 - datiert mit 2. Dezember 2008 - vor; nach dieser Verständigung ist der Beginn der Abholfrist mit "ab morgen (nächstem Werktag)" - und damit mit dem 3. Dezember 2008 - festgelegt worden. Der dem Verfassungsgerichtshof übermittelte Zustellnachweis enthält als Datum für den Beginn der Abholfrist den 2. Dezember 2008, weshalb der vom Einschreiter am 31. Dezember 2008 gestellte Fristerstreckungsantrag als verspätet zurückgewiesen wurde; in weiterer Folge wurden daher der zweite Fristerstreckungsantrag sowie die gemäß Art137 B-VG eingebrachte Klage ebenso zurückgewiesen.
3. Der vom Zusteller erstellte Zustellnachweis (Rückschein) ist nach ständiger Rechtsprechung eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist; doch ist der Gegenbeweis gemäß §292 Abs2 ZPO zulässig. Werden Zustellmängel behauptet, so sind diese Behauptungen entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzubieten, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. zB VwGH 3.9.2002, 2002/03/0156; 20.9.2005, 2005/05/0016).
Gemäß §17 Abs2 letzter Satz ZustG ist der erste Tag der Abholfrist vom Zusteller in der Verständigung anzugeben. Wird dieser Anforderung in der Verständigung über die Hinterlegung entsprochen, so ist für den Beginn der Abholfrist allein diese Festlegung maßgeblich, weil mit dem Rückschein bloß der Beweis darüber erbracht wird, dass die Zustellung dem Gesetz entsprach. Eine abweichende Angabe des Beginns der Abholfrist auf dem Zustellnachweis ist daher unbeachtlich, zumal der Beginn der Abholfrist nicht auf dem Rückschein festgesetzt wird (VwGH 20.9.2005, 2005/05/0016).
Das Schriftstück gilt gemäß §17 Abs3 ZustG mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt; dh. die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2008 wurde dem Einschreiter am 3. Dezember 2008 zugestellt, sodass der vom Einschreiter am 31. Dezember 2008 gestellte Fristerstreckungsantrag rechtzeitig eingebracht wurde. Die auf den Rückschein gestützte Annahme des Zustelldatums mit 2. Dezember 2008, die sich nachträglich als unzutreffend erwies, führte zur Zurückweisung des Fristerstreckungsantrages vom 31. Dezember 2008 wegen verspäteter Einbringung. Im Nachhinein stellte sich diese Annahme jedoch auf Grund der - dem Verfassungsgerichtshof im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht vorliegenden - Verständigung über die Hinterlegung als unzutreffend heraus. Eine verspätete Einbringung lag daher - objektiv gesehen - nicht vor.
4. In einem ähnlichen Fall - VfSlg. 14.695/1996 - hat der Verfassungsgerichtshof die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens als zulässig erachtet und den entsprechenden Beschluss aufgehoben: Das Hervorkommen einer irrigen Datumsangabe sei dem Fall des Auffindens neuer Tatsachen oder Beweismittel gleichzuhalten und eine sinngemäße Anwendung des §530 Abs1 Z7 ZPO - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - anzunehmen.
Eine solche sinngemäße Anwendung ist auch im vorliegenden Fall geboten. Die Verwendung des "richtigen" Zustelldatums wäre auch geeignet gewesen, die Zurückweisung des Fristerstreckungsantrages zu verhindern, sodass eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache hätte ergehen können; auch ein die Wiederaufnahme ausschließendes Verschulden des Einschreiters iSd §530 Abs2 ZPO liegt nicht vor.
5. Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 2009, A13/08-16, war aus diesen Gründen - unter sinngemäßer Anwendung des §530 Abs1 Z7 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG - hinsichtlich Spruchpunkt I und Spruchpunkt II aufzuheben.
III. Zum Fristerstreckungsantrag vom 31. Dezember 2008:
1. Der vom Einschreiter am 31. Dezember 2008 gestellte Antrag auf Erstreckung der vom Verfassungsgerichtshof in seiner Verfügung vom 28. November 2008 gesetzten Frist wurde rechtzeitig eingebracht, weil er innerhalb der gemäß §18 VfGG gesetzten vierwöchigen Frist, die mit 3. Dezember 2008 zu laufen begann, erhoben wurde.
2. Der Einschreiter ersuchte mit seinem Antrag vom 31. Dezember 2008 um Erstreckung jener Frist, die ihm gemäß §18 iVm §17 Abs2 VfGG zur Einbringung der Klage durch einen (selbst gewählten) bevollmächtigten Rechtsanwalt - zur Mängelbehebung - vom Verfassungsgerichtshof mit hg. Verfügung vom 28. November 2008 gesetzt wurde. Richterliche Fristen können gemäß §128 ZPO - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - verlängert werden. Da die Einbringung einer Klage gemäß Art137 B-VG an keine Frist gebunden ist, ist anders als in einem Beschwerdeverfahren gemäß Art144 B-VG (vgl. VfSlg. 9706/1983) §85 Abs2 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Mangels einer die Verlängerung dieser Verbesserungsfrist ausschließenden Bestimmung ist der Antrag auf Fristerstreckung vom 31. Dezember 2008 daher als zulässig zu erachten.
3. Der Einschreiter begründet seinen Antrag auf Fristerstreckung damit, dass es ihm infolge eines Unfalles am 25. Dezember 2008 - dh. ca. eine Woche vor Ablauf der vierwöchigen Verbesserungsfrist - und der damit verbundenen Folgen (Gipsverband wegen Bruchs der rechten Hand und starke Schmerzen) sowie des Umstandes, dass er seinen Rechtsanwalt nicht erreichen konnte, nicht möglich gewesen sei, die Staatshaftungsklage durch einen Rechtsanwalt innerhalb der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten vierwöchigen Frist einzubringen.
Der Verfassungsgerichtshof vermag darin keinen erheblichen Grund, der den Einschreiter an der rechtzeitigen Vornahme der befristeten Prozesshandlung gehindert hätte, erkennen. Ihm wurde mit Verfügung vom 28. November 2008 aufgetragen, die Klage iSd Art137 B-VG durch einen (selbst gewählten) bevollmächtigen Rechtsanwalt binnen vier Wochen einzubringen; einen der fristgerechten Erfüllung des Verbesserungsauftrages entgegenstehenden "doch sehr erheblichen Grund" vermochte der Einschreiter in seinem Antrag nicht darzulegen, zumal der Einschreiter weder in stationärer Behandlung noch infolge des Unfalles an der Möglichkeit seinen Rechtsanwalt zu kontaktieren gehindert war. Der Antrag auf Fristerstreckung vom 31. Dezember 2008 wird daher abgewiesen.
IV. Zum Fristerstreckungsantrag vom 13. Jänner 2009:
Da der Antrag vom 31. Dezember 2008 auf Erstreckung der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist unter Punkt III. als unbegründet abgewiesen und damit keine Fristerstreckung gewährt wurde, ist der am 13. Jänner 2009 gestellte Fristerstreckungsantrag zurückzuweisen.
V. Zur Klage:
Mit Schriftsatz vom "31. Jänner 2009" (eingelangt am 30. Jänner 2009) brachte der Einschreiter unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2008 und die in der Folge von ihm eingebrachten Fristerstreckungsanträge, vertreten durch einen selbst gewählten Rechtsanwalt, Klage gemäß Art137 B-VG ein. Die dem Einschreiter in der Verfügung vom 28. November 2008 gesetzte Frist von vier Wochen endete mangels Erstreckung am 31. Dezember 2008. Die von einem Rechtsanwalt verfasste Klage wurde erst nach dem 31. Dezember 2008 eingebracht. Die Eingabe ist daher wegen nicht rechtzeitig behobenen Mangels eines formellen Erfordernisses zurückzuweisen.
VI. Diese Beschlüsse konnten gemäß §128 Abs4 ZPO iVm §35 VfGG, in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litb VfGG sowie in Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.