G146/08 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller, ein öffentlicher Notar, begehrt mit
seinem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Individualantrag vom 16. Oktober 2008, in §10 Abs4 der Notariatsordnung, RGBl. 75/1871 idF BGBl. 343/1989, (im Folgenden: NO) die Wortfolge "oder seine Amtszeit in der letzten Notarstelle noch nicht sechs Jahre beträgt", in eventu §10 Abs4 NO zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben. Die bekämpfte Gesetzesstelle verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG, Art2 StGG) und gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG).
Der Antragsteller ist seinem Vorbringen zufolge mit 1. Jänner 2002 (richtig offenbar: 2003) auf eine Amtsstelle in Bregenz zum Notar ernannt worden. In der Folge habe die Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg eine mit 30. November 2008 frei gewordene Notariatsstelle in Dornbirn (unter Festlegung des Endes der Bewerbungsfrist mit 29. August 2008) zur Besetzung ausgeschrieben. Er habe sich um diese Stelle am 18. August 2008 - in Kenntnis des Umstandes, dass die Dauer seiner Amtszeit in Bregenz zum damaligen Zeitpunkt weniger als sechs Jahre betragen habe - beworben und sei in den von der Notariatskammer Tirol und Vorarlberg gemäß §11 Abs2 NO erstatteten Besetzungsvorschlag (Dreiervorschlag) nicht aufgenommen worden. Über telefonische Anfrage hätten ihm Kammermitglieder mitgeteilt, dass seine Bewerbung schon mit Blick auf das Fehlen des gemäß §10 Abs4 NO erforderlichen (sechsjährigen) Ausmaßes seiner Amtszeit in der letzten Notarstelle unberücksichtigt bleiben musste.
Zu seiner Legitimation bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass die angefochtene Gesetzesstelle für ihn zufolge Übergehens seiner Bewerbung im Besetzungsvorschlag der Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg (schon) wegen des Unterschreitens der gesetzlichen Dauer seiner Tätigkeit in der letzten Amtsstelle unmittelbar und aktuell wirksam geworden sei. Ein anderer Weg, seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehe ihm nicht zur Verfügung, da ihm gegenüber keine ablehnende Entscheidung getroffen, sondern die Bewerbung schlicht nicht berücksichtigt worden sei. Als Bewerber um eine Notarstelle habe er im Besetzungsverfahren keine Parteistellung, folglich weder das Recht auf Akteneinsicht noch einen Rechtsanspruch auf Bescheidzustellung.
2. Auf die betreffende Amtsstelle in Dornbirn wurde (wie erhoben wurde) mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 2008 ein anderer Bewerber als der Antragsteller ernannt; dieser ist nach wie vor als öffentlicher Notar in der Amtsstelle in Bregenz tätig.
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung von der Unzulässigkeit des Antrages gemäß Art140 Abs1 B-VG ausgeht und seine Zurückweisung, in eventu seine Abweisung beantragt.
4. Die Bestimmung des §10 Notariatsordnung, RGBl. 75/1871 idF BGBl. 343/1989, lautet (die im Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§10. (1) Die Ernennung der Notare steht dem Bundesminister für Justiz zu.
(2) Jede zu besetzende Notarstelle ist von der Notariatskammer auszuschreiben; die Ausschreibung ist im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' bekanntzumachen. Hiebei ist eine Bewerbungsfrist mit einem Kalendertag als Endzeitpunkt zu bestimmen. Zwischen der Bekanntmachung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' und dem Ende der Bewerbungsfrist hat ein Zeitraum von mindestens 14 Tagen zu liegen.
(3) Der Bundesminister für Justiz kann auf Antrag der Notariatskammer einen Tausch von Notarstellen ohne vorherige Ausschreibung durch entsprechende Ernennungen bewilligen. Der Antrag ist unzulässig, wenn einer der beteiligten Notare das 64. Lebensjahr bereits vollendet hat oder die Amtszeit eines der beiden in der letzten Notarstelle noch nicht sechs Jahre beträgt.
(4) Die Bewerbung eines Notars um eine andere Notarstelle ist unzulässig, wenn im Zeitpunkt des Endes der Bewerbungsfrist oder, wenn die zu besetzende Amtsstelle erst zu einem späteren Zeitpunkt frei oder neu errichtet wird, zu diesem Zeitpunkt der Bewerber das 64. Lebensjahr bereits vollendet hat oder seine Amtszeit in der letzten Notarstelle noch nicht sechs Jahre beträgt.
(5) Eine Versetzung von Amts wegen ist unzulässig."
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und kein zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss die aktuelle Betroffenheit des Antragstellers ferner nicht nur im Zeitpunkt der Einbringung des Antrages, sondern auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben sein (vgl. zB VfSlg. 13.057/1992, 16.257/2001, 17.474/2005).
2. Wie dargelegt, wurde der Antragsteller mit 1. Jänner 2003 auf jene Amtsstelle in Bregenz ernannt, die er nach wie vor innehat. Da die in §10 Abs4 NO für die Zulässigkeit der Bewerbung auf eine andere Stelle normierte Voraussetzung der sechsjährigen Dauer der Amtszeit in der letzten Notarstelle in Bezug auf den Antragsteller seit Beginn des Jahres 2009 vorliegt, fehlt ihm nunmehr - zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof - die aktuelle Betroffenheit.
Der Individualantrag war daher schon deshalb mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.