JudikaturVfGH

A15/08 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2009

Spruch

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) ist schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus € 1.115.246,27 von 18. August 2008 bis 29. Dezember 2008 zuzüglich 4 % Zinseszinsen daraus sowie die mit € 4.057,75 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu Handen ihrer Rechtsvertreter bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten, gegen den Bund

gerichteten Klage begehrte die Stromnetz Steiermark GmbH ursprünglich die Fällung nachstehenden "Urteils":

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 1.115.246,27 zuzüglich 9,47% Zinsen pa vom 29.9.2005 bis 30.6.2006, 9,97% Zinsen pa von 1.7.2006 bis 31.12.2006, 10,67% Zinsen pa von 1.1.2007 bis 30.6.2007 und 11,19% Zinsen seit 1.7.2007 sowie 4% Zinseszinsen pa ab Streitanhängigkeit dieser Klage sowie die Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Klagsvertreter zu bezahlen."

Die klagende Partei brachte vor, sie sei "hinsichtlich der Forderungen aus dem Bereich Verteilnetz" Rechtsnachfolgerin der Steiermärkischen Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (im Folgenden: STEG) und des Energieversorgungsunternehmens der Gemeinde Hieflau (im Folgenden: EVU Hieflau). Sowohl die STEG als auch das EVU Hieflau seien im Zeitraum 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 Netzbetreiber iSd §6 Z28 ElWOG gewesen, nicht jedoch selbst zugelassene Kunden iSd §44 ElWOG. Die STEG habe - ohne vorangegangene bescheidmäßige Vorschreibung - für den genannten Zeitraum Stranded Costs-Beiträge an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie an die Energie Control GmbH in Höhe von € 1,708.856,17 abgeführt, welche sich nur in der Höhe von € 596.157,16 auf Strommengen bezogen hätten, die an zugelassene Kunden als Endverbraucher abgegeben wurden, € 1,112.699,01 seien auf Lieferungen an nicht zugelassene Kunden als Endverbraucher entfallen. Das EVU Hieflau habe Stranded Costs-Beiträge in Höhe von € 2.547,26 abgeführt. Dieser Betrag sei zur Gänze auf Lieferungen an nicht zugelassene Kunden als Endverbraucher entfallen.

Nach Aufhebung des §10 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen, BGBl. II 354/2001, durch das Erkenntnis VfSlg. 17.210/2004 und Erlassung der Neufassung dieser Bestimmung durch die Verordnung BGBl. II 311/2005 mit 29. September 2005 bestehe für die beklagte Partei keine Rechtsgrundlage mehr, die von den Rechtsvorgängern der klagenden Partei zu Unrecht im Hinblick auf nicht zugelassene Kunden abgeführten Beiträge zu behalten.

Mit Antrag vom 21. Mai 2008 habe die klagende Partei bei der Energie-Control GmbH die Festsetzung der Höhe der im Zeitraum 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 von ihren Rechtsvorgängern zu entrichtenden Beiträge begehrt. Die Energie-Control GmbH habe mit dem Bescheid vom 11. Juli 2008, Z G STC 02/08, die Beiträge hinsichtlich der STEG mit € 596.157,16 und hinsichtlich des EVU Hieflau mit € 0,-- festgesetzt, wogegen die klagende Partei keine Berufung erhoben habe. Der klagenden Partei stehe - dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 25. Februar 2008, A3/08, zufolge - ein Rückforderungsanspruch auf den Differenzbetrag zwischen den entrichteten und den nunmehr bescheidmäßig festgestellten Beiträgen zu, der - sollte die Rückzahlung unterbleiben - nach Art137 B-VG eingeklagt werden könne.

Die klagende Partei habe bereits mit Briefen vom 21. Dezember 2007 und vom 25. März 2008 an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bzw. für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie zuletzt - nach Erhalt des oben genannten Bescheides der Energie Control GmbH vom 11. Juli 2008 - mit Brief vom 31. Juli 2008 die Zahlung des Klagsbetrages gefordert.

2. Der Bund erstattete eine Gegenschrift, die auszugsweise wie folgt lautet:

"[Mit ihrem Antrag an die Energie-Control GmbH auf bescheidmäßige Feststellung der Stranded Costs-Beitragspflichten ihrer Rechtsvorgänger] folgte [die klagende Partei] der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25.2.2008, A3/08-3, in der festgestellt wurde, dass über Antrag die Höhe der gemäß §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II idF der Verordnung BGBl II 311/2005 [zu

leistenden Beiträge] festzustellen ist. ... Zu ergänzen ist, dass die

STEG die Stranded Costs-Beiträge ursprünglich ohne bescheidmäßige Vorschreibung entrichtet hat, nicht zuletzt deshalb, weil die STEG zu den durch die Stranded Costs-Beihilfen begünstigten Unternehmen zählte und Beihilfen aus diesem Titel erhalten hat.

Die Energie-Control GmbH hat mit Bescheid vom 11.7.2008, G STC 02/08 (PA 2208/08), bei den Vertretern der antragstellenden Gesellschaft am 16.7.2008 eingelangt, festgestellt, dass die STEG einen Betrag von € 596.157,16 Euro im betroffenen Zeitraum an Stranded Costs-Beiträgen zu entrichten hatte. Für die Gemeinde

Hieflau wurde der Betrag mit 0,- Euro festgesetzt ... .

Am 6.8.2008 hat die Energie-Control GmbH an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Frage herangetragen, ob die Energie-Control GmbH die über die bescheidmäßig festgestellten hinausgehenden Beiträge an die betroffenen Netzbetreiber, sohin auch an die Stromnetz Steiermark als Rechtsnachfolgerin der STEG, zurückzahlen kann. Mit Schreiben vom 19.11.2008 teilte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit, dass die Rückzahlung dieser Differenzbeträge zulässig sei. Wie aus dem Schreiben der Energie-Control GmbH vom 23.12.2008, PA 4036, an das

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ... hervorgeht, wurde der

Stromnetz Steiermark GmbH ein Betrag von 1.133.394,55 Euro zur Anweisung gebracht.

Was nun die begehrten Zinsen betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass der VfGH (für die Frage der Durchsetzbarkeit der Rückforderung) davon ausgeht, dass der Netzbetreiber zunächst einen Antrag auf Festsetzung der nach der Aufhebung des §10 Abs1 STC-VO II zu entrichtenden Beiträge zu stellen hat, der bescheidmäßig zu erledigen ist. Erst danach ist die Klage nach Art137 B-VG möglich (VfGH A3/08 vom 25.02.2008). Vor bescheidmäßiger Erledigung wäre die Auszahlung aus öffentlich-rechtlicher und strafrechtlicher Sicht nicht zulässig gewesen. Der Antrag auf Feststellung des Stranded Costs Betrages wurde erst am 15.4.2008 bei der Energie-Control GmbH eingebracht, somit können Zinsen jedenfalls vor diesem Zeitpunkt nicht geltend gemacht werden. Der Bescheid der Energie-Control GmbH wurde der antragstellenden Gesellschaft - wie ausgeführt - am 16.7.2008 zugestellt, somit stand frühestens zu diesem Zeitpunkt fest, wie hoch der Rückzahlungsbetrag sein würde. Aufgrund der Klärung offener sehr komplexer Rechtsfragen, die die Einholung externer Expertise notwendig machten und aufgrund der Einholung der Rechtsansicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit erfolgte die Auszahlung der Beiträge schließlich am 23.12.2008. Die klagende Partei hat daher ihrem Zinsbegehren zu Unrecht einen Zeitraum zugrunde gelegt, in dem (Verzugs )Zinsen angefallen sein könnten.

Auch bezüglich der behaupteten Höhe des Zinssatzes ist die klagende Partei nicht im Recht: Es werden 8 % über Basiszinssatz gem. §1333 Abs2 ABGB iVm §352 UGB gefordert. Dagegen ist einzuwenden, dass es sich nicht um ein unternehmensbezogenes Geschäft iSd §352 UGB handelt. Vielmehr stehen nur 4 % über Basiszinssatz gem. §1333 iVm §1000 Abs1 ABGB zu. Es geht um das Verhältnis Bund - Stromnetz Steiermark GmbH. Von einem unternehmensbezogenen Geschäft kann nicht gesprochen werden, da es sich auch bei der bescheidmäßigen Festsetzung um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis handelt.

Das in der Klage enthaltene Zinsbegehren wird sohin sowohl hinsichtlich des geltend gemachten Zinszeitraumes, als auch bezüglich der Höhe des geltend gemachten Zinssatzes bestritten."

3. Die klagende Partei erstattete eine Replik, in der sie folgende "Einschränkung des Klagebegehrens" vornahm:

"Infolge Zahlung des Kapitalbetrags per 29.12.2008 schränkt die Klägerin das Klagebegehren auf Zinsen und Kosten ein, sodass das Klagebegehren lautet:

Die Klägerin beantragt daher das nachstehende Urteil:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei Zinsen aus € 1.115.246,27 in Höhe von 9,47 % pa von 29.9.2005 bis 30.6.2006, 9,97 % pa von 1.7.2006 bis 31.12.2006, 10,67 % Zinsen pa von 1.1.2007 bis 30.6.2007 und 11,19 % pa von 1.7.2007 bis 29.12.2008 sowie 4 % Zinseszinsen pa ab Streitanhängigkeit dieser Klage sowie die Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Klagevertreter zu bezahlen."

Die klagende Partei stellt außer Streit, dass ihr der Differenzbetrag zwischen den nunmehr festgesetzten und von ihren Rechtsvorgängern tatsächlich bezahlten Stranded Costs-Beiträgen refundiert worden ist. Die Refundierung umfasse jedoch nur den Kapitalbetrag, nicht jedoch Zinsen und Kosten. Entgegen dem Vorbringen der beklagten Partei sei die Refundierung nicht am 23. Dezember 2008, sondern erst am 29. Dezember 2008 dem Konto der klagenden Partei gutgeschrieben worden.

Die klagende Partei habe in der Zwischenzeit die Energie-Control GmbH und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit mehrfach erfolglos aufgefordert, die Zinsen und Kosten zu zahlen.

Die Zinsenforderung betreffend führt die klagende Partei aus, auch wenn die vormalige Grundlage zur Zahlung der Stranded Costs-Beiträge im öffentlichen Recht wurzle, sei die (Treuhand)Tätigkeit der Energie-Control GmbH im konkreten Fall zumindest im Grenzbereich zur unternehmerischen Tätigkeit angesiedelt und der Beklagten zuzurechnen. Die Energie-Control GmbH sei gemäß §2 UGB Unternehmer kraft Rechtsform. Der klagenden Partei stünden daher Verzugszinsen in der Höhe analog §352 UGB (und nicht nur gemäß §1000 ABGB) zu. Der Zinsenlauf für die Verzugszinsen habe am 29. September 2005 begonnen; seit damals sei die Grundlage für die Zahlung der Stranded Costs-Beiträge entfallen. Wenn es - wie hier - an einer Gegenleistung des Bereicherungsschuldners fehle, habe er die Nutzungen unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des Verzugs herauszugeben, und zwar im Fall eines zu erstattenden Geldbetrags als Vergütungszinsen zumindest in der Höhe des gesetzlichen Zinssatzes. Die Zinsen gebührten nicht erst ab Eintritt des Verzugs bei Erstattung der Bereicherungsschuld, sondern schon für den Zeitraum vor Verzugseintritt. Der Beginn des Zinsenlaufes sei daher auch nicht vom Zeitpunkt der bescheidmäßigen Absprache über die Stranded Costs-Beiträge abhängig. Die Einwände der Beklagten, zB dass angeblich sehr komplexe Rechtsfragen zu klären gewesen wären (obwohl der Rückzahlungsanspruch auf der Hand gelegen sei), seien - auch angesichts des Umstandes, dass die Beklagte und die Energie-Control GmbH das Thema seit Jahren kennen würden und die Erledigung lange genug verzögert hätten - nicht zutreffend und unbeachtlich. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Energie-Control GmbH den Klagsbetrag über mehrere Jahre tatsächlich vereinnahmt und zinsbringend angelegt hätte. Vor diesem Hintergrund sei die Bestreitung des Zinsenbegehrens auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Klage ist zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 25. Februar 2008, A3/08, unter Hinweis auf frühere Entscheidungen dargelegt, dass nach einer bescheidmäßigen Neufestsetzung der für den Zeitraum von 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 zu leistenden Stranded Costs-Beiträge ein allfälliger Differenzbetrag zwischen geleisteten Beiträgen und neuer Vorschreibung - sollte die Rückzahlung unterbleiben - nach Art137 B-VG eingeklagt werden kann. Der Verfassungsgerichtshof ist in solchen Fällen auch für die Entscheidung über Begehren auf Verzugszinsen zuständig (vgl. VfSlg. 18.263/2007).

2. Das - auf Verzugszinsen und Prozesskosten eingeschränkte - Klagebegehren ist teilweise auch berechtigt.

Auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen sind Verzugszinsen erst ab dem Zeitpunkt des Verzuges zu entrichten (vgl. VfSlg. 16.858/2003, 18.263/2007).

Nach dem Vorliegen der - auf Antrag der klagenden Partei erfolgten - bescheidmäßigen Festsetzung der von der STEG und dem EVU Hieflau als Rechtsvorgängern der klagenden Partei für den Zeitraum von 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 zu leistenden Stranded Costs-Beiträge (Bescheidzustellung am 16. Juli 2008) richtete die klagende Partei am 31. Juli 2008 ein Schreiben an die Energie-Control GmbH, in welchem sie die Rückzahlung des Differenzbetrages zwischen den geleisteten Beiträgen und den nunmehr festgesetzten in Höhe von € 1,115.246,27 samt Zinsen forderte und dafür eine Frist von 14 Tagen setzte. Diese an die Energie-Control GmbH gerichtete Zahlungsaufforderung ist im vorliegenden Zusammenhang als an den Bund gerichtet zu werten (vgl. VfSlg. 18.263/2007). Erst nach Ablauf der - angemessenen - Zahlungsfrist von 14 Tagen, also ab 18. August 2008, lag Verzug vor, der bis zur Gutschreibung des genannten Betrages auf dem Konto der klagenden Partei am 29. Dezember 2008 dauerte.

Was die Höhe des begehrten Zinssatzes betrifft, bringt die klagende Partei vor, die Energie-Control GmbH sei gemäß §2 UGB Unternehmer kraft Rechtsform und der klagenden Partei stünden daher Verzugszinsen "in der Höhe analog §352 UGB (und nicht nur gemäß §1000 ABGB)" zu. Dem ist zu entgegnen, dass die Bezugnahme auf das UGB schon insoweit ins Leere geht, als der geltend gemachte Anspruch nicht rechtsgeschäftlich begründet ist. Ein Anspruch auf Zinsen ist daher nur nach allgemeinen Grundsätzen gegeben. Im Falle des Verzuges des Schuldners sind von diesem dem Gläubiger Verzugszinsen von 4 % (§1000 Abs1 ABGB) zu leisten (vgl. zuletzt VfGH 19.6.2008, A4/02).

3. Die klagende Partei hat ihre Klage zu einem Teil zu Recht erhoben und nach Zahlung des Betrages rechtzeitig eingeschränkt; es sind ihr daher die Verfahrenskosten zu ersetzen. Die dem Kläger gebührenden Verfahrenskosten waren gemäß §41 iVm §35 Abs1 VfGG und §41 Abs2 ZPO anhand des Rechtsanwaltstarifgesetzes auszumessen. Die Klage war nach TP3 C und die Kosten der Klagseinschränkung nach TP1 zu honorieren (vgl. VfSlg. 16.600/2002, 16.857/2003, 16.874/2003, 17.445/2005). In den zugesprochenen Kosten sind weiters 50% Einheitssatz für die Klage und 60% Einheitssatz für die Klagseinschränkung, die Eingabengebühr in Höhe von € 180,- und Umsatzsteuer in Höhe von € 646,29 enthalten.

Die das zugesprochene Ausmaß übersteigenden von der klagenden Partei verzeichneten Kosten waren nicht zuzusprechen, weil die - unter einem mit der Klagseinschränkung erstattete - Replik zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war (VfSlg. 16.874/2003). Die Kosten der Klagseinschränkung waren nach §12 Abs4 lita RATG zu bemessen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise