JudikaturVfGH

WI-6/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Dezember 2009

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Am 27. September 2009 fand die von der

Oberösterreichischen Landesregierung mit Kundmachung vom 3. Juni 2009, LGBl. 58/2009, ausgeschriebene Wahl des Oberösterreichischen Landtags statt.

Dieser Wahl lagen die von der Landeswahlbehörde überprüften, gemäß §36 Abs4 der Oberösterreichischen Landtagswahlordnung, LGBl. 48/1997 idF LGBl. 27/2009 (im Folgenden: OÖ LTWO), abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge folgender

Wahlparteien zu Grunde:

Liste 1: ÖVP - Liste Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (ÖVP),

Liste 2: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ),

Liste 3: Die Grünen - Die Grüne Alternative (GRÜNE),

Liste 4: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ),

Liste 5: BZÖ - Liste Uschi Haubner (BZÖ),

Liste 6: Die Christen Oberösterreich (DC-OÖ),

Liste 7: Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ).

1.2. Einen von der Wählergruppe "Nationale Volkspartei (NVP)" erstatteten Kreiswahlvorschlag für den Wahlkreis 1 (Linz und Umgebung) hatte die Landeswahlbehörde mit Schreiben vom 13. August 2009 mit der Begründung als nicht eingebracht gewertet, dass er als Akt der Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes 1947 zu beurteilen gewesen sei.

2. Mit ihrer am 23. Oktober 2009 zur Post gegebenen und auf Art141 B-VG gestützten Wahlanfechtung beantragt die Wählergruppe "Nationale Volkspartei (NVP)" "das Verfahren zur Wahl des Landtages in Oberösterreich, Wahlsprengel 1 [gemeint wohl: Wahlkreis 1] (Linz und Umgebung) vom 27. September 2009 vom Ermittlungsverfahren an für nichtig [zu] erklären und als rechtswidrig auf[zu]heben". Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entscheidung der Landeswahlbehörde, den Wahlvorschlag der Antragstellerin nicht zuzulassen, rechtswidrig gewesen sei. Keiner der in §29 Abs1 OÖ LTWO angeführten Voraussetzungen treffe zu und würde den Ausschluss vom passiven Wahlrecht rechtfertigen.

3. Die Landeswahlbehörde legte die Wahlakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin, der Wahlanfechtung nicht stattzugeben. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag auf Aufhebung des Wahlverfahrens vom Ermittlungsverfahren an - angesichts der behaupteten Rechtswidrigkeit - zu eng gefasst sei und der Verfassungsgerichtshof daher zu einem solchen Ausspruch im Sinne des Antrages nicht befugt sei. Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wird ausgeführt, dass §3 Verbotsgesetz 1947 von jeder staatlichen Behörde unmittelbar anzuwenden sei und daher die Landeswahlbehörde den Kreiswahlvorschlag der Anfechtungswerberin als nicht eingebracht werten habe müssen.

4. Die Anfechtungswerberin replizierte auf diese Gegenschrift.

II. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen der OÖ LTWO lauten samt ihren Überschriften:

"§29

Überprüfung der Kreiswahlvorschläge durch die Landeswahlbehörde

(1) Der Landeswahlleiter hat nach sofortiger Überprüfung des Kreiswahlvorschlages auf offensichtliche Mängel auf dem Kreiswahlvorschlag den Tag und die Uhrzeit seines Einlangens zu vermerken. Fallen dem Landeswahlleiter an einem rechtzeitig vorgelegten Kreiswahlvorschlag offensichtliche Mängel auf, hat er der wahlwerbenden Partei über ihr Verlangen die Möglichkeit zur Verbesserung einzuräumen; auch der verbesserte Kreiswahlvorschlag muss innerhalb der Einbringungsfrist vorgelegt werden. Erst danach ist der endgültige Eingangsvermerk anzubringen. Spätestens nach Ende der Einbringungsfrist hat der Landeswahlleiter die eingelangten Kreiswahlvorschläge der Landeswahlbehörde vorzulegen. Diese überprüft jeden der eingelangten Kreiswahlvorschläge, ob er als gültig eingebracht gilt. Ein Kreiswahlvorschlag gilt dann als nicht eingebracht, wenn

1. er verspätet eingebracht wurde,

2. er nicht die erforderliche Anzahl von gültigen Unterstützungserklärungen aufweist,

3. er keine Parteiliste enthält,

4. der Kostenbeitrag gemäß §28 Abs5 nicht erlegt wird,

5. im Fall des §31 Abs3 kein anderer Listenführer namhaft gemacht wird.

Gilt ein Kreiswahlvorschlag als nicht eingebracht, ist der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der betroffenen Partei davon zu verständigen.

(2) - (4) ..."

"VI. HAUPTSTÜCK

Ermittlungsverfahren

1. ABSCHNITT

Feststellung der Stimmergebnisse

§59

Stimmergebnis im Wahlsprengel

(1) Die Sprengelwahlbehörde - in Gemeinden, die nicht in Wahlsprengel eingeteilt sind, die Gemeindewahlbehörde - hat zuerst die in der Wahlurne befindlichen Wahlkuverts gründlich zu mischen, die Wahlurne zu entleeren und die Zahl der von den Wählern abgegebenen Wahlkuverts und die Zahl der im Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler festzustellen. Stimmen beide Zahlen nicht überein, ist der ermittelte oder vermutete Grund hiefür in der Niederschrift (§60) besonders zu vermerken. Hierbei sind die durch die Gemeindewahlbehörde gemäß §50a Abs2 und 3 getroffenen und protokollierten Feststellungen zu berücksichtigen.

(2) - (3) ...

§60

Niederschrift

(1) Die Sprengelwahlbehörde - in Gemeinden, die nicht in Wahlsprengel eingeteilt sind, die Gemeindewahlbehörde - hat den Wahlvorgang und das Wahlergebnis in einer Niederschrift zu beurkunden.

(2) - (4) ...

§61

Stimmergebnisse in Gemeinden mit mehreren Wahlsprengeln

(1) In Gemeinden, die in Wahlsprengel eingeteilt sind, haben die Gemeindewahlbehörden die ihnen von den Sprengelwahlbehörden gemäß §59 Abs3 bekanntgegebenen Ergebnisse für den gesamten Bereich der Gemeinde zusammenzurechnen. Alle Gemeindewahlbehörden haben die ermittelten Feststellungen der Bezirkswahlbehörde unverzüglich auf die schnellste Art bekanntzugeben (Sofortmeldung).

(2) - (4) ...

§62

Stimmergebnis im Bezirk

(1) Jede Bezirkswahlbehörde hat für ihren Bezirk festzustellen:

1. die Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen;

2. die Summe der abgegebenen ungültigen Stimmen;

3. die Summe der abgegebenen gültigen Stimmen;

4. die auf die einzelnen Parteien entfallenden gültigen Stimmen (Bezirksparteisummen);

5. die von den einzelnen Bewerbern erreichte Anzahl von gültigen Vorzugsstimmen.

(2) - (6) ...

§63

Stimmergebnis im Wahlkreis

(1) Jede Kreiswahlbehörde hat für ihren Wahlkreis festzustellen:

1. die Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen;

2. die Summe der ungültigen Stimmen;

3. die Summe der gültigen Stimmen;

4. die auf die einzelnen Parteien entfallenden gültigen Stimmen (Parteisummen);

5. die von den einzelnen Bewerbern erreichte Anzahl von gültigen Vorzugsstimmen.

(2) Nach Einlangen der endgültigen Stimmergebnisse der einzelnen Wahlbezirke hat die Kreiswahlbehörde diese Stimmergebnisse auf etwaige Irrtümer in den zahlenmäßigen Ergebnissen zu überprüfen und diese erforderlichenfalls richtigzustellen. Sodann hat sie die Stimmergebnisse der Bezirkswahlbehörden zusammenzuzählen. Das auf diese Art ermittelte endgültige Stimmergebnis im Wahlkreis ist sofort der Landeswahlbehörde bekanntzugeben.

§64

Feststellung der Landesparteisummen

Die Landeswahlbehörde hat nach Einlangen der Berichte aller Kreiswahlbehörden gemäß §63 Abs2 folgende Feststellungen zu treffen:

1. die Gesamtsumme der landesweit abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen;

2. die Summe der ungültigen Stimmen;

3. die Summe der gültigen Stimmen;

4. die auf die einzelnen Parteien landesweit entfallenden gültigen Stimmen (Landesparteisummen).

2. ABSCHNITT

Ermittlung der Parteien, die Anspruch auf die Zuteilung von Mandaten haben

§65

Prozentklausel oder Grundmandat

(1) Anspruch auf die Zuteilung von Mandaten haben jene wahlwerbenden Parteien, die

1. im gesamten Landesgebiet mindestens vier Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben oder

2. in mindestens einem der Wahlkreise ein Grundmandat erreicht haben.

(2) - (5) ...

3. ABSCHNITT

Ermittlungsverfahren im Wahlkreis

§66

Vergabe der Mandate im Wahlkreis

(1) Die Kreiswahlbehörde hat vorerst die im Wahlkreis insgesamt zu vergebenden Mandate auf Grund der Wahlzahl auf die am weiteren Ermittlungsverfahren teilnehmenden Parteien (§65 Abs5) zu verteilen.

(2) Die Wahlzahl wird ermittelt, indem die Summe der im Wahlkreis für die am weiteren Ermittlungsverfahren teilnehmenden Parteien abgegebenen gültigen Stimmen durch die Anzahl der im Wahlkreis zu vergebenden Mandate (§3 Abs1) geteilt wird. Hiebei bleiben Dezimalreste außer Betracht.

(3) Die einzelnen Parteisummen (§63 Abs1 Z. 4) werden sodann durch die Wahlzahl geteilt. Jede Partei erhält so viele Mandate, als die Wahlzahl in ihrer Parteisumme enthalten ist.

§67

Zuweisung der Mandate an die einzelnen Bewerber

(1) Zunächst hat die Kreiswahlbehörde festzustellen, wieviele gültige Vorzugsstimmen für die Zuweisung des Vorzugsstimmenmandats (Abs3 Z. 1) von einem Bewerber mindestens erreicht werden müssen.

(2) Anschließend hat die Kreiswahlbehörde auf Grund der von ihr für jeden einzelnen Bewerber ermittelte Anzahl von gültigen Vorzugsstimmen für jeden Bewerber gesondert die Wahlpunktezahl folgendermaßen zu berechnen:

1. Der auf dem Wahlvorschlag einer Partei an erster Stelle angeführte Bewerber erhält für jede gültige Stimme seiner Partei doppelt soviele Listenpunkte wie Mandate im betreffenden Wahlkreis zu vergeben sind. Der auf dem Wahlvorschlag an zweiter Stelle angeführte Bewerber erhält für jede gültige Stimme seiner Partei einen Listenpunkt weniger, der an dritter Stelle angeführte Bewerber erhält für jede gültige Stimme seiner Partei zwei Listenpunkte weniger usw.;

2. für jede gültige Vorzugsstimme erhält der Bewerber 25 Vorzugspunkte;

3. das Zusammenzählen der Listenpunkte und der Vorzugspunkte ergibt die Zahl der Wahlpunkte.

(3) ...

(4) Mit der Zuweisung der Mandate ist das Ermittlungsverfahren im Wahlkreis abgeschlossen.

§68

Niederschrift; Verlautbarung des Wahlergebnisses

(1) Die Kreiswahlbehörde hat das Wahlergebnis im Wahlkreis in einer Niederschrift zu verzeichnen.

(2) - (4) ...

(5) Die Kreiswahlbehörde hat sodann durch Anschlag an der Amtstafel des Amtes, dem der Vorsitzende der Kreiswahlbehörde angehört, das Wahlergebnis zu verlautbaren. Die Verlautbarung hat jedenfalls die Feststellungen gemäß Abs2 Z. 3 bis 9 und den Zeitpunkt des Anschlages an der Amtstafel zu enthalten.

4. ABSCHNITT

Ermittlungsverfahren auf Landesebene

§69

Verteilung der Mandate

(1) Im Ermittlungsverfahren auf Landesebene verteilt die Landeswahlbehörde auf Grund der Wahlzahl (Abs2) grundsätzlich 56 Mandate auf die am weiteren Ermittlungsverfahren teilnehmenden Parteien, die einen Landeswahlvorschlag (§70 Abs1) eingebracht haben. Hat eine am weiteren Ermittlungsverfahren teilnehmende Partei keinen Landeswahlvorschlag eingebracht, verringert sich die Anzahl der zu verteilenden Mandate um jene Mandate, die von dieser Partei in einem oder mehreren Wahlkreisen erreicht wurden.

(2) Die Wahlzahl wird ermittelt, indem vorerst die Landesparteisummen nach ihrer Größe geordnet nebeneinander geschrieben werden; unter jede Landesparteisumme wird die Hälfte geschrieben, darunter das Drittel, das Viertel und nach Bedarf die weiterfolgenden entsprechenden Teilzahlen. Als Wahlzahl gilt bei 56 zu vergebenden Mandate die 56-größte, bei 55 zu vergebenden Mandaten die 55-größte usw. Zahl der so angeschriebenen Zahlen.

(3) Jede Partei erhält so viele Mandate, als die Wahlzahl in ihrer Landesparteisumme enthalten ist. Wenn nach dieser Berechnung zwei oder mehrere Parteien auf die Zuweisung eines Mandates den gleichen Anspruch haben, wird zwischen ihnen nur dann gelost, wenn es sich um Zuweisung des letzten zu vergebenden Mandates handelt. Das Los ist vom jüngsten Mitglied der Landeswahlbehörde zu ziehen.

(4) Unterschreitet die gemäß Abs3 für eine Partei ermittelte Gesamtmandatszahl die Summe der dieser Partei in den Wahlkreisen insgesamt zugefallenen Mandate, ist so vorzugehen, als hätte diese Partei keinen Landeswahlvorschlag eingebracht; die Wahlzahl ist gemäß Abs2 neu zu berechnen.

(5) Übersteigt die gemäß Abs3 für eine Partei ermittelte Gesamtmandatszahl die Summe der dieser Partei in den Wahlkreisen insgesamt zugefallenen Mandate, erhält sie so viele weitere Mandate, wie dieser Differenz entspricht.

§70

Landeswahlvorschlag; Zuweisung der Mandate an die Bewerber

(1) Jede Partei, die einen Kreiswahlvorschlag eingebracht hat, kann spätestens am 10. Tag vor dem Wahltag bei der Landeswahlbehörde durch einen auf einem Kreiswahlvorschlag aufscheinenden zustellungsbevollmächtigten Vertreter den Landeswahlvorschlag einbringen. In einen Landeswahlvorschlag dürfen nur Personen aufgenommen werden, die in einem der Wahlkreise als Bewerber derselben Partei aufscheinen. Bewerber, die in keinem veröffentlichten Kreiswahlvorschlag (§51 Abs1) derselben Partei aufscheinen, gelten als in den Landeswahlvorschlag nicht aufgenommen.

(2) Die einer Partei gemäß §69 Abs5 zufallenden Mandate sind den Bewerbern der jeweiligen Partei in der Reihenfolge des jeweiligen Landeswahlvorschlages von der Landeswahlbehörde zuzuweisen; dabei sind jene Bewerber nicht zu berücksichtigen, denen bereits ein Vorzugsstimmenmandat zugewiesen wurde. Damit ist das Ermittlungsverfahren auf Landesebene abgeschlossen.

§71

Niederschrift; Kundmachung

(1) Nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens auf Landesebene hat die Landeswahlbehörde die Ergebnisse in einer Niederschrift zu verzeichnen.

(2) - (3) ...

(4) Die Landeswahlbehörde hat sodann durch Anschlag an der Amtstafel des Amtes der o.ö. Landesregierung das Wahlergebnis zu verlautbaren. Die Verlautbarung hat jedenfalls die Feststellungen gemäß Abs1 Z. 3 bis 5 und den Zeitpunkt des Anschlages an der Amtstafel zu enthalten."

2.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch zum Landtag. Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.2. Nach §67 Abs2 VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg. 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, dass die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlags das Ergebnis der Wahlanfechtung - wie hier - mitbestimmt, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam erstattet wurde (zB VfSlg. 10.178/1984 und 10.217/1984).

2.3. Nach §68 Abs1 VfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

2.4. Nun sieht zwar §72 Abs1 OÖ LTWO administrative Einsprüche an die Landeswahlbehörde - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VfGG - vor, doch nur gegen die ziffernmäßigen Ermittlungen einer Kreis- oder der Landeswahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (das sind sämtliche nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffende) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VfGG) offen.

2.5. Vorliegend strebt die Anfechtungswerberin in ihrer Wahlanfechtungsschrift nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr eine sonstige Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eröffnet wird.

2.6. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens, das ist im vorliegenden Fall die Kundmachung (Verlautbarung) des Wahlergebnisses durch Anschlag an der Amtstafel des Amtes der OÖ Landesregierung (vgl. auch VfSlg. 10.821/1986).

Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, dass die Landeswahlbehörde das Wahlergebnis gemäß §71 Abs4 OÖ LTWO am 2. Oktober 2009 kundgemacht hat.

Die am 23. Oktober 2009 zur Post gegebene Wahlanfechtung erweist sich daher als rechtzeitig und zulässig.

3. Der Wahlanfechtung ist jedoch schon aus folgendem Grund nicht stattzugeben:

Gemäß Art141 Abs1 Satz 3 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof einer Wahlanfechtung stattzugeben, "wenn die behauptete Rechtswidrigkeit eines Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war". Dazu legt §67 Abs1 Satz 2 VfGG fest, dass die Anfechtung "den begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines bestimmten Teiles desselben zu enthalten" hat. Dieser Antrag nach §67 Abs1 Satz 2 VfGG bildet folglich einen unverzichtbaren Bestandteil der Anfechtungsschrift; sein (Maximal)Umfang wird von der Anfechtungswerberin bestimmt, die sich entscheiden muss, ob sie die "Nichtigerklärung" (Aufhebung) des gesamten Wahlverfahrens oder nur eines Teiles davon begehrt. Damit steckt die Anfechtungswerberin die Grenzen der Nichtigerklärungs(Aufhebungs)befugnis des Verfassungsgerichtshofes ab, der (bei seinem Ausspruch nach §70 Abs1 Satz 2 VfGG) über diesen Antrag nicht hinausgehen darf (VfSlg. 14.080/1995 sowie 15.645/1999, Seite 533, Punkt 4.2.2.).

Die Anfechtungswerberin beantragt ausdrücklich "das Verfahren zur Wahl des Landtages in Oberösterreich, Wahlsprengel 1 (Linz und Umgebung) vom 27. September 2009 vom Ermittlungsverfahren an für nichtig [zu] erklären und als rechtswidrig auf[zu]heben".

Mit dem das VI. Hauptstück der OÖ LTWO einleitenden Begriff "Ermittlungsverfahren" wird in der OÖ LTWO das nach Abschluss der Stimmabgabe anschließende Verfahren zur Feststellung des Stimmergebnisses, der Ermittlung der Parteien, welche Anspruch auf die Zuteilung von Mandaten haben und die Vergabe der Mandate auf diese Partei bezeichnet. Diesem Begriff kommt daher eine im Gesetz eindeutig umschriebene Bedeutung zu (siehe dazu VfSlg. 14.080/1995 sowie auch die vergleichbaren Bestimmungen auf Bundesebene V. Hauptstück §§96 ff. Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie zur Definition des Begriffes zB Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht II, 1997, Rz 21.011 ff.).

Der vorliegende Antrag macht geltend, dass die Nichtzulassung des Wahlvorschlages der Anfechtungswerberin rechtswidrig gewesen sei. Bei Zutreffen der behaupteten Rechtswidrigkeit müsste das Wahlverfahren aber schon von der Entscheidung über die Zulässigkeit des Wahlvorschlages an aufgehoben werden (vgl. Punkt 2.2.). Zu einem solchen Ausspruch ist der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht befugt, wenn die Anfechtungswerberin die Nichtigerklärung der Wahl insgesamt - aus welchen Gründen immer - gar nicht beantragt, sondern ihren Antrag ausdrücklich und unmissverständlich auf einen späteren Teil des Wahlverfahrens, hier auf das Wahlverfahren "vom Ermittlungsverfahren an", beschränkt.

Der Wahlanfechtung war aus diesem Grund nicht stattzugeben.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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